Fetz Bernhard: Ernst Jandl

Zum hundertsten Geburtstag von Ernst Jandl am 1. August 2025 ist die „Biografie einer Stimme“ im Wallenstein Verlag erschienen. Hier die Verlagsinformation:

Jandl Wallenstein Verlag

Ernst Jandl ist einer der großen Sprachkünstler des 20. Jahrhunderts. Als Vortragskünstler wurde der Dichter zum Popstar. Die Geschichte einer Stimme zwischen Autorität und Befreiung

Im Titel von Ernst Jandls epochemachendem Gedichtband »Laut und Luise« von 1966 ist die biografische Geschichte mit der Poetik des Autors verbunden: Im Namen der Mutter Luise klingt als Gegenpol zum Lauten das Leise an; und damit die Stimme des Autors, der der Poesie mit seinen Laut- und Sprechgedichten völlig neue Bedeutungshorizonte erschloss.

Die Beschreibung unbekannter autobiografischer Fragmente aus dem Nachlass verfolgt die Emanzipation einer Stimme im Kontext der internationalen Avantgarden. In die individuelle Stimme sind die Stimmen aus Krieg und Nachkrieg eingeschrieben. Die Texte evozieren alltägliche, obszöne oder dialektal geprägte Sprechweisen und Tonlagen. Stets präsent sind die religiösen Stimmen aus Kindheitstagen. Das Buch von Bernhard Fetz zeigt, wie die technische Verfremdung und die Drangsalierung der Stimme in den Hörspielen in einem existentiellen und medienhistorischen Zusammenhang stehen. Es geht den künstlerischen Einflüssen nach, von Gertrude Stein über John Cage bis zur Rap-Musik, und es erzählt die Geschichte eines historisch gewordenen Auftritts von Jandl in der Londoner Royal Albert Hall 1965. »I`m doing it / with my / VOICE«: Im Wechselspiel von Musik, Schrift und Stimme werden die vielfachen intermedialen Bezüge der Werk-Biografie deutlich.

Bernhard Fetz ist Direktor des Literaturarchivs, des Literaturmuseums, der Sammlung für Plansprachen und des Esperantomuseums der Österreichischen Nationalbibliothek und Dozent am Institut für Germanistik der Universität Wien; Kurator von Ausstellungen.

Ringel Erwin: Die österreichische Seele

Zehn Reden über Medizin, Politik, Kunst und Religion

29. Mai 2025 - Im Jahr 1984 waren die Buchläden voll mit dem gleichnamigen Bestseller von George Orwell. Viele seiner düsteren Zukunftsvisionen aus dem Jahr 1948 schienen weit weg zu sein, real nur hinter dem Eisernen Vorhang. Neusprech und allgegenwärtige Kontrolle sind aber spätestens 2020 im lange gepriesenen „Westen“ tiefer in unseren Alltag eingedrungen, als sich das Orwell vorstellen konnte. Der Große Bruder tritt als treuer, digitaler Hund in Erscheinung, der uns immer und überall begleitet. Sein Name ist nicht Hundi sondern „Handy“. Damit sind wir für amazon, facebook, google und Co rund um die Uhr erreichbar; TV, konkret ORF – Österreichischer Regierungsfunk – erledigt den Rest, zumindest auf der Insel der Seligen.

Ob das allgegenwärtige Handy die Menschen gescheiter, freier oder gar glücklicher gemacht hat, darf bezweifelt werden. Die Menschen leben jedenfalls länger, als je zuvor – zumindest im Westen. Ob es damit zusammenhängt, dass sie sich weniger oft selbst umbringen? Die KI Copilot weiß: im Jahr 2022 gab es einen temporären Anstieg von 16 % im Vergleich zum Vorjahr, insgesamt beträgt der Rückgang gegenüber 1986 jedoch rund 40%. Im Jahr 2023 starben in Österreich 1.212 Personen durch Suizid, was einer standardisierten Suizidrate von 14 pro 100.000 Einwohner:innen entspricht. Mehr als drei Viertel der Suizidtoten sind Männer.

Ob sich Erwin Ringel über diese Entwicklung freuen würde? Im Jahr 1984 erschien sein legendäres Buch „Die österreichische Seele“, eine Sammlung von zehn Reden über Medizin, Politik, Kunst und Religion. Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, Tiefenpsychologe, Psychotherapeut (Individualpsychologe nach Alfred Adler) gründete 1948 das erste Selbstmordverhütungszentrums Europas in Wien. 1953 beschrieb er das Präsuizidale Syndrom. Das Buch beginnt mit

“Eine neue Rede über Österreich“

in der Ringel auf die Rede über Österreich von Anton Wildgans aus dem Jahr 1929 Bezug nahm.

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Rathkolb Oliver: Die paradoxe Republik

Oliver Rathkolb

Die paradoxe Republik. Österreich 1945 bis 2025

Erweiterte Neuausgabe 2025 (Zsolnay, 2005)

1. Mai 2025 - Einleitend verrät der Autor (geboren 1955, von 2008 bis 2024 Professor für Zeitgeschichte an der Universität Wien, Herausgeber der Memoiren von Bruno Kreisky, erhielt 2005 für die erste Auflage der "paradoxen Republik" den Bruno Kreisky Preis) seine Absichten: „Dieses Buch soll zehn wesentliche Entwicklungen und Bausteine der Zweiten Republik darstellen und die Erkenntnisse und Debatten der letzten Jahrzehnte mit einer wissenschaftlichen Analyse verbinden. Es soll einen intensiven, manchmal subjektiven, immer aber klaren Blick in das kollektive Gedächtnis der Österreicherinnen und Österreicher eröffnen, der vor allem zum Nachdenken über Identät und Demokratiebewusstsein anregen soll. Nicht die obligate negative Staatsdichtung wird zum Brennpunkt, sondern eine kritische Auseinandersetzung mit den Gründungs- und Wiederaufbaumythen der Zweiten Republik, die auch zum Widerspruch und Nachdenken anregen soll.“ (17)

Rathkolb UNIvie.ac.at

HTH wird hier in mehreren Updates berichten, wie weit Oliver Rathkolb seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird.

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