Essays und Glossen über das Denken unserer Zeit
Der Autor, geboren 1942 in Wien, ist seit 2002 Geschäftsführer der Erika Mitterer Gesellschaft und Schriftleiter der Kulturzeitschrift „Der literarische Zaunkönig“, sowie Herausgeber der Bücher seiner Mutter Erika Mitterer. 2020 erschien der vorliegende Sammelband im Verlag PROverbis; über diesen schreibt Peter Marboe:
Dieses Buch ist ein Glücksfall.
Den einen oder anderen Kommentar hat man ja – ziemlich regelmäßig im Literarischen Zaunkönig – gelesen und in Erinnerung. Aber dass man Martin G. Petrowskys Essays jetzt gesammelt vor sich sehen kann, dass alle noch vorhanden waren, dass der Autor sie nach Themenkreisen zusammengestellt hat und ein Verlag bereit war, dieses Konvolut als Buch zu publizieren, ist jedenfalls kein alltägliches Unterfangen, sondern viel mehr: ein Glücksfall eben.
Cover-Bild von Eva Meloun
Petrowsky ist ein engagierter Bürger und Schreiber. Er will nicht missionieren, nicht belehren, nicht seine Denk-und Sichtweise als die einzig gültige verstanden wissen, sondern vielmehr zum Nachdenken und Diskurs einladen. Und noch weitere Gründe gibt es, dass man das Lesen als spannend und bereichernd empfindet. Zum Beispiel den Umstand, dass vieles wohl aus aktuellem Anlass geschrieben sein mag, es Petrowsky aber gelingt, darüber hinaus den Eindruck zu vermitteln, dass es immer auch um Zeitloses geht, um etwas, dass die Menschen aller Generationen zu jeder Zeit beschäftigt und verbindet – siehe etwa „Alte und neue Tabus“, „Spaß – der Sinn des Lebens“, „Rechtsstaat am Ende“ oder „Ruf nach intellektueller Redlichkeit“.
Und das in einem Schreibstil, der nichts mit der Trockenheit so mancher Sachbücher zu tun hat. Wer einmal angefangen hat, will auch das Ende erfahren, wer einen Kommentar gelesen hat, will gleich zum nächsten blättern, entweder chronologisch oder – was dieses Buch besonders wertvoll macht – nach Themen geordnet. So kann man selbst wählen, eigene Prioritäten setzen, täglich eine oder, etwa am Wochenende, gleich mehrere Glossen – wie man das ja auch oft mit den Essays von Montaigne macht – lesen. Nichts vom biblischen „Ich aber sage Euch“, viel mehr „Und was sagst Du dazu?“ Der Leser merkt, dass der Autor auf Augenhöhe diskutieren und Reflexion anregen möchte, und lässt sich gern auf dieses Abenteuer ein, auf den uns – im Kant´schen Sinn – gegebenen Auftrag, Fragen zu stellen, ohne zu wissen, ob wir je gültige Antworten finden werden.
Und noch eines: Petrowsky – da ist er wohl vom elterlichen Vorbild beeinflusst – will nicht radikalisieren, nicht instrumentalisieren. Er will beim Thema bleiben und es nicht für politische Anklagen nutzen, auch wenn es ihm freilich stets um die Definition und Zuordnung von Verantwortung geht. Und er weiß auch, dass man sich dem Zeitgeist stellen muss, dass es vor diesem – wie seine Mutter, Erika Mitterer, das in ihrem namensgleichen Gedicht so bleibend formuliert hat – keine Flucht in ein Gestern gibt.
In diesem Sinn kann und soll man dieses Buch, soll man Martin Petrowskys rund 60 Essays ruhig auch als Kampfansage gegen Unwissenheit, Beliebigkeit, Gedankenlosigkeit und Verantwortungslosigkeit, wenn es um Wichtiges, Existentielles geht, verstehen.
Wer bereit ist, unser Dasein auch als Auftrag zu empfinden, es mit dem Leben und den Menschen ernst zu meinen, die Sinnfrage nicht dem Zeitgeist zu opfern und „den Anfängen“, wie immer sie heißen mögen – Mutlosigkeit, Angst, Resignation, Mitläufertum, Gleichgültigkeit, Verführbarkeit, Populismus usw. – zu wehren, der wird Petrowskys Essays mit Freude lesen, sie als Aufmunterung verstehen und das Buch möglichst vielen Menschen weitergeben wollen.
Peter Marboe
Peter Marboe war nach dem Abschluss des Studiums der Rechtswissenschaften in vielfältigen kulturellen Wirkungsbereichen tätig, u. v. a. als Leiter des Österreichischen Kulturinstituts in den USA, als Leiter der Kulturpolitischen Sektion im Außenministerium, als Kulturstadtrat von Wien und als Intendant des Wiener Mozartjahres.