+ Smartmeter: Kosten von mindestens 2,18 Milliarden Euro
+ Verbraucher und Netzbetreiber profitierten bisher davon kaum
03. Mai 2024 (Presseinformation des Rechnungshofers) – Bis Ende 2020 hätten 80 Prozent der Stromzähler in der EU durch Smart Meter ersetzt werden sollen. Mehr als die Hälfte der EU-Mitgliedstaaten erreichten dieses Ziel jedoch nicht. So auch Österreich: Ende des Jahres 2022 waren hierzulande erst 68 Prozent aller Smart Meter ausgerollt. Verfehlt wurde somit auch das Ziel, das sich Österreich selbst gesteckt hat – demnach hätten 2019 insgesamt 95 Prozent aller Stromzähler intelligente Messgeräte sein sollen. Hinzu kommt: Nicht alle eingebauten Geräte sind auch tatsächlich „intelligent“; sie können nur eingeschränkt kommunizieren.
Höher als zunächst geschätzt sind zudem die Kosten für die Einführung der Smart Meter. Es ist mit Gesamtkosten von zumindest 2,180 Milliarden Euro zu rechnen. Finanziert wird die Smart-Meter-Einführung von den Netzkunden – via Netzentgelt. Dabei sollte das Monitoring der E-Control für Transparenz sorgen – diesen Auftrag erfüllte sie jedoch nicht vollständig, kritisiert der Rechnungshof in seinem heute veröffentlichten Bericht „Intelligente Messgeräte (Smart Meter) – Einführungsstand 2022“. Geprüft wurden das Klimaschutzministerium, die E-Control sowie die neun Landes-Netzbetreiber. Prüfungszeitraum waren im Wesentlichen die Jahre 2019 bis Ende 2022.
Die Umstellung auf Smart Meter verzögert sich in Österreich um mindestens fünf Jahre gegenüber dem ursprünglichen Ziel von 2019. Die EU verlängerte die Frist auf Ende 2024. Probleme und Versäumnisse in der Vorbereitungsphase hat der Rechnungshof bereits im 2019 veröffentlichten Bericht „Einführung intelligenter Messgeräte (Smart Meter)“ umfassend dargestellt. Vor Projektbeginn nicht ausreichend geklärte Fragen – etwa zu den Themen Datenschutz, IT–Sicherheit, Eichwesen und Übertragungstechnologien – wurden im Wesentlichen an die rund 120 Netzbetreiber delegiert. Hinzu kommt: Bis 2016 konnte kein Hersteller intelligente Messgeräte anbieten, die alle in Österreich geltenden Anforderungen erfüllten.
Nutzen für Kunden und Netzbetreiber zeichnete sich nicht ab
Das jeweils für Energiefragen zuständige Ressort übernahm de facto zehn Jahre lang keine Eigentümerrolle bei der Einführung des Smart Meters. Der Nutzen für Endkunden und Netzbetreiber sowie für die Volkswirtschaft zeichnete sich noch nicht ab oder nur in deutlich geringerem Ausmaß als erwartet. Daher empfiehlt der Rechnungshof: Das Klimaschutzministerium sollte die strategische Begleitung der Einführung von Smart Metering in Kooperation mit den Stakeholdern verstärken.
2,180 Milliarden Euro Gesamtkosten – Risiko weiterer Kosten besteht
Die Entscheidung des Wirtschaftsministers 2012, Smart Meter einzuführen, hatte sich auf eine Kosten-Nutzen-Analyse gestützt. Diese schätzte die Investitionskosten auf rund 830 Millionen Euro. Tatsächlich werden sie bei 1,780 Milliarden Euro liegen. Die Summe aus Investitions- und Betriebskosten wird nach einer Berechnung des Rechnungshofes österreichweit 2,180 Milliarden Euro betragen. Netzverlust- und Finanzierungskosten sind darin nicht enthalten. Es besteht das Risiko, dass weitere Kosten anfallen. Im Durchschnitt aller Landes-Netzbetreiber kostet ein Smart Meter in der Einführungsphase 330 Euro.
