Doppelmoral in Politik und Medien

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Was bedeutet moralinsauer? ethos.at bringt Beispiele aus der Welt der Politik und Medien

9. September 2024 - Gesellschaft für Demokratie @GfD_offiziell twittert am 9.9.24: „Es gibt kein Gesetz, das es vorschreibt, wie lang die Balken zur Darstellung von Wahlergebnissen sein müssen. Wir verlängern die Balken von demokratischen Parteien gerne mal, um Haltung zu zeigen. Die Zahlen stellen wir korrekt dar.“

Doppelmoral

ethos.at kommentiert: Orwell würde sich 40 Jahre nach 1984 täglich auf’s neue wundern, wie weit die Realität seine Phantasie übertrifft.

Optische Darstellung von Zahlen in Balkengrafiken gehört zum täglichen Geschäft der Informationsindustrie. Bislang war es selbstversätnlich, das Zahlen und Proportionen der Grafiken korrelieren. Nun erklärt es eine so genannte Ges.f.Demokratie (Breites Bündnis von Demokrat:innen für eine offene Gesellschaft und eine allgemeine Impf- und Wehrpflicht. Wetterkarten mit Haltung) als „Haltung“, wenn die Balken dem Wunschergebnis, und nicht den faktischen Zahlen entsprechen! Haltung ist ein Begriff der Moral. Man darf sich nicht wundern, wenn die Menschen unter Moral nur noch Doppelmoral verstehen und jegliche Moral als moralinsauer ablehnen. Point am Rande, oder wie man auf Wienerisch sagen würde, "der Überschmäh" dieser Gesellschaft ist die Selbsteinshätzung als "offene Gesellschaft", die die allgemeine Impflicht fordert. Frage am Rande: von wem wird diese dubiose Gesellschaft wohl finanziert? Lies die Balken, ignorier die Zahlen und du findest die Antwort selbst :-)

19. Mai 2024 - An „Sg. Frau Madeleine Petrovic!“ schreibt der Moralapostel der Kleinen Zeitung am Pfingstsonntag (19. Mai 2024), Ernst Sittinger (der Name ist keine Erfindung Nestroys). Generös konzediert er der ex-Grünen ex-Parteichefin und nunmehrigen Parteigründerin: „es steht Ihnen frei, die Politik der Regierungsgrünen für völlig falsch zu halten.“ Für „rätselhaft“ hält Sittinger allerdings, dass Petrovic erzählt habe, dass viele Menschen während der Corona-Herrschaft wegen ihrer abweichenden „wissenschaftlichen Meinung“ ihren Job verloren haben. Darauf kontert der leitende Redakteur der Zeitung aus der Styria Media Group, die zu 98,33 Prozent Katholischen Medien Verein Privatstiftung gehört: „Bisher begriff ich Naturwissenschaft nicht als Frage der persönlichen Meinung, sondern als Angelegenheit einer faktisch untermauerten Evidenz.“

Sittinger Kleine Moral

ethos.at antwortet (völlig eigenmächtig, ohne jeglichen Auftrag der Liste Petrovic, einzig und allein der Aufklärung verpflichtet): Sg Herr Sittinger! Der Ausdruck „wissenschaftliche Meinung“ ist nicht nur Alltagssprache, sondern auch in den Wissenschaften geläufig. Man spricht da sogar von „Lehrmeinungen“. Als Moralphilosoph kann ich Ihnen recht geben, nicht aber Recht geben – dazu fehlt mir nämlich die Autorität eines Richters.

Als Sprachphilosoph unterscheide ich grundsätzlich zwischen Meinung und Urteil. Jede Meinung ist zunächst ein Vor-Urteil. Im Unterschied zum Vorurteil (das legitimer Weise am Anfang jeder Meinungs-Bildung steht), ist das Urteil eine wohl begründete Aussage. Dabei kann die Begründung einer wissenschaftlichen Methode folgen, oder der Methode der Wahrheitsfindung in einem Gericht. Ein Urteil ist – und das ist evident – jedenfalls etwas anderes als eine Meinung!

Eine „faktisch untermauerte Evidenz“ ist jedenfalls unsinnig.

Unsinnig ist die erwähnte Formulierung, weil „evident“ nichts anderes bedeutet als „unmittelbar einsichtig“. Evident können daher nur auf logische (z.B. a=a) oder metaphysische Aussagen (z.B. das Kausalitätsprinzip) sein. Evidenz „faktisch“ zu untermauern, also durch so genannte Tatsachen, oder bestenfalls durch empirische Methoden (z.B. ein Experiment), ist genau das, was Immanuel Kant für die „Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können“ ausgeschlossen hat, und das, was Ludwig Wittgenstein im Tractatus als „unsinnigen Satz“ bezeichnet: „Die meisten Sätze und Fragen, welche über philosophische Dinge geschrieben wurden, sind nicht falsch, sondern unsinnig.“

Die Forderung nach Meinungsfreiheit, seit der UN-Deklaration der Menschenrechte fester Bestandteil der „westlichen Wertegemeinschaft“, wird überschätzt bzw. falsch eingeschätzt; moralphilosophisch formuliert: falsch gewertet.

