Hannes Androsch in memoriam

R.I.P. Hannes Androsch- eine kleine Erinnerung

von Lisa Wegenstein

12. Dezember 2024 - Die Schaßtrommel und der frierende Wachmann

Hannes Androsch war ein Freund meiner Eltern. Mein Vater, der Karikaturist Rudolf Angerer (RANG) hat ihn in den 70er und 80er Jahren oft für den "Kurier" gezeichnet. Irgendwann sind die Androschs dann nach Neustift am Walde gezogen und wir waren quasi Nachbarn. Wir im Reihenhaus und die Androsch- Villa wurde neu gebaut und war sehr modern mit viel Glas und so, sehr cool. Meine Eltern waren dort manchmal eingeladen, ich nie, weil ich einen gravierenden Fehler gemacht habe, an den ich mich bis heute erinnere.

Die jüngere Androsch-Tochter ging in die gleiche Volksschule wie ich, sie war ein Jahr jünger, daher besuchte sie Klasse unter mir. Am Schulweg durch Neustift, den ich 25 Minuten zu Fuß gehen musste, sie nur 15 Minuten, haben Natascha und ich uns kennengelernt, eine kleine Schulweg-Freundschaft ist entstanden. Elisabeth und Maria Lanner, die Töchter vom ÖVP - Sixtus Lanner, die gegenüber der Androschs gewohnt haben, Elisabeth ging in meine Klasse, waren auch immer dabei. Also SPÖ und ÖVP Kids und die Tochter von deren Karikaturisten marschierten täglich zur VS Celtesgasse und zurück und man beplauderte dies und das.

Mein Vater, Sozialist, der Kurier- Karikaturist und Kishon- Illustrator war ein eleganter und sehr humorvoller Mensch mit einer schönen Portion Zynismus in einer manchmal durchaus ordinären Sprache. Ich was 8 oder 9 Jahre alt, als mein Vater beim Abendessen seinen Unmut über irgendeine Person aus der Kurier- Redaktion mit dem Wort "Schaßtrommel" untermauert hat. Ich war begeistert von diesem Wort, meine Mutter weniger. Ein paar Tage und Schulwege später bekam ich eine Einladung zu Nataschas Geburtstagsfeier und hab mich auf die Party in der lässigen Villa gefreut. Leider hatten Natascha und ich 2 Tage vor dem Fest einen kleinen Streit am Schulweg. Ich war sauer und wollte das schlimmste Schimpfwort der Welt an sie richten. Ich tat es und sagte: "Du bist eine richtige Schaßtrommel".

Schnell kam ein Anruf von Mutter zu Mutter und ich wurde wegen der Schaßtrommel von den Androsch-Fete ausgeladen und von meiner Mama zurechtgewiesen. "Du hättest wenigstens Hochdeutsch sprechen können und Scheiß-, statt Schaß sagen können, Dialekt geht gar nicht". Die Trommel war ok. Mein Vater, der Oberösterreichische Schaß-Sager, wurde von seiner Frau auch ordentlich heruntergeputzt und hat dann nie wieder vor den Kindern Schaßtrommel gesagt. Meine Freundschaft mit der Androsch Natascha war over, wir sind einander auf dem Schulweg aus dem Weg gegangen.

Mit Elisabeth ging ich weiter zur Schule, die Lanners waren zwar informiert aber, vielleicht wegen den Tiroler-Wurzeln, die Schaßtrommel war ihnen scheißegal. Ich ging noch jahrelang meinen Schulweg an den beiden Villen vorbei. Als Hannes Androsch Finanzminister war hat mein Vater ihn fast täglich gezeichnet und vor der der Villa stand ein Wachmann, der im Winter, wegen der Kälte eine Telefonzelle aufgestellt bekam, in der sogar ein kleiner Heizkörper stand, damit der arme Kerl in seiner Polyester-Uniform nicht erfriert.

Ich hatte damals, ich war dann circa 15 Jahre alt und hatte begonnen Krimis statt Pferdemädchen Geschichten zu lesen, auf dem Heimweg nach dem Nachmittagsunterricht im Winter, wenn es schon so früh dunkel war, irrsinnige Angst umgebracht zu werden. Meine Rettung war der Polizist in der Telefonzelle. Ich bin gelaufen, gerannt bis ich circa 100 Meter von der Zelle entfernt war, dann hab ich mich ausgeruht weil ich wusste der starke Wächter würde mich hören, wenn ich schreie, 100 Meter nach der sich entfernenden Rettung vor dem sicheren Tod bin ich wieder gelaufen, bis nach Hause. Zum Glück wurde, genau nachdem Androsch kein Finanzminister mehr war und die Telefonzelle plus Wachmann entfernt wurde, eine kleine Straße von der Busstation zu unserer Reihenhaus Siedlung gebaut und ich war auch ohne Androsch safe.

Heute denke ich an Hannes Androsch, er möge in Frieden ruhen und ich empfinde herzliches Beileid für seine Töchter und seine Lieben. Er war persönlich und politisch ein ganz besonderer Mensch. Ich nehme die Schaßtrommel zurück. Damals hab ich mich nicht getraut mich zu entschuldigen, aber heute ist ein guter Tag dafür. Vielleicht liest ja Natascha mit, die wahrscheinlich nicht mehr Androsch heißt, so wie ich nicht mehr Angerer heiße.

Stefan Beig

erinnert auf Twitter Dec 17 an das Androsch-Zitat "Wir haben einen Wohlfahrtsstaat angepeilt und einen Versorgungsstaat errichtet." (Kronen Zeitung 31.12.2005). Update ethos.at 18.12.2024: Versorgungsstaat vor allem für die Vertreter der Altparteien, die sich Österreich als Selbstbedienungsladen hergerichtet haben. Alle anderen müssen um ihre Sicherheit zittern, siehe Kika/Leiner, KTM usw.