27. April 2023 - (APA OTS / Parlamentskorrespondenz) - Nationalrat besiegelt Aus für Wiener Zeitung in der bisherigen Form
Opposition stimmt geschlossen gegen neues Geschäftsmodell; Novelle zum Medientransparenzgesetz erhält erforderliche Zweidrittelmehrheit
Wien (PK) - Der Nationalrat hat heute zwei von drei Teilen des von den Regierungsparteien vorgelegten Medienpakets beschlossen. Zum einen stimmten die Abgeordneten trotz massiven Protests von Seiten der Opposition mit 88 zu 74 Stimmen dafür, den gesetzlichen Rahmen für die Wiener Zeitung auf neue Beine zu stellen. Man schaffe die Wiener Zeitung nicht ab, sondern sichere mit einem neuen Geschäftsmodell deren Weiterbestehen, machen ÖVP und Grüne geltend. Anträge der SPÖ und der FPÖ, den Gesetzentwurf zur nochmaligen Beratung an den Verfassungsausschuss zurückzuverweisen, fanden keine Mehrheit.
Zum anderen wird es künftig mehr Transparenz bei Regierungsinseraten und öffentlichen Informationskampagnen geben. Diesem Vorhaben stimmte auch die SPÖ zu und stellte damit die notwendige Zweidrittelmehrheit für den Gesetzentwurf sicher. Zuvor war mit einem Abänderungsantrag noch fixiert worden, dass in Medien, die rechtskräftig wegen Verhetzung, der Gutheißung terroristischer Straftaten oder wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz verurteilt wurden, ein Jahr lang keine öffentlichen Inserate geschaltet werden dürfen.
Noch warten heißt es hingegen auf den geplanten neuen Fördertopf für Qualitätsjournalismus: Der dazu eingebrachte Gesetzentwurf soll erst nach der beihilfenrechtlichen Genehmigung durch die EU im Plenum beraten werden.
Neues Geschäftsmodell für die Wiener Zeitung
Das neue Geschäftsmodell für die Wiener Zeitung sieht unter anderem vor, das Traditionsblatt in ein Online-Medium umzuwandeln. Eine Printausgabe soll nur noch "nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Mittel" erscheinen. Gleichzeitig soll die Wiener Zeitung eine wichtige Rolle in der praxisnahen Ausbildung von Journalist:innen und als Content-Lieferantin für staatliche Stellen spielen. Kritik kommt von der Opposition: Sie hätte die älteste noch bestehende Tageszeitung der Welt gerne erhalten, konnte sich mit entsprechenden Initiativen aber nicht durchsetzen.
Grund für das neue Geschäftsmodell der Wiener Zeitung ist die Abschaffung der Pflichtveröffentlichungen im "Amtsblatt", welche derzeit für einen Großteil der Einnahmen des Blattes verantwortlich sind. Anstelle des Amtsblattes soll eine deutlich erweiterte elektronische Verlautbarungs- und Informationsplattform (EVI) eingerichtet werden, die als eine Art digitales "schwarzes Brett" des Bundes fungieren und neben den Amtsblatt-Inhalten auch allerlei weitere nützliche Informationen für Bürgerinnen und Bürger barrierefrei bereitstellen soll.
Insgesamt will die Regierung für das neue Geschäftsmodell Fördermittel in der Höhe von 16,5 Mio. € bereitstellen, wobei 7,5 Mio. € auf die Wiener Zeitung selbst, 6 Mio. € auf die Journalist:innenausbildung sowie weitere Aufgaben des sogenannten "Media Hub Austria" und 3 Mio. € auf die Verlautbarungs- und Informationsplattform entfallen. Die Bereitstellung von Content für Ministerien sowie andere öffentliche Stellen und staatliche Unternehmen soll künftig die bei der Wiener Zeitung GmbH einzurichtende "Content Agentur Austria" übernehmen.
ÖVP und Grüne sehen keine Alternative
Sowohl ÖVP-Abgeordneter Kurt Egger als auch Grün-Abgeordnete Eva Blimlinger machten geltend, dass aufgrund des Wegfalls der Pflichtveröffentlichungen ein neues Geschäftsmodell für die Wiener Zeitung unumgänglich sei. Man habe sich dafür entschieden, die Wiener Zeitung in die Digitalisierung zu führen, hielt Blimlinger fest. "Es ist ein Neuanfang und ein Weg in die Zukunft", ist sie überzeugt.
