Die Macht des Finanzsektors ist ungebrochen + Die Grundprobleme haben sich verschärft
14. September 2023 (Attac Presseaussendung) - Morgen, am 15. September, jährt sich der Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers zum fünfzehnten Mal. Die richtigen Lehren aus der Finanzkrise von 2008 wurden jedoch nicht gezogen, kritisiert das globalisierungskritische Netzwerk Attac. Trotz zahlreicher neuer Regulierungen haben sich die Grundprobleme des globalen Finanzsystems sogar verschärft. "Die wirtschaftliche und politische Macht des Finanzsektors ist ungebrochen. Das Risiko einer schweren Finanzkrise ist heute nicht geringer als 2008. Und im Ernstfall müssen dann wieder wir die Kosten einer Finanzkrise tragen", erklärt Attac-Finanzexperte Mario Taschwer.
Illustration: Ernst Zdrahal (Finanzmarkt 008 - Die Lizenz zum Zocken: thurnhofer.cc, November 2008)
Systemrelevante Banken haben weiterhin zu große Macht: Auch 15 Jahre nach der Lehman-Pleite bedrohen global systemrelevante Banken die gesamte Wirtschaft – und sie werden immer größer. Ihre Anzahl ist seit 2011 trotz des Untergangs der Credit Suisse weiter gestiegen. In den USA halten die "Big Six" (JP Morgan Chase, Citigroup, Wells Fargo, Bank of America, Goldman Sachs und Morgan Stanley) heute fast doppelt so hohe Vermögenswerte wie vor zehn Jahren. "Die Banken machen aktuell Rekordgewinne auf Kosten der breiten Bevölkerung – doch wie der Fall der Credit Suisse beweist, werden sie im Krisenfall von der Allgemeinheit gerettet", kritisiert Mario Taschwer von Attac.
Banken und Schattenbanken sind eng verflochten und stellen ein Systemrisiko dar: Weiter gewachsen ist seit 2008 auch das Finanzvermögen, das von kaum regulierten Schattenbanken (Non banking financial instiutions) gehalten wird. Es beträgt bereits fast 50 Prozent des weltweiten Finanzvermögens. Zudem sind Banken und Schattenbanken eng verflochten - vor allem über kurzfristige Finanzierungen, die der Absicherung von Spekulation dienen (Repo-Markt). Dieser Repo-Markt betrug 2022 unfassbare 10,4 Billionen Euro – mehr als doppelt so viel wie 2008 (4,6 Billionen). Taschwer: "Kommt es zu einem Liquiditätsengpass im Schattenbankensektor, kann das andere Banken mit in die Krise reißen."
Eigenkapital der Banken weiterhin viel zu niedrig: Die Eigenkapitalvorschriften der Banken wurden seit der Krise zwar erhöht, sind aber nach wie vor viel zu niedrig, kritisiert Attac. Bei Großbanken in der EU liegt das nicht risikogewichtete Eigenkapital (Leverage Ratio) bei nur 4 bis 5 Prozent, während Nicht-Finanz-Unternehmen oft 25 bis 30 Prozent aufweisen. "Eine Leverage Ratio von mindestens 20 Prozent wäre notwendig, um im Krisenfall eine ausreichende Pufferung zu gewährleisten", erklärt Taschwer.
Finanzsektor streng regulieren und Banken auf ihre Grundfunktion beschränken: Attac fordert, den Finanzsektor streng zu regulieren und Banken auf ihre Grundfunktion – die Vergabe von Krediten und die sichere Verwaltung von Spareinlagen – zu beschränken. (2021 dienten nur 30 Prozent der Bankbilanzen in der Eurozone der Kreditvergabe an private Haushalte und Nicht-Finanzunternehmen.) Mittelfristig ist ein demokratisches und gemeinwohlorientiertes Bankensystem nötig, in dem Banken nicht profitorientiert arbeiten.
"Ob Zerteilung systemrelevanter Banken, ein Verbot riskanter Finanzprodukte und Geschäftspraktiken – keine dieser Mindestanforderungen für eine strengere Regulierung des Finanzsektors wurde seit 2008 umgesetzt. Auch die Attac-Gründungsforderung, die Finanztransaktionssteuer, wurde erfolgreich von den Finanzlobbys gekillt. Das globale Finanzsystem gleicht weiterhin einem Casino, in dem mit Aktien, Krediten, Wechselkursen und sogar Lebensmitteln spekuliert wird. Das gefährdet Wirtschaft und Gesellschaft", kritisiert Taschwer.
SIEHE AUCH: Killing the Financial Transaction Tax, von Stephan Schulmeister, 5.8.2014
Rückfragen: David Walch, Pressesprecher Attac Österreich, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!