Thurnhofer Hubert: Moral 4.0

Eine Buchbesprechung des Philosophen Henri Edelbauer

Im Brennstoff Nr. 17 (Sommer 2009) erschien die österreichweit erste Rezension eines späteren Klassikers: „Glaube Hoffnung Management“ - das ist weder das neue Antikrisenprogramm der Christlichen Gewerkschafter, noch Kardinal Schönborns Losungswort für sein anonymes Sparbuch bei der Raika. Nein, hier hat der Philosoph, Galerist und Kommunikationsberater Hubert Thurnhofer ein Buch auf den gebeutelten Markt geworfen, das 2500 Jahre alte bewährte Denkmethoden endlich für ökonomische Problembereiche fruchtbar macht.

Nun bringt Hubert Thurnhofer sein philosophisches opus magnum ans Licht der Öffentlichkeit. Der Titel „Moral 4.0“ verweist schon auf die ironische Grundhaltung: Er spielt auf die herbei gelobte „Vierte industrielle Revolution“ an, die noch gar nicht begonnen hat. Es handelt sich, soviel zeigt sich schon in den Leseproben, um eine – vor allem wirtschaftspolitische – Kehre „vorwärts zu Kant zurück“, einen neuen Anlauf zum Ausweg aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit, Hauptursache der postmodernen Massenmenschenhaltung.

Grundlegend für Thurnhofers Gedankengang ist die rigorose Unterscheidung von Moral und Ethik: „Die Grundfrage jeder Moral lautet: ‚Was soll ich tun?‘ Die Grundfrage der Ethik lautet: ‚Warum soll man etwas tun (oder unterlassen)?‘ Die Grundlage unseres Verhaltens ist immer eine Moral (und da wir uns oft in verschiedenen sozialen Gruppen bewegen, sind fast immer mehrere Moralen Grundlage unseres Verhaltens). Die Ethik beschäftigt sich dagegen mit den Grundlagen unseres Handelns. Verhalten und Handeln sind zwei Phänomene, die sich nicht graduell, sondern prinzipiell unterscheiden. Das versteht jeder, aber niemand berücksichtigt diese einfache Wahrheit, wenn es darum geht, wichtige Entscheidungen zu treffen, die Grundlage des Handelns sind.“

Von dieser zentralen Einsicht aus konstatiert der Philosoph, dass unser Rechtsbegriff - egal ob auf staatlicher oder individueller Ebene - in seiner Widersprüchlichkeit mehr als fraglich geworden ist: „Jeder hat das Recht Recht zu haben. Nicht jeder hat die Chance Recht zu bekommen. Es gibt kein Recht auf Gerechtigkeit.“

In diesem Dickicht der (Un-)Werte, konstatiert Thurnhofer, gedeihen Politiker, welche es für ihre erste Pflicht halten, „die Finanzmärkte zu beruhigen“, anstatt sich über die Millionen Menschen am Rande des Prekariats zu beunruhigen. Moral 4. 0 bleibt allerdings nicht bei der reinen Kritik des Status quo, bietet vielmehr einen praktischen Leitfaden für moralisches Handeln. Und spart nicht mit Seitenhieben gegen gedankenfreie Alltagsparolen der Finanzwirtschaft, konkret mit Bezug auf eine Werbe-Kampagne der Erste-Bank: „Unser Land braucht Menschen, die an sich glauben. Und eine Bank, die an sie glaubt" ? Nein! Ich bin überzeugt: die Menschen hat unser Land bereits, allerdings fehlt es immer noch an der Bank, die an Menschen glaubt.

Hubert Thurnhofer

MORAL 4.0

ISBN 9783744890977 Verlag BoD, 2017

Interview mit Irmgard Klammer, Philosophie im Gespräch

INHALT

TEIL 1: MORAL 4.0

Eine Spurensuche nach den Tugenden unserer Zeit

Jeder hat das Recht recht zu haben.

Nicht jeder hat die Chance Recht zu bekommen.

Es gibt kein Recht auf Gerechtigkeit

1 Philosophie und Zeitgeist. Die Spurensuche kann beginnen.

2 Welche Werte hast du? Vermutlich gar keine!

3 Die Grenzen der Verhaltensforschung. Wissenschaft kann moralische Grundprobleme nicht lösen.

4 Leitkultur und wir. Wer sind wir? Und wer wollen wir sein? [Quelle: BMI]

5 NDD Neuer Deutscher Dekalog. Ein Innenminister auf den Spuren von Moses.

6 Exkurs zu Ferguson. Darf eine Zivilisation einer anderen überlegen sein?

7 Legalitätsprinzip versus Moralitätsprinzip. Und: die Killerapplikation Populismus.

8 Die Bedrohungsszenarien unserer Zeit. Islamismus – What else?

9 Die Krisen der Demokratien. Wie sich Demokratien selbst abschaffen

10 Gott, Geld und Grundeinkommen. Und: die Legende von den anvertrauten Talenten gender-gerecht erzählt.

11 Der vollkommene Mensch. Big Data und Artificial Intelligence.

12 Das Alphabet von Moral und Ethik. Aufruf zur moralischen Alphabetisierung Europas.

TEIL 2: ETHIK 1.0

Eine Anleitung zur Befreiung der Urteilskraft

Es gibt viele Moralen aber nur eine Ethik.

Nicht alle Tugenden sind miteinander vereinbar.