Das sehen auch Egger und seine Fraktionskollegin Michaela Steinacker so. Mit dem neuen Geschäftsmodell werde "ein Überlebensakt gesetzt", sagte Steinacker. Kaum jemand lese Zeitung heute noch am Papier, "alle schauen aufs Handy". Die hochqualitativen Beiträge der Wiener Zeitung könnten auch online erscheinen. "Nur digital ist nachhaltig", machte Steinacker geltend. Auch die Unabhängigkeit der Zeitung sieht die ÖVP nicht in Gefahr: Diese sei durch das Redaktionsstatut weiterhin gesichert, hielt Egger fest. Die Journalist:innenausbildung werde in Kooperation mit heimischen Medien stattfinden.
Andere Alternativen wie der Verkauf der Wiener Zeitung an interessierte Investoren sind laut Blimlinger sehr genau geprüft worden. Es habe aber kein Konzept gegeben, dass "operationalisierbar" gewesen wäre, meinte sie. Blimlinger erinnerte in diesem Zusammenhang auch an das Schicksal der Arbeiterzeitung, die nach dem Verkauf durch die SPÖ in den Konkurs geschlittert sei. Die Debatte sei, so wie sie geführt werde, "zum Teil verlogen", hielt Grünen-Klubchefin Sigrid Maurer ergänzend fest. Ihr zufolge wäre es etwa beihilfenrechtlich nicht möglich gewesen, der Wiener Zeitung einfach 18 Mio. € für den Fortbestand zur Verfügung zu stellen.
Generell hielt Blimlinger fest, dass die schwarz-grüne Regierung zur Absicherung des Medienstandorts Österreich in den vergangenen drei Jahren mehr getan habe, als zuvor in 25 Jahren passiert sei. Konkret verwiesen Egger und Maurer in diesem Zusammenhang etwa auf die Digitalisierungsförderung und den geplanten neuen Fördertopf für Qualitätsjournalismus. Auch sei gestern die Absicherung der ORF-Finanzierung auf den Weg gebracht worden.
Opposition pocht auf Erhalt der Wiener Zeitung
Die Opposition ließ sich von den Argumenten der Koalitionsparteien allerdings nicht überzeugen und stimmte geschlossen gegen den Gesetzentwurf. Wenn man gewollt hätte, hätte man die Wiener Zeitung als Tageszeitung retten können, ist die SPÖ überzeugt. Stattdessen agiere Schwarz-Grün als "Totengräber" und liquidiere die älteste noch bestehende Tageszeitung der Welt, übte Jörg Leichtfried scharfe Kritik. Gerade in Zeiten von Fake News, in der seriöser Journalismus dringender notwendig denn je sei, werde "eine Qualitätszeitung kaltschnäuzig gekillt". Das sei "eine medienpolitische und eine kulturpolitische Schande", sagte Leichtfried und sprach von einem "schwarzen Tag" für Österreich als Medienstandort und als Kulturnation. Geld genug hätte es seiner Meinung nach genug gegeben, schließlich würden jährlich "200 Mio. € für Regierungspropaganda hinausgeschmissen".
Ähnlich argumentierte Leichtfrieds Parteikollegin Sabine Schatz. "Blasen Sie diesen finalen Todesstoß" ab, appellierte sie vergeblich an die Koalition. Zur Rettung des Blattes hatte Schatz unter anderem vorgeschlagen, einen Teil der geplanten Haushaltsabgabe für den ORF für die Finanzierung der Wiener Zeitung heranzuziehen. Weder dieser noch ein weiterer Entschließungsantrag der SPÖ zum Erhalt der Wiener Zeitung erhielten bei der Abstimmung allerdings eine Mehrheit.
Kritik an Journalist:innenausbildung bei der Wiener Zeitung
Sowohl die SPÖ als auch die anderen beiden Oppositionsparteien hinterfragten außerdem die geplante Journalist:innenausbildung bei der Wiener Zeitung. Die Regierung stelle 6 Mio. € für eine Ausbildung zur Verfügung, die "in der Weisungskette des Bundeskanzlers steht", kritisierte etwa FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan und wertete das Gesetz nicht nur aus diesem Grund als "groben Fehler". Es sei zwar nicht Aufgabe des Staates, eine Zeitung zu führen, räumte Stefan ein, man hätte die Zeitung aber privatisieren oder deren Finanzierung anderweitig absichern können. In Wahrheit sei es der Regierung aber darum gegangen, weiterhin Zugriff auf die Zeitung zu haben.