Nicht immer intelligent
Intelligente Messsysteme bestehen aus drei Komponenten: Einem Strommessgerät (Smart Meter), der Datenübertragung sowie aus IT-Systemen zur Verarbeitung von Daten. Die vom Rechnungshof überprüften neun Landes-Netzbetreiber statteten bis Ende 2022 rund 67 Prozent ihrer Zählpunkte mit einem Smart Meter aus. Jeder siebente Smart Meter kommunizierte nicht. In diesem Zusammenhang bemängelt der Rechnungshof übrigens, dass zur Ausrollungsquote auch „nicht intelligente“ Geräte zählen.
Zeitnahe Rückmeldungen zum Energieverbrauch können Energieeinsparungen wesentlich unterstützen. Eigentlich sollten die Netzbetreiber den Endverbrauchern die täglichen Verbrauchswerte über ein kundenfreundliches Webportal kostenlos zur Verfügung stellen. Für die Monate Juli und August 2022 erhob der Rechnungshof, ob Verbrauchsdaten via Smart Meter verfügbar waren. Das Ergebnis: Fünf Landes-Netzbetreiber erreichten an mehreren Tagen nur etwa 35 Prozent bis 40 Prozent ihrer Zähler. Zwei davon erreichten an mehreren Tagen keine Messgeräte. Keinem Betreiber gelang es, alle erfassten Messgeräte täglich auszulesen.
Bewältigung höherer Datenmengen nicht gesichert
Eine stabile Kommunikation wird vielfach nicht, nicht dauerhaft oder nur mit einem hohen Entstörungsaufwand erreicht. Und das, obwohl das Datenvolumen derzeit noch vergleichsweise niedrig ist. Denn: Per 31. Dezember 2022 nutzten rund 90 Prozent aller Kundinnen und Kunden in Österreich die derzeitige Standardkonfiguration für Smart Meter. Dabei ist lediglich der Verbrauchswert des Vortages ersichtlich. Nur 7,2 Prozent wählten die Viertelstunden-Variante (Opt-in). Hier liegen dem Kunden täglich 96 Messwerte im Abstand von 15 Minuten vor. Bei der Opt-out-Variante wird der Messwert nur einmal jährlich übertragen.
Aufgrund steigender Strompreise und neuer Marktakteure verzeichneten die Landes-Netzbetreiber 2022 eine höhere Nachfrage nach Viertelstundenwerten. Der Rechnungshof empfiehlt, die Wahl der Kommunikationstechnik anhand der bisherigen Erfahrungen sowie mit Blick auf künftig angestrebte Funktionen und Anwendungen neu zu bewerten.
Anforderungen an Netze steigen
Die Dekarbonisierung führt verstärkt zu Elektrifizierung – Stichwort Elektrofahrzeuge und Wärmepumpen. Damit steigen auch die Anforderungen an die Stromnetze. Die Verteilernetzbetreiber könnten durch Smart Metering laufend genauere Informationen über die Netzsituation gewinnen und diese für Steuerung, Planungen und Prognosen nutzen. Aber: Aufgrund rechtlicher Einschränkungen dürfen sie Messwerte nur eingeschränkt verwenden.
Fehlende Kostentransparenz
Für die Überwachung und das Monitoring des Gesamtvorhabens ist die E-Control zuständig. Der Rechnungshof zeigt hier Versäumnisse auf: So wurden etwa zahlreiche Hinweise auf Probleme bei der Datenübertragung nicht umfassend berichtet. Die angefallenen Kosten erhob die E-Control erst ab 2018. Einen ersten Bericht über Investitionskosten gab es erst im Jahr 2022. Angaben zu den Finanzierungskosten sowie zu Netzverlustkosten aus dem Stromeigenverbrauch der Smart Meter konnte die E-Control nicht machen. Die Umrüstung auf Smart Meter wird über Netzentgelte finanziert, die von den Kunden (Haushalte, Gewerbe, Industrie) zu zahlen sind. Die E-Control überprüft und reguliert die Kosten der Netzbetreiber, um die Höhe der Entgelte zu bemessen. Der Rechnungshof empfiehlt der E-Control, Kosten vollumfänglich darzustellen.
ERGÄNZUNG: Schon am 11. Jänner 2019 kritisierte der Rechnungshof: „Kosten zur Einführung des Smart Meters für Stromkundinnen und Stromkunden intransparent und ungewiss.“