erschienen 2004, Eichborn Verlag (seit 2011 Bastei Lübbe AG)
Nach 9/11 beschäftigten sich nur wenige Autoren mit den tieferen Hintergründen der Anschläge. „Versäumnisse aus der Vergangenheit, welche die Terroranschläge erst möglich gemacht hatten, kamen nicht zur Sprache. Dabei musste man nur in den Zeitungsarchiven nachschlagen, um zu sehen, wie sehr Osama bin Laden ein Produkt amerikanischer Politik war. Es war der von der CIA unterstützte Guerillakrieg gegen die sowjetischen mBesatzer in Afghanistan, der bin Laden sowie Zehntausende junger Muslime in den achtziger-Jahren zu Gotteskriegern gemacht hatte. […] der erfolgreiche CIA-Krieg in Afghanistan war einer der Gründe für den Kollaps des Kommunismus, aber er hatte einen hohen Preis: die Radikalisierung einer ganzen Generation von Muslimen, die ihren Zorn nach dem Ende der Sowjetunion gegen Amerika richteten.“ (S 482 und Grafik: Intervention der US-Streitkräfte und der CIA 1984-2003)
Auszüge aus der Einleitung (zitiert nach amazon.de)
Die Vereinigten Staaten von Amerika könnten ein wunderbares Land sein. Sie wurden von Menschen gegründet, die religiöser Verfolgung, politischer Unterdrückung und der Armut in Europa entkommen wollten und sich bald von ihren britischen Kolonialherren lossagten. Die Politiker der ersten Stunde wie Thomas Jefferson und James Madison waren Kinder der Aufklärung, die in ihrer Unabhängigkeitserklärung feststellten: "Wir halten diese Wahrheiten für selbstverständlich, dass alle Menschen gleich geschaffen und von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten ausgestattet wurden - darunter Leben, Freiheit und das Streben nach Glück." Zehn Jahre später schrieben sie eine Verfassung, die den Interessensausgleich verschiedener Gruppen zur Verhinderung jeder Tyrannei zum obersten Ziel erklärte und schufen ein demokratisches System, das heute noch hält. Sie garantierten in den Zusatzartikeln zur Verfassung das Recht auf Religions-, Meinungsund Pressefreiheit und verabschiedeten zahlreiche Gesetze, um die Bürger vor der Willkür des Staates zu bewahren. Dank des ausgeprägten Schutzes der Eigentumsrechte entwickelten die USA eine freie Marktwirtschaft, die sie zum reichsten Land der Welt machten. ...
All das ist Teil der amerikanischen Realität - doch es ist eben nur ein Teil der Realität. Es gibt zahlreiche Schattenseiten, die den amerikanischen Traum vielen als Albtraum erscheinen lassen. Die USA sind ein Land, in dem ein Fünftel aller Kinder in Armut leben, in dem die Kriminalität durch unbeschränkten Waffenbesitz gefördert wird, in dem Justizskandale zum Alltag gehören, in dem zwei Millionen Menschen im Gefängnis sitzen - oft nur wegen geringer Vergehen -, in dem jedes Jahr Häftlinge ohne ausreichende Schuldbeweise hingerichtet werden, in dem die Menschen immer übergewichtiger werden, die religiöse Intoleranz zunimmt, die Demokratie zu einer tragischen Lachnummer verkommt und die Unternehmensbosse sich auf Kosten ihrer Mitarbeiter und Aktionäre bereichern. All das ist Amerika.
Durch ihre Außenpolitik sind die USA vor allem unter George W. Bush zu einer Bedrohung des Weltfriedens geworden. Sie verachten das Völkerrecht, zertrümmern die internationalen Institutionen und beanspruchen das Recht, als einzige Hegemonialmacht eine unipolare Welt zu beherrschen. Sie predigen den Freihandel und verfallen selbst bei jeder Gelegenheit dem Protektionismus, sie halten sich für großzügig und geizen bei der Entwicklungshilfe. Sie verwüsten die eigene Umwelt und sind durch ihren ungezügelten Ausstoß von Treibhausgasen die Hauptverantwortlichen für den Klimawandel. Sie glauben, Gott an ihrer Seite zu haben, und üben sich dabei in Scheinheiligkeit. Ein Volk, das so gerne bewundert und geliebt werden möchte, wird zunehmend zum Ziel von Ablehnung und Hass - selbst unter den eigenen Verbündeten.