Die Forderung nach Meinungsfreiheit ist aus ethischer Sicht unpassend, wenn die Vertreter abweichender Meinungen ihrerseits keine anderen abweichenden Meinungen tolerieren. (Prüfe diesen Satz in Bezug auf alle Diskussionsbeiträge zur Zeit der Corona-Maßnahmen und berücksichtige dabei, dass die herrschende Meinung von heute, in der Regel die abweichende Meinung von morgen ist und umgekehrt und so weiter!)

Die Forderung nach Meinungsfreiheit ist aus ethischer Sicht unpassend, wenn die Meinung lediglich ein ungeprüftes Vorurteil ist.

Deshalb sollte die Forderung nach Meinungsfreiheit dialektisch präzisiert werden. Einerseits braucht es die Forderung nach Recht auf freie Meinungsbildung, anderseits die Forderung nach Pflicht, eine Meinung (die man sich gebildet hat) nur mit einer entsprechenden Begründung zu publizieren (oder öffentlich zu äußern).

Jede Meinung ist zunächst ein Vor-Urteil, der Ausdruck „wissenschaftliche Meinung“ somit ein Oxymoron. Wissenschaftliche Aussagen sollten sich von Alltagsaussagen gerade dadurch unterscheiden, dass sie vorher einer Prüfung unterzogen wurden. (Wie oft ist das bei den panikmachenden „Erkenntnissen“ der Experten während der Corona-Herrschaft passiert? Prüfungen abweichender Argument haben de facto nie stattgefunden! Was es gab und gibt: Diffamierung von Wissenschaftern mit wohlbegründeten Urteilen, die dem herrschenden Narrativ widersprechen.)

Sittinger konzediert: „Zwar kann auch Wissenschaft irren – sie ist ja immer nur der vorläufig letztgültige Stand unseres derzeitigen Unwissens.“ Dies Aussage ist selbst keine wissenschaftliche Aussage sondern ein gelungener Aphorismus. Eine ebenso nicht wissenschaftliche Antwort darauf, aber im Sinne Wittgensteins ein mögliches Sprachspiel, das der Erhellung dient: „Auch Corona-Politik kann irren – sie ist ja immer nur der vorläufig legitimierte Stand der derzeitigen Machthaber.“

Aber bleiben wir bei „Wissenschaft kann irren“ als 1. Prämisse. Darauf folgt – ganz im Geiste der aristotelischen Logik - die 2. Prämisse Sittingers: „Und deshalb ist in der Tat denkbar, dass Sie [Frau Petrovic] es wirklich besser wissen.“ Conclusio: „Aber dann sollten Sie keine Partei gründen, sondern das bisher Gültige methodisch sauber widerlegen.“

Diese Conclusio ist nicht nur nicht wissenschaftlich, sie ist auch nicht logisch und nicht moralisch, sondern bestenfalls moralinsauer. Sie ist schlimmstenfalls ein Ausdruck der Verlogenheit der von den Herrschaften des Corona-Regimes mit dreistelligen Millionenbeträgen gleichgeschalteten Medien!

„Das bisher Gültige“ ist für Sittinger offenbar immer noch das Regierungsnarrativ, dem bereits die Verhöhnungskommission folgte. Die Aufarbeitung der Coronamaßnahmenpolitik findet indessen in anderen Medien und Organisationen statt – u.a. in dem von Petrovic unterstützen Verein GGI. „Methodisch sauber widerlegt“ wurden bereits hunderte Annahmen, Meinungen, Hypothesen, Wahrnehmungen, Behauptungen, Vermutungen, Vorurteile und Fehlurteile der Corona-Herrschaften und ihrer „Experten“, aber die gleichgeschalteten Medien haben darüber bis heute nicht berichtet. Paradoxon am Rande: „ausgewogen“ wäre eine Berichterstattung dann, wenn man den Corona-Kritikern Bhakdi und Co in den kommenden drei Jahren unkritisch und unreflektiert genauso viel medialen Raum und mediale Zeit einräumen würde, wie während der Corona-Herrschaft den Panikmachern und ihren „Experten“. Prognose: Das werden die großen und kleinen Massenmedien niemals tun. Deshalb bleibt hier nur ein persönlicher Appell an den Moralapostel der Kleinen:

Wenn Sie [Herr Sittinger] Ihren Brief an Petrovic wirklich ernst meinen und mit gutem Beispiel voraus gehen wollen, dann sollten Sie ihren Job als Journalist an den Nagel hängen und um Aufnahme als Mönch in einem Trapistenkloster ansuchen. Si tacuisses!