Als "nächste Mogelpackung" und "nächsten Pfusch" wertete FPÖ-Abgeordneter Christian Hafenecker die geplante Adaptierung des ORF-Gesetzes. Mit der Haushaltsabgabe würden "700.000 Zwangskunden zusätzlich akquiriert", beklagte er. Gleichzeitig würde Sport+ zu Lasten von Randsportarten "aus dem Programm genommen". Hafenecker hält es zudem für einen "Skandal", dass die ORF-Redakteur:innen das neue Finanzierungsmodell für den ORF gemäß einer Anordnung des ORF-Generaldirektors nicht kommentieren dürften. Er forderte eine Überprüfung des Sachverhalts durch die KommAustria, konnte sich mit einem entsprechenden Entschließungsantrag aber nicht durchsetzen. Kritik am geplanten Fördertopf für Qualitätsjournalismus übte FPÖ-Abgeordnete Susanne Fürst: Sie sieht durch die Förderkriterien unabhängigen und objektiven Journalismus bedroht.
"Auf der ganzen Linie gescheitert" erachtet NEOS-Klubchefin Beate Meinl-Reisinger die Medienpolitik der Regierung. ÖVP und Grüne seien nicht nur "Totengräber" der Wiener Zeitung, sondern auch der Medienvielfalt in Österreich, zeigte sie sich empört. Mit der Einstellung des Blattes begehe man "einen historischen Fehler". Sie wisse nicht, ob das aus Kurzsichtigkeit, Abgehobenheit oder Niedertracht geschehe, meinte Meinl-Reisinger.
Als Alternative zum neuen Geschäftsmodell für die Wiener Zeitung schlugen die NEOS vor, die Wiener Zeitung innerhalb eines definierten Zeitraums in die finanzielle und politische Unabhängigkeit zu führen, konnten für einen entsprechenden Entschließungsantrag aber keine Mehrheit gewinnen. Man hätte gemeinsam Investoren suchen oder die Zeitung verschenken oder ein Genossenschaftsmodell erwägen können, meinte Henrike Brandstötter. Stattdessen bekomme die Wiener Zeitung 7,5 Mio. € aus Steuergeld für eine Online-Ausgabe und werde damit gegenüber anderen Zeitungen bevorzugt behandelt. Auch ermögliche es das Gesetz, unter dem Dach der Wiener Zeitung GmbH weitere Unternehmen wie PR-Agenturen zu gründen, ohne dass hier eine demokratische Kontrolle greife.
Kein gutes Haar ließen die NEOS auch an der geplanten ORF-Digitalnovelle. Während man den ORF "üppigst mit Zwangsabgaben ausstattet", würden andere Medien lediglich "Brosamen" erhalten, führte Meinl-Reisinger aus. Gleichzeitig würde der öffentlich-rechtliche Auftrag des ORF nicht geschärft und der Sender auch nicht von der "politischen Leine" gelassen. Es werde schon bald keinen Kurier, keine Kleine Zeitung und kein Profil mehr geben, prophezeite sie.
Raab: Wiener Zeitung wird nicht abgeschafft
Wer davon spreche, dass die Wiener Zeitung abgeschafft werde, spreche die Unwahrheit, hielt Medienministerin Susanne Raab der Opposition entgegen. Das jetziges Geschäftsmodell der Wiener Zeitung bringe zwar "ausgezeichneten Journalismus", den aber kaum jemand lese. Zudem habe das Blatt mehr Leser:innen, die über 90 Jahre alt seien als unter 30, skizzierte sie. Ziel des neuen Geschäftsmodells sei es, den ausgezeichneten Journalismus einem breiteren Publikum zugänglich zu machen.
Auch Kritik an der Journalist:innenausbildung bei der Wiener Zeitung ließ Raab nicht gelten. Diese werde selbstverständlich in der Redaktion und nicht im Kanzleramt stattfinden, bekräftigte sie. Zudem gebe es diese Ausbildung schon jetzt, sie werde in Zukunft nur ausgeweitet. Auch die ORF-Digitalnovelle wurde von der Medienministerin verteidigt. In Bezug auf den neuen Fördertopf für Qualitätsjournalismus zeigte sich Raab zuversichtlich, dass Österreich die Genehmigung der EU erhalten wird.
