7. August 2023 - Wenn ÖVP-Regierungsmitglieder etwas ankündigen, dann muss man heute bereits davon ausgehen, dass sie das Gegenteil davon erreichen wollen. So hat Kanzler Nehammer vor drei Tagen angekündigt, er wolle Bargeld in der Verfassung verankern. Damit hat er Schlagzeilen nicht nur in Österreichs Medien produziert (z.B. vienna.at), sondern über die Grenzen der Alpenrepbulik hinaus, z.B. in der Schweizer NZZ und in Deutschland; spiegel.de berichtet: "Viele Österreicher zahlen am liebsten bar und fürchten, dass Scheine und Münzen bald abgeschafft werden könnten. Nun will Kanzler Nehammer den Menschen die Sorge nehmen – und der rechten FPÖ ein Aufregerthema stibitzen."
Bargeld-Umfrage von focus.de, Stand 9. August 2023
Nachdem die lauwarme Erklärung von Nehammer im APA-Interview, er habe "die Erkenntnis gewonnen, dass den Menschen das Thema Bargeld sehr wichtig ist", von vielen ÖVP-Kapos nicht ernst genommen oder sogar kritisiert wurde (siehe ORF.at 8.8.23), musste heute (Monag, 7.8.23) die Verfassungsministerin Edtstadler nachfassen: "Mit der Verankerung des Bargelds in der Verfassung wollen wir die Wahlfreiheit und Unabhängigkeit des Einzelnen schützen. Jeder soll frei und anonym entscheiden können, wie er bezahlt. Gerade in Zeiten der Digitalisierung ist es wichtig, auf derartige Entwicklungen in der Gesetzgebung zu reagieren." (Quelle ORF.at, 7.8.23)
Die FPÖ hat bereits im Juni 2019 den parlamentarischen Antrag eingebracht, die Bargeldzahlung in die Verfassung aufzunehmen. Der Antrag der FPÖ wurde in der Sitzung des Nationalrats am 25. September 2019 von allen Parteien außer der FPÖ abgelehnt obwohl Teile der ÖVP ein paar Wochen vor der Abstimmung noch auf den Bargeldzug aufgesprungen sind. So ist es verständlich, aber auch ein bissl hysterisch, wenn Kickl gackert, dass die "Idee" von Nehammer eigentlich auf dem Mist der FPÖ gewachsen sei: "Ist Ihnen Ihr Ideen-Diebstahl von der ‚bösen und extremen FPÖ‘ eigentlich nicht peinlich? Fällt Ihnen selbst überhaupt gar nichts Vernünftiges ein? " (Quelle: APA / OTS 4.8.23)
Details zum Thema Bargeld finden sich im Buch "Baustelle Parlament", das 2020 erschienen ist, konkret im Kapitel "Kann die Verfassung das Bargeld retten?" (Das Kapitel in voller Länge auf ethos.at) Eine Anmerkung vorweg: das Bargeld kann keine Wertanlage sein, solange es die Herrschenden x-beliebig devaluieren können. Bargeld selbst ist ein Nebenthema im gesamten finanzindustriellen Sektor, der schon längst die Macht im Westen (und dem Rest der Welt) übernommen hat. Die Bargelddiskussion ist so gesehen lediglich ein Ablenkungsmanöver. Über Strategien zur Eindämmung der Willkürherrschaft des Finanzsektors ist von den Parlamentsparteien nichts zu hören. Auch nicht von der FPÖ.
Ergänzung 14. August 2023 - "Nationalbank-Boss Robert Holzmann meint zur Cash-Debatte, eine Bargeld-Annahme-Garantie könne national geregelt werden. Er warnt zudem vor der heimlichen Abschaffung", berichtet Krone.at
Ergänzung 6. September 2023 - ORF-Journalist Jürgen Klatzer twittert: "Das Bargeld in die Verfassung? Ich habe für diesen Artikel viel telefoniert und viele Verordnungsentwürfe, Gesetze, Protokolle und Gesetzesanträge gelesen. Wie ist das Bargeld bisher abgesichert? Was ist rechtlich möglich/nötig? Was will die Politik?" Das Ergebnis ist sein Artikel "Wahres über Bares" auf ORF.at
Ergänzung 18. Jänner 2024 " Es ist keine große Überraschung mehr, aber der jüngste Beschluss zwischen Unterhändlern des EU-Parlaments und den EU-Staaten bringt neue Regeln für Bargeldzahlungen nun endgültig auf Schiene, auch wenn beide Seiten dann noch formal zustimmen müssen. Ein Herzstück dieser neuen EU-weiten Vorschriften gegen Geldwäsche: Barzahlungen in Höhe von mehr als 10.000 Euro werden in der EU künftig verboten. Die neue Verordnung soll frühestens ab Mitte 2026 gelten, berichtet kleinezeitung.at (18.1.24) und erläutert auch, dass diese Grenze nur im B2B-Geschäft gelte. Mehr als 10.000 privat zu verschenken ist somit auch künftig legal.
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