Betrachtungen aus Rhodos

Griechisches Tagebuch. Ansichten von Hubert Thurnhofer

3. September 2025 – Genau einen Tag nach meiner Landung auf Rhodos, wo ich in Theologos meinen all inclusive „Summer Dream“ erleben darf (das Hotel heißt wirklich so), erreicht mich aus Österreich die Schlagzeile „Griechische ‚Bauern‘ erschlichen Millionen (ORF.at 2.9.25)

Demnach wurden 1.036 Übeltäter ermittelt, die seit 2019 EU-Subventionen von insgesamt 22,7 Millionen "erschlichen" haben. ORF.at: „Die bisherigen Untersuchungen brachten verschiedene Betrugsmethoden ans Licht: Dazu zählen erfundene Eigentumsverhältnisse, irreführende Angaben zu Flächen verstorbener Eigentümer sowie falsche Angaben zu Nutztieren. Zudem wurden Anträge von Begünstigten häufig unvollständig oder selektiv eingereicht – Flächen wurden teilweise falsch deklariert.“

fuf Titel Rhodos

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Rückblende 2015: Nachdem ich K. mehr als ein Jahrzehnt nicht gesehen hatte, tauchte K. plötzlich in meiner Galerie auf und eröffnete mir treuherzig: „Hubert, ich hatte die vergangenen zehn Jahre in der EU einen Job, aber keine Arbeit.“ K. sagte das nicht ironisch, nicht zynisch, sondern entrüstet, denn K. war und ist ein arbeitswilliger Mensch. Noch schlimmer als die Verurteilung zur Untätigkeit war für K. die Unverschämtheit jener Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die statt pünktlich um 9:00 Uhr im Büro einzuloggen, erst kurz vor oder – Gipfel der Unverschämtheit – nach der Mittagspause das Büro mit ihrer Anwesenheit beehrten.

Nun kann man (n = 1) nicht als repräsentative Umfrage bezeichnen, doch die Hochrechnung von 1 Person auf 100 Prozent des EU-Personals ist auch nicht an den Haaren herbeigezogen. Sicher ist: in der EU sitzen mehr als 1.036 Abgeordnete und Beamte, die mehr als 22.7 Millionen in weniger als 5 Jahren erschleichen – unter dem Vorwand, sie würden dort arbeiten.

Der griechische Minister Michalis Chrysochoidis erklärte, dass er – und das impliziert: die griechische Regierung - „illegale und ungerechtfertigte Bereicherung“ ablehne. Das impliziert: legale und gerechtfertigte Bereicherung, so wie von den EU-Beamten tagtäglich praktiziert, wird nicht abgelehnt, geschweige denn geahndet. Das entspricht zwar nicht der aristotelischen Logik, umso weniger der Nikomachischen Ethik, ist aber die übliche Moral des Jahres 2025. 

„Fünf hochrangige Regierungsbeamte, darunter ein Minister und drei Abgeordnete, traten zurück, nachdem ihnen eine Beteiligung an dem Fall vorgeworfen worden war.“ (ORF.at) Es war anzunehmen, dass nicht hunderte griechische Kleinbauern und Grundstückeigentümer gleichzeitig auf die Idee kommen, Eulen nach Brüssel zu tragen, geschweige denn, fähig sind, EU-Anträge auszufüllen. Auch Robin Houdchoidis kann nicht der Rädelsführer dieser konzertierten Aktion gewesen sein. „Seit 2017 hatten sich Berichte über Unregelmäßigkeiten gehäuft“, Ermittlungen wurden bereits „im Sommer 2020 von der Europäischen Staatsanwaltschaft (EuStA) eingeleitet“ (ORF.at).

So bleibt nur eine Frage: warum deckt der „investigative“ ORF diesen „Skandal“ gerade jetzt auf? Keine Antwort auf diese Frage, aber ein Hinweis, dass da irgendwer das Feuer am Köcheln hält, sind folgende Artikel:

+ „Athen drohen Milliardenstrafen wegen Subventionsbetrug“, Handelsblatt, 8.7.2025 (Anmerkung: Milliardenstrafen für Millionenbetrug - auch das ist EU.)

+ „Die reiche Ernte: Subventionsbetrug in Griechenland“, Die Zeit, 27.07.2025

+ „Griechenland: Land der unsichtbaren Ziegen“, Süddeutsche Zeitung 13.8.2025

und nun endlich, am 2.9.2025 um 23:31 (!) Uhr der ORF.

Keine Antwort auf die obige Frage, aber ein Hinweis, dass Ablenkungsmanöver für manche mehr als willkommen sind: während sich die Ö. Regierung auf "Klausur" begibt, soll wohl niemand von der Story aufgerüttelt werden, wie Östereichs Regierende „illegale und ungerechtfertigte Bereicherung“ verhindern. Der Kanzler höchst persönlich (damals noch ein gewisser Nehammer) setzt sich ein Denkmal mit dem „Qualitätsjournalismusförderungsgesetz (QJFG)“ und lässt auf dieser gesetzlichen Grundlage die Medienkontrollbehörde 20 Millionen Euro (jährlich!) an die größten Schmierblätter des Landes auszahlen. So bestechend einfach geht „legale und gerechtfertigte Bereicherung“.