Der Krieg gegen den Irak wurde zum deutlichsten Beispiel amerikanischer Heuchelei: Ein illegaler und unnötiger Krieg wird aufgrund falscher und gefälschter Beweise entfesselt und damit zwar ein grausamer Tyrann weggefegt, aber dem Land weder Frieden noch Sicherheit gegeben. Die amerikanische Geschichte ist voller Beispiele, in denen die Ideale der eigenen Verfassung und das Streben nach einer besseren Welt mit Füßen getreten wurden und viele Menschen durch die Politik der Vereinigten Staaten ums Leben kamen - von der Vernichtung der Indianer und der Versklavung der Schwarzen bi s zum Vietnam-Krieg und der Unterstützung zahlreicher Diktaturen in der Dritten Welt.
Weitere Auszüge aus dem Buch, zitiert aus der Taschenbuchausgabe 2008 (Ullstein-Verlag)
„Recht als Lotterie. In amerikanischen Gerichten kann es vorkommen, dass ein Star wie O.J. Simpson trotz erdrückender Mordbeweise freikommt, während ein Ladendieb zu lebenslanger Haft verurteilt wird. Die Flut von Schadenersatzklagen und Sammelklagen führt zu absurden Prozessen und Millionenurteilen, die schwer auf der Wirtschaft lasten und letztlich von den Bürgern bezahlt werden. (283)
„Das amerikanische Rechtswesen ist auf anderen Grundsätzen aufgebaut als das kontinental-europäische. Es ist nicht kodifiziert, beruht also nicht auf schriftlich niedergelegten Gesetzestexten; die Gerichte beziehen sich vielmehr auf frühere richterliche Entscheidungen, sogenannte Präzedenzfälle. Das bedeutet, dass sich die Rechtslage auch ohne Eingriff des Gesetzgebers ändern kann. Die amerikanische Justziz geht im wahrseten Sinne des Wortes vom Volke aus: Staatsanwälte werden ebenso gewählt wie Sheriffs und sogar Richter, die daher bei allen Entscheidungen die öffentliche Meinung berücksichtigen. Aber Urteile zu fällen ist ohnehin nicht ihre Aufgabe: Das dürfen nur Geschworene, […]“ (285)
“Das amerikanische Gerichtssystem wurde einst für kleine, homogene Gemeinden gleichgesinnter Bürger konzipiert und würde in einer solchen Umgebung möglicherweise auch funktionieren. In einer Nation meit einem großen sozialen, ideologischen und ökonomischen Gegensätzen ist ein fairer Wettkampf mit Argumenten und Beweisen, wie er den Gründervätern vorgeschwebt hat, hingegen eine Utopie.“ (286)
„Schadenersatzprozesse füllen die Lücke, die der schwache amerikanische Staat im Bereich des Verbraucherschutzes hinterlässt. […] Schadenersatzklagen sind heute [2004] ein Milliardengeschäft. 200 Milliarden Dollar werden im Jahr an erfolgreiche Kläger ausgezahlt, das sind 2 Prozent des Bruttoinlandprodukts.“ (291)
„Visionen der Weltherrschaft: Bushs Präventivkriegsdoktrin. Ein Jahr nach dem 11. September 2001 präsentierte die Bush-Regierung eine neue Nationale Sicherheitsstrategie, die es den USA ermöglichte, jede angebliche Bedrohung der eigenen Sicherheit durch präventive Angriffe auszuschalten. Die Doktrin ignoriert das Völkerrecht und gefährdet den Weltfrieden. Im Irak-Krieg zeigte sich dann, wie leicht Bedrohungen fingiert werden können.“ (497)
Die neue „National Security Strategy“ wurde am 20.9.2002 in Washington veröffentlicht, „sie markierte eine Zäsur in der amerikanischen Außenpolitik. Die USA verabschiedeten sich darin von der Strategie der Abschreckung und der Eindämmung durch