Mehr Transparenz bei öffentlichen Inseraten
Mit der von ÖVP, SPÖ und Grünen beschlossenen Novelle zum Medientransparenzgesetz werden Ministerien und andere öffentliche Stellen ab 2024 unter anderem dazu verpflichtet, auf ihrer Website Informationen über größere Werbekampagnen - ab einem Volumen von 150.000 € - bereitzustellen. Das betrifft etwa Inhalt, Laufzeit, Budget und Zielgruppen der Kampagne sowie die für die jeweilige Medienauswahl maßgeblichen Kriterien. Übersteigt die Kampagne den Betrag von 1 Mio. € ist zusätzlich eine Wirkungsanalyse durchzuführen.
Neu ist außerdem die Meldepflicht für alle entgeltlichen Inserate und Einschaltungen bei der KommAustria. Die Bagatellgrenze von 5.000 € und die bisherige Beschränkung der Bekanntgabepflicht auf periodische Medien entfallen. Außerdem müssen auch die einzelnen Werbesujets veröffentlicht werden, wenn die Gesamtsumme der Aufträge pro Halbjahr den Betrag von 10.000 € überschreitet. Im Gegenzug sollen die Umstellung von quartalsweisen auf halbjährliche Meldeintervalle, der Entfall von Leermeldungen und eine Verlängerung der Meldefristen administrative Erleichterungen bringen. Die der KommAustria gemeldeten Daten werden künftig zehn Jahre lang öffentlich zugänglich sein.
Bei der Abstimmung mitberücksichtigt wurde auch ein gemeinsamer Abänderungsantrag von ÖVP, SPÖ und Grünen. Mit diesem wird sichergestellt, dass in Medien, die rechtskräftig wegen Verhetzung, der Gutheißung terroristischer Straftaten oder wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz verurteilt wurden, über einen Zeitraum von einem Jahr keine öffentlichen Inserate geschaltet werden dürfen.
Die SPÖ wolle nicht, dass Werbeeinschaltungen an demokratiefeindliche Medien vergeben werden, begründete Christian Drobits die vorgenommene Ergänzung. Diese sei auch ausschlaggebend dafür, dass die SPÖ der Gesetzesnovelle - anders als noch im Verfassungsausschuss - zustimmen werde, betonte er. Aber auch insgesamt zeigte sich Drobits mit dem Gesetz zufrieden: Man wirke mit der Novelle dem in der Öffentlichkeit verbreiteten Eindruck entgegen, dass Medien durch Inseratenschaltungen beeinflusst werden.
Von einem "großen Meilenstein in der Transparenz" sprach Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer. Auch Eva Blimlinger und Michaela Steinacker äußerten sich über das Vorhaben erfreut, wobei sich Steinacker bei der SPÖ ausdrücklich für die Sicherstellung der Zweidrittelmehrheit bedankte.
FPÖ und NEOS fordern Obergrenze für Inserate
Abgelehnt wurde die Novelle von FPÖ und NEOS. Ihrer Meinung nach geht das Gesetz zu wenig weit, wie sie bereits im Verfassungsausschuss festgehalten haben. Insbesondere vermissen Henrike Brandstötter und Christian Hafenecker eine Obergrenze für Inserate. Helmut Brandstätter sprach in diesem Zusammenhang im Plenum von einem "Medienkorruptionsfortsetzungsgesetz" und hob auch das Missverhältnis zwischen der Anzahl der Mitarbeiter:innen in Ministerbüros und der Anzahl von Journalist:innen in Redaktionen hervor. Es würde laufend Druck auf Redaktionen ausgeübt.
Konkret hatte die FPÖ in einem Entschließungsantrag gefordert, Ausgaben für Werbung und Inserate mit der Höhe der staatlichen Presseförderung zu deckeln. Dieser wurde bei der Abstimmung aber ebenso mehrheitlich abgelehnt wie eine gemeinsame Initiative der Oppositionsparteien. Durch präzisere Gesetzesbestimmungen wollten SPÖ, FPÖ und NEOS unter anderem sicherstellen, dass Inserate tatsächlich nur zur Information der Bevölkerung geschaltet werden.
Medienministerin Susanne Raab hob die Bedeutung von Transparenz bei Inseraten hervor. Nicht jedes Inserat sei schlecht, meinte sie. So sei es etwa wichtig, Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt sind, darüber zu informieren, wo sie Hilfe bekommen können. Es brauche aber Transparenz, betonte sie. (Fortsetzung Nationalrat) gs
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
Rückfragen & Kontakt: Pressedienst der Parlamentsdirektion / Parlamentskorrespondenz
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