4. September 2025 - Quiz des Tages: Was zeigt das folgende Foto?

Gebrauchtwagen

A) Zwischenlager eines Händlers von Gebrauchtwagen für Afrika

B) Endlager eines Händlers von CO2-Zertifikaten der EU

5. September 2025 - „Mit einem prognostizierten Wirtschaftswachstum von 2,3 Prozent im Jahr 2025 liegt Griechenland weiterhin deutlich über dem EU-Durchschnitt von 1,1 Prozent. Haupttreiber bleibt der Zufluss von EU-Fördermitteln, die Investitionen anstoßen und die Konjunktur stützen. Der private Konsum wächst langsamer als im Vorjahr. Um gegenzusteuern, hat die Regierung im April 2025 den Mindestlohn auf 880 Euro angehoben. Die Inflation geht zwar zurück und dürfte 2025 bei 2,8 Prozent liegen, bleibt damit aber über dem EU-Durchschnitt von 2,3 Prozent.“ (Germany Trade & Invest, GTAI.de)

6. September 2025 (ORF.at) - "Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat umfangreiche Steuererleichterungen angekündigt, um insbesondere Haushalte mit Kindern zu entlasten. Das gesamte Maßnahmenpaket habe ein Volumen von 1,6 Milliarden Euro, sagte Mitsotakis gestern bei seiner jährlichen Rede zur Wirtschaftspolitik."

7. September 2025 - + Schi fff ahrt von Rhodos bis Lindos mit Zwischenstopp in der Bucht Anthony Quinn, benannt nach dem griechischen Schauspieler, der hier 1961 mit Gregory Peck und David Niven den Film „The Guns of Navarone“ (Die Kanonen von Navarone) drehte. + + Akropolis von Lindos: "Der hohe, 116 Meter steil aufragende Felsen von Lindos, auf dem sich später die Akropolis erhob, bot sich den Bewohnern aller historischen Perioden wegen der natürlichen Gegebenheiten dafür an, hier ein Heiligtum mit religiöser Bedeutsamkeit und einen Zufluchtsort zu errichten. Wie in anderen griechischen Poleis auch, dürfte die Akropolis von Lindos zunächst eine Festung gewesen sein, in deren Sicherheit man anschließend Heiligtümer für wichtige Stadtgottheiten errichtete." (wikipedia)

Lindos

8. September 2025 – Windsurfen ist out, Kite-Surfen ist in. Das bestätigt ein Besuch des Kiter-Camps in Theologos.

 Kite Surfer Theologos

+ Auch wikipedia weiß: „Im neuen Jahrtausend ist der Medienrummel um die Sportart zurückgegangen. Einerseits haben die Kitesurfer den Surfern beim Publikum den Rang abgelaufen, andererseits war Windsurfen kein attraktiver Sport für Zuschauer.“ + + Erfunden wurde Windsurfen schon in den 1960ern als Kombination von Wellenreiten und Segeln: „Im November 1964 zeichnete Newman Darby sein Darby Sailboard und veröffentlichte in Popular Science, das in einer Auflage von 1,5 Millionen Exemplaren in den USA erschien, eine bebilderte Selbstbauanleitung für sein Segelbrett.“ + + + SIEHE AUCH: WELLENREITER auf story.one

9. September 2025 – Besuch der Stadt Rhodos musste verschoben werden, da der geplante Linienbuss nicht gefahren ist. „Das Zentrum von Rhodos wurde in seiner Gesamtheit 1988 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt: Befestigungsanlagen finden sich hier ebenso wie öffentliche Gebäude, Wohnbauten und Kirchen. In Zusammenhang mit aktuellen Restaurierungen wird ein ganz besonderes Augenmerk auch auf den mächtigen „Großmeisterpalast“ als dem eigentlichen Herzstück des Gesamtensembles gerichtet.“ (griechenland.net)

10. September 2025 – Rundfahrt mit gemietetem VW-Up um 40 Euro für einen Tag von Theologos entlang der Westküste bis zum südlichsten Punkt Prasonisi, einer (Halb- manchmal Voll-)Insel, die mit einer breiten Sandbank mit dem Festland verbunden ist. Hier treffen sich die Surfbrett-Anhänger (es gibt sie doch noch!) auf der Ostseite der Landbrücke, während die Kiter auf der Westseite, wo die Wellen buchstäblich höher schlagen, ihren Spaß haben. + + Im Hintergrund steht eine Handvoll Windräder. „Dem Informationsportal der griechischen Energieregulierungsbehörde (RAE) zufolge sind auf Rhodos rund 60 Windkraftanlagen genehmigt bzw. geplant. Gut zwei Drittel davon im Südteil der Insel“, so dpa-factchecking (15.8.2023). Rund die Hälfte der geplanten Windräder sind schon aktiv, wie die Recherchen vor Ort ergeben haben.

