Strabag setzt auf Parallel-Justiz

+ Strabag will 241-Millionen-Euro-Schiedsspruch gegen Deutschland in den USA durchsetzen

+ Klage auf Basis des Energiecharta-Vertrages ist EU-rechtswidrig

+ Attac fordert Ende der Paralleljustiz für Konzerne und Ausstieg Österreichs aus dem ECT

16. April 2025 – (Information von Attac Österreich) - Der Baukonzern Strabag will vor einem US-Bezirksgericht in Washington, D.C. einen 241-Millionen-Euro Schiedsspruch gegen Deutschland durchsetzen, der gegen geltendes EU-Recht verstößt. „Diese Klage der Strabag untergräbt nicht nur europäisches Recht, sondern auch den demokratischen Handlungsspielraum von Staaten. Sie zeigt die ganze Absurdität der weltweiten Paralleljustiz für Konzerne. Auch die Strabag nutzt diese Sonderrechte schamlos auf Kosten der Allgemeinheit aus“, kritisiert Max Hollweg von Attac Österreich. Attac fordert weltweites Ende dieser Paralleljustiz, der bereits immer mehr Staaten den Rücken kehren.*

Strabag Stefan Kratochwill

(Foto Strabag) Stefan Kratochwill ist seit Februar 2025 Vorstandsvorsitzender + frei erfundene Bild-Deutung von ethos.at: abgehobene Konzerne tanzen den Gesetzgebern auf der Nase rum.

Ausgangspunkt ist eine Klage der Strabag auf Basis des Energiecharta-Vertrages (ECT). In dieser ISDS-Klage (Investor-state dispute settlement) behauptete die Strabag, dass ihre Investitionen von 122 Millionen Euro in Windkraftanlagen in der Nordsee wegen des neuen deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetzes an Wert verloren hätten. Ein Schiedsgericht in Washington sprach dabei der Strabag 241 Millionen Euro Schadensersatz plus Zinsen von 92,5 Millionen Euro plus Anwaltskosten zu. Die Summe von knapp 350 Millionen Euro beträgt damit fast das Dreifache dessen, was die Strabag in das Projekt investiert hatte. Zusätzlich zur ISDS-Klage hatte die Strabag bereits vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht eine Entschädigung von drei Millionen Euro erstritten.

Private Schiedsgerichte ignorieren EU-Recht

Doch Schiedsgerichts-Klagen von EU-Unternehmen gegen EU-Mitgliedsstaaten wurden vom Europäischen Gerichtshof bereits 2021 verboten, da sie gegen EU-Recht verstoßen. Die EU Staaten haben daraufhin explizit festgehalten, dass der ECT innerhalb der EU nicht anwendbar ist.

Die Schiedsgerichte wiederum ignorieren in ihren Urteilen den EuGH und verurteilen Staaten trotzdem zu Entschädigungszahlungen. Da Deutschland bisher auf den Schiedsspruch nicht reagiert, will die Strabag diesen nun in den USA durchsetzen und dabei deutsche Vermögenswerte einziehen lassen.

Deutschland ist bereits aus dem ECT ausgestiegen – wann folgt Österreich?

Die EU hat im Mai 2024 den Austritt aus dem ECT beschlossen, da er auch fossilen Konzernen die Macht gibt, Staaten via Paralleljustiz auf Milliarden zu verklagen, wenn Klimaschutzmaßnahmen ihre Profite bedrohen. Zahlreiche EU-Staaten, darunter auch Deutschland, haben diesen Ausstieg bereits umgesetzt. Österreich ist jedoch bis heute nicht aus dem ECT ausgestiegen. Attac fordert die Bundesregierung daher auf, endlich aus dem ECT auszusteigen.

* Bereits beschlossen ist, dass die USA in künftigen Verträgen keine Paralleljustiz mehr verhandeln werden. Sie wurde zudem weitgehend aus dem NAFTA-Abkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada gestrichen. Südafrika hat sich ab 2013 aus Investitionsabkommen mit ISDS-Klauseln zurückgezogen. Brasilien unterzeichnet keine Verträge mit ISDS-Klauseln. Indien erwägt den Rückzug aus entsprechenden Verträgen. Indonesien plant, Verträge mit ISDS-Klauseln auslaufen zu lassen, wenn sie erneuert werden müssen. Auch der Handelsblock Mercosur, dem Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay angehören, hat ISDS ausgeschlossen.

Die EU hingegen hält – trotz des Ausstieg aus dem Energiecharta-Vertrag – weiter an der Paralleljustiz fest. Sie wird auch in neuen EU-Handelsabkommen enthalten sein – etwa in den Abkommen mit Chile, Mexiko, Vietnam oder Singapur.