Ist jede Moral moralinsauer? + Unterschied Moral und Ethik

(Erstmals publiziert 22.3.2019 auf thurnhofer.cc) - In seinem Artikel „Überdosis Moral“ hat der Journalist Jürgen Pock den fundamentalen Nachweis erbracht, dass es grundsätzlich nicht notwendig ist, auch nur ein einziges Buch über Moralphilosophie zu lesen, bevor man einen Rundumschlag gegen „die Moral“ publiziert. Nur drei Sätze, die so tief sind, dass es mir als Moralphilosoph nicht gelungen ist, ihrem Sinn auf die Spur zu kommen, geschweige denn ihren Wahrheitsgehalt auszugraben:

„Moral duldet keinen Dialog, sie ist absolut für jene, die sich ihrer bedienen.“

„Mit irrationaler Inbrunst zu affektiven Begründungen diskreditieren die Hüter von Sitte und Anstand gegensätzliche Meinungen in dem Bewusstsein, das Wahrhafte zu vertreten.“

„Moral ist resistent gegen Fragen, zudem ist sie mittlerweile zur einzigen Ratgeberin im Rechtsstaat avanciert.“

Moral 4.0 F

„Schreibend dekuvriert er die moderne Wehleidigkeit“, charakterisiert die Zeitschrift „Frank und Frei, Ausgabe 7“ ihren Autor Jürgen Pock. Weder bin ich imstande, diese Charakterisierung zu verstehen, noch die zitierten Pock-Sätze zu kommentieren. Aber sie mögen hier als empirischer Beweis dienen, dass „Moral“, oder das was manche Journalisten darunter verstehen, ein schlechtes Image hat. Das liegt naturgemäß auch daran, dass Moral oft gestrig, abgestanden und moralinsauer ist.

Der fundamentale Fehler im Artikel von Pock liegt nicht darin, ein Phänomen einfach pauschal zu diffamieren. Das kann in polemischer Absicht schon mal erlaubt sein – wenn es wenigstens eine stichhaltige Polemik wäre. Der fundamentale Fehler im Denkansatz von Pock – und nur deshalb ist sein Beitrag wichtig, weil dieser Fehler sehr oft passiert – liegt darin, über „die“ Moral zu sprechen, als wäre „die“ Moral ein weltweit einheitliches Ding (oder Unding). Tatsache ist: Es gibt viele Moralen. Aber: es gibt nur eine Ethik. Daraus folgt die Frage, was ist der Unterschied zwischen Moral und Ethik?

Mit dieser Frage beschäftigen sich hunderte, meist sehr akademisch gehaltene, philosophische Abhandlungen, von denen die meisten nur beweisen, dass sich sogar Moralphilosophen schwer tun, den Unterschied zu erklären. Typisch dafür ist die diffuse Formulierung von Julian Baggini: „Meiner Auffassung nach behandelt Moral die Handlungsweisen, die uns erlaubt oder nicht erlaubt sind, und zwar in erster Linie solche, die andere Menschen betreffen. Ethik ist ein etwas weiter gefasster Begriff, der alles einschließt, was damit zu tun hat, ob das Leben gut oder schlecht verläuft.“ Soweit der Autor des Buches „Die großen Fragen. Ethik“.

Diese Definition von Ethik ist nichts anderes als ein erweiterter Moral-Begriff. Dass Ethik „alles einschließt, was damit zu tun hat, ob das Leben gut oder schlecht verläuft“ ist eine mehr als schwammige Formulierung. Auf viele Moralen folgen damit viele Ethiken, die Verwirrung hat kein Ende sondern einen neuen Anfang.

Überraschender Weise habe ich nun ausgerechnet in dem Computer-Magazin CHIP.de eine grandios einfache Differenzierung in einem Erklär-Video gefunden: „Das Wort 'Moral' leitet sich aus dem lateinischen 'mos' ab und bedeutet übersetzt soviel wie 'Sitte' oder 'Vorschrift'. Das heißt, eine Moral gibt Menschen einen konkreten Handlungsrahmen für angebrachtes Verhalten vor. … Das Wort 'Ethik' hingegen leitet sich vom griechischen 'Ethos' ab und bedeutet Charakter. Im Gegensatz zur Moral geht es bei der Ethik nicht um einen Verhaltenskodex an sich sondern um die Analyse verschiedener Moralvorstellungen. Sie ist quasi die Wissenschaft der Moral und beschäftigt sich mit Fragen wie 'Ist Stehlen immer falsch?' oder 'Wann ist Lügen akzeptabel?'“

In MORAL 4.0 kann man nachlesen:

„Die Grundfrage jeder Moral lautet: 'Was soll ich tun (oder unterlassen)?'

Die Grundfrage der Ethik lautet: 'Warum soll man etwas tun (oder unterlassen?)'

Damit ist auch für jeden Nicht-Philosophen evident, dass die Ethik 'über' jeder Moral steht – nicht weil sie etwas 'Besseres' ist, sondern weil sie (andere) Fragen stellt, die sich auf einer Metaebene befinden. Vergleichbar mit Physik, die die Frage stellt, welche Naturgesetze gelten und wie sie wirken, während die Metaphysik die Frage stellt, warum es Naturgesetze gibt, ob es sie überhaupt gibt oder ob der Zufall die Welt regiert. Völlig überflüssige Fragen – für die Wissenschaft. Doch hat der Mensch deshalb kein Recht, diese Fragen weiterhin zu stellen? (Dies ist eine ethische Frage!)“