Windkraft

+ + + Zwischenstopp am Felsenstrand von Monolithos

Monolithos

11. September 2025 - "Der antike Geist mit seinen Orakeln und Vogelzeichen will die Zukunft nur wissen, der abendländische will sie schaffen. Das dritte Reich ist das germanische Ideal, ein ewiges Morgen, an das alle großen Menschen von Joachim von Floris bis Nietzsche und Ibsen – Pfeile der Sehnsucht nach dem andern Ufer, wie es im Zarathustra heißt – ihr Leben knüpften. Alexanders Leben war ein wundervoller Rausch, ein Traum, in dem das homerische Zeitalter noch einmal heraufbeschworen wurde; Napoleons Leben war eine ungeheure Arbeit, nicht für sich, nicht für Frankreich, sondern für die Zukunft überhaupt." (Details siehe: Oswald Spengler, Moral und Ethik)

12. September 2025 - Rundfahrt mit "meinem" VW Up von Theologos über Rhodos bis Faliraki. + Llaut Oswald Spengler ists das Ende der Kultur ider Anfang der Zivilisation, die Kultur nicht mehr schafft, sondern nur noch reproduziert. Tiefpunkt und gleichzeitig Höhepunkt dieses Phänomens und somit die totale Nivellierung der Kultur ist der Kitsch, der die Altstadt von Rhodos hemmungslos überschwemmt hat. + + Weiterfahrt nach Faliraki, das an der Ostküste von der Hauptstadt der Insel so weit entfernt ist wie Theologos an der Westküste. Rund zwei Kilometer nördlich des Ortszentrums reiht sich ein Hotel an das andere, sodass der Strand hermetisch von der Küstenstraße abgeriegelt wird. Zugang nur für Hotelgäste. Im Ortszentum ist aber immer noch ein relativ langer, öffentlich zugänglicher Sandstrand mit wenig Wind und nur schwachen Wellen. Der Sandstrand von Faliraki ist der konträre Gegensatz zum Kiesstrand von Theologos und der kontradiktorische Gegensatz zum Felsstrand von Monolithos. Diese Aussage ist weder apodiktisch, noch evident, aber für Nichtschwimmer relevant. Irrelevant ist dagegen folgende Beobachtung: vor zwei Generationen haben die Sandstrandtouristen standesgemäße Sandburgen errichtet, nun aber bauen sie Steintürme als Andenken oder persönliches Denkmal. Ob diese Beobachtung eine evolutionäre Entwicklung erkennen lässt? Ist die Zivilisation am Ende, sind wir bereit für eine neue Kultur? Denk mal darüber nach.

Faliraki Sandstrand

13. September 2025Oswald Spengler:„An Stelle der sokratischen Formel: »Wissen ist Tugend« setzte schon Bacon den Spruch: »Wissen ist Macht«. Der Stoiker nimmt die Welt, wie sie ist. Der Sozialist will sie der Form, dem Gehalt nach organisieren, umprägen, mit seinem Geist erfüllen. Der Stoiker paßt sich an. Der Sozialist befiehlt. Die ganze Welt soll die Form seiner Anschauung tragen …“

14. September 2025 - Schifffahrt nach Symi, wo ein Wunder passierte. Nach zwei Wochen recht gutem Hotelmenü, aber mit enttäuschenden Fischgerichten, speiste ich in der Bucht von Symi den besten Fisch, nur wenige Stunden zuvor geangelt – aber das ist eine andere Geschichte. Das Wunder passierte unter Wasser. Wie immer nutzte ich meine Schwimmbrillen, doch die Sicht war nicht wie üblich verschwommen, sondern so scharf wie noch nie. Ich sah die Steine bis auf 20 Meter Tiefe völlig klar, ebenso die kleinsten Fische in jeder Distanz. Das glasklare Wasser wirkte offenbar wie eine geschliffene Linse – wer seit Jahrzehnten Brillen mit mehr als –4 Dioptrien trägt, kann das nur als Wunder empfinden.

Symi 2

15. September 2025 - Rückflug nach Wien mit Ryanair. Ergänzung 17.9.25: „Die irische Billigfluglinie Ryanair zieht drei ihrer 19 in Wien stationierten Flugzeuge ab. Als Gründe wurden am Mittwoch die „exorbitante Luftverkehrssteuer in Höhe von zwölf Euro“ pro Passagier und die „überhöhten Flughafengebühren in Wien“ genannt. Rund 100 Mitarbeiter sind betroffen.“ (ORF.at 17.9.25)

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