Parteien lehnen Ethik ab!

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Politische Ästhetik: Un-Kultur der Selbstgefälligkeit

2. Februar 2023 - Alle Parteien, die im Österreichischen Nationalrat vertreten sind, leisten sich eigene Partei-Akademien. Warum? Nicht weil Österreich eine Bildungsnation ist, sondern weil es dafür staatliche Mittel gibt. Und weil Österreich ein Rechtsstaat ist, gibt es dafür ein eigenes Bundesgesetz über die Förderung politischer Bildungsarbeit und Publizistik (PubFG). Vollkommen gesetzeskonform fließen demnach laut Transparenzportal 10,5 Millionen Euro an die fünf  "Parteiakademien" von ÖVP, SPÖ, FPÖ, NEOS und Grüne - jährlich! Die ÖVP erhält davon 3,2 Millionen, die übrigen je nach Anzahl der Mandate entsprechend weniger, siehe Grafik von Statista:

ParteiAkademien Förderung

Die "normale" Parteienförderung ist von 2019 bis 2023 von 30 auf 33.8 Millionen Euro gestiegen, berichtet Johannes Huber auf seinem Blog dieSubstanz.at

Nachdem die damalige NEOS-Abgeordnete Irmgard Griss bei einer politischen Diskussion 2018 im Kunstraum bestätigt hatte, dass 80 Prozent der Abgeordneten keine Ahnung von der Verfassung haben, hat der Autor des Buches "Baustelle Parlament" Anfang 2019, zum 100-Jahr-Jubiläum der österreichischen Verfassung, alle 183 Mandatare über sein Buch informiert und Schulungen zum Thema Verfassung angeboten. Er berichtet:

"Einer von zwei Abgeordneten, die mich zu einem persönlichen Gespräch eingeladen haben, war Rudolf Silvan von der SPÖ. Nach einer Stunde Wartezeit kam er in das improvisierte Besprechungszimmer im Parlamentskontainer. Er begrüßte mich mit der offenbar gewohnheitsmäßigen Frage: "Was kann ich für Sie tun?" Nach meiner Antwort blieb ihm kurz der Mund offen: "Für mich können Sie gar nichts tun! Aber ich hoffe, dass wir gemeinsam etwas für eine bessere Demokratie tun können." Darauf hin ergab sich ein relativ konstruktives Gespräch, bei dem ich nicht nur Kritik an den Parteien im Allgemeinen, sondern auch an der SPÖ im Besonderen übte.

Gegen Ende lenkte ich das Gespräch in die Richtung, dass ich Kurse über die Verfassung im Renner Institut anbieten könne: Nebenbei fragte ich, ob dort noch Josef Cap Direktor sei. Bei seiner Antwort blieb mir kurz der Mund offen: "Ich weiß nicht, wer dort Direktor ist und welche Schulungen derzeit angeboten werden." Ein Nationalratsabgeordneter, also ein Top-Funktionär der SPÖ, der größtes Interesse haben müsste, dass er, seine Mitarbeiter und die SPÖ-Mitglieder seines Wahlkreises immer mit den besten Schulungen und Trainings versorgt werden, weiß nicht, was die Bildungsakademie seiner Partei anzubieten hat! Aber immerhin hat er versprochen, meine Inputs an die Justizsprecherin seiner Partei weiter zu leiten. SPÖ-Justizsprecherin die Innsbrucker Abgeordnete Selma Yildirim, offenbar die Mails von ihrem Parteigenossen Silvan ebenso ignoriert, wie bislang 10 Mails von Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Über das zweite Gespräch mit dem NEOS-Abgeordneten Helmut Brandstätter gibt es nichts zu berichten, außer dass er mich abgespeist hat mit der Feststellung, ER habe keinen Einfluss auf die Programmplanung im NEOS LAB".

Nebenbei erwähnt: wikipedia schreibt über Josef Cap: "Neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter zum Nationalrat war Cap vom 1. Jänner 2014 bis 1. Dezember 2017 geschäftsführender Präsident des Renner-Instituts, der Parteiakademie der Sozialdemokratie. In der Zeitung Falter wurde kritisiert, diese Funktion wäre für ihn neu geschaffen und mit 6000 Euro Bruttogehalt dotiert worden, damit gegenüber seiner bisherigen Tätigkeit als Klubobmann keine Gehaltseinbußen entstünden."

Damit sind wir mitten im Thema Moral, Ethik und Korruption. Korruption beginnt nicht bei der Annahme von Schmiergeldern, Korruption beginnt bei Verantwortungslosigkeit. Und Verantwortungslosigkeit beginnt bei Antwortungslosigkeit, die 95 Prozent der "Volksvertreter" üben, in der Überzeugung, Anfragen von Bürgern dieses Landes könne man einfach ignorieren.

Korruption beginnt nicht bei Mandatskauf, sondern bei den Sesselklebern, die glauben, einen Rechtsanspruch auf ein Mandat oder eine einmal gewohnte Verdiensthöhe auf Lebenszeit zu haben.

Korruption beginnt bei der Geisteshaltung aller Mitglieder der etablierten Parteien, dass sie das Recht dazu haben, unseren Staat wie einen Selbstbedienungsladen zu benutzen.

Korruption beginnt bei der moralisch verantwortungslosen und rechtlich laschen Auslegung von Unvereinbarkeitsregeln (wie zuletzt der Gipfel der Unvereinbarkeit: Finanzminister Gernot Blümel, der 2020 nicht die geringsten Bedenken hatte, im Jahr der größten Krise so ganz nebenbei noch für das Amt des Wiener Bürgermeisters zu kandidieren.)

Anlässlich der geplanten Novelle des Korruptions-Strafrechtes sowie des ethisch bedenklichen Entwurfes des Krisensicherheitsgesetzes B-KSG hat ethos.at am 15.1.23 folgende Mail an 183 Abgeordnete des Nationalrates geschickt:

Sehr geehrte/r (Name des/der Abgeordneten)!

Das Korruptionsstrafgesetz, das es seit 2013 gibt, und offenbar nichts bewirkt hat, soll in diesem Jahr reformiert werden. Transparency International meint: „ Der Entwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn er noch angepasst wird.“ Ein Moralphilosoph stellt sich jedoch die Frage, ob weitere Paragrafen die Bereitschaft zur Korruption, die ja von einem grundsätzlichen moralischen Defekt zeugt, verhindern können, denn Korruption beginnt nicht beim Mandatskauf, sondern

- bei der Zustimmung zu einem Gesetz, das man nicht geprüft hat,

- bei der Ausübung mehrerer Funktionen, die unvereinbar sind,

- nicht zuletzt bei Versprechen, die man nicht halten kann oder gar nicht halten will.

Um solche Missstände abzustellen, wäre es angebracht, in den hoch subventionierten Partei-Akademien Ethikunterricht als Pflichtfach einzuführen.

Bitte um Feedback: + Sind Sie persönlich FÜR oder GEGEN die Einführung von Ethikunterricht in IHRER Parteiakademie? Wenn ja, ab wann? ++ Wenn nein, warum nicht?

Mit besten Grüßen, Mag. Hubert Thurnhofer

Philosophische Praxis (ethos.at)

Die absolute Mehrheit der Volksvertreter hat nicht geantwortet, "naturgemäß" würde Thomas Bernhard schreiben, aber immerhin fanden Vertreter von vier Parteien Zeit für eine Antwort. Im folgenden die Antworten von:

ÖVP

Grüne

NEOS

FPÖ

Von SPÖ-Abgeordneten sind bis dato (2.2.2023) keine Antworten eingetroffen.