Alle Grundwerte müssen miteinander vereinbar sein.

1 Der Sündenfall. Warum Eva das Richtige getan hat

2 Exkurs zu Nietzsche

3 Exkurs zu Sloterdijk

4 Über die Existenz des Nicht-Seienden. Wesen, Substanz, Natur, Sein und Seiendes.

5 Nur der Tod ist endgültig. Das Ende der Letztbegründung.

6 Hegel für Dummies

7 Ordnung der Werte. Über Kategorien und Ordnungsbegriffe.

8 Referenz an Aristoteles

9 Wir räumen auf! Können wir uns auf ein Billy-Regal verlassen?

10 Gebote und Businesspläne. Short Stories für Unternehmer

Lesung aus "Moral 4.0" im Rahmen einer Veranstaltung von Anima Incognita am 26. September 2018) im Kunstraum der Ringstrassen Galerien

LESERMEINUNGEN auf amazon

Victoria Ornov Grundwerte und Tugenden – ein wichtiger Unterschied

Jeder hat das Recht recht zu haben.
Nicht jeder hat die Chance Recht zu bekommen.
Es gibt kein Recht auf Gerechtigkeit.
Mit diesen drei Leitsätzen diagnostiziert der Autor kurz und prägnant die Verfassung unserer Zeit, anders gesagt: den Zeitgeist. Thurnhofer hat Philosophie studiert, ist aber kein Denker im Elfenbeinturm, sondern ein Querdenker, der imstande ist Theorie und Praxis zu verbinden. So analysiert er im ersten Teil seines Buches den Zeitgeist, wie er ihn in Medien, im politischen Diskurs und auf Internetblogs vorfindet.
Ergänzend dazu streut er wichtige Überlegungen der Klassiker der Moralphilosophie – von Aristoteles über Kant bis Nietzsche – in die Diskussion ein.
Der erste Teil des Buches „Eine Spurensuche nach den Tugenden unserer Zeit“ kann als analytische Untersuchung des Status quo betrachtet werden. Im zweiten, synthetischen Teil „Eine Anleitung zur Befreiung der Urteilskraft“, geht der Philosoph einen Schritt weiter und erläutert plausibel und für jeden verständlich die Unterschiede zwischen Moral und Ethik, zwischen Grundwerten und Tugenden. Dazu kommt die Differenzierung zwischen Zielwerten und Messwerten. Nicht zuletzt liefert Thurnhofer ein Ordnungsprinzip, mit dem wohl noch kein Philosoph argumentiert hat: ein Billy-Regal von Ikea.
Der Autor positioniert sich als Philosoph, nimmt aber immer wieder die Schulphilosophie mit feiner Ironie aufs Korn. Resümee: ein hochprozentiges Buch, das im Internet auf ethos.at seine Fortsetzung findet.
 
 
Amazon Kunde
5,0 von 5 Sternen PRÄDIKAT WERTVOLL
Ich habe dieses Buch mit Spannung gelesen. Es ist voll mit wertvollen Informationen, mit viel Liebe zum Detail, ohne dass es langweilig wird. Der Schreiber nimmt mich mit auf die Reise in seine Wertvorstellungen, die so vielfältig sind, daß man sie nicht auf einmal erfassen kann. Er schreibt, als wäre er im Dialog mit mir, was ihn so sympathisch macht. Er eröffnet ein Weltbild mit vielen kleinen Fragmenten und behandelt die Einzelheiten einfühlsam und auch kritisch. Wie bei jeder Krankheit die Analyse nicht ausreicht, um sie zu behandeln, folgen auch Vorschläge für eine HEILUNG, für eine Welt, die dringend der Heilung bedarf.
 
Miriam Spiegl
5,0 von 5 Sternen moral 4.0
Ich habe seit langem wiedermal ein Buch zu Ende gelesen. Und sogar ein philosophisches! Spannend fand ich die Exkursion in die Geschichte der Begriffe über Moralen (hab gar nicht gewusst, dass es Moralen gibt als Mehrzahlform). Wertediskussion ist in aller Munde, welche Werte sind heute wichtig, für mich, für die zunehmend MultiKulti Gesellschaft? - Gute Frage! Der Autor nimmt Dich mit auf eine "Spurensuche", kennzeichnet jedes Wort, das wertbehaftet ist in Fettdruck und sucht dich immer wieder auf den Boden zu holen mit kurzen direkt and dich gerichteten Worten in kursivschrift. - Die Wertediskussion ist es wert überlegt, geführt und nicht nur gefordert zu werden .Ein wichtiges Buch für Meinungsbildner, Mitgestalter, Verantwortungsträger, also das heißt für jeden.
 

Brigitte Krupitza - Über Gott und die Welt
 

Martina Fürstner
5,0 von 5 Sternen Geniales Buch
Hubert Thurnhofers neuestes Werk ist geprägt von Scharfsinnigkeit und tiefer Kenntnis der Mechanismen unserer Gesellschaft. Schonungslos seziert er die Werte und Schein-Werte unserer Gesellschaft, bewertet sich kritisch, stellt sie gerne auch in infrage, lässt sie unter Heranziehung von Zitaten infrage stellen und gibt sie letztlich zur Diskussion frei.

Dieses Werk scheint auch von der Sorge um unsere Zukunft inspiriert zu sein.

Es gehört zum besten der letzten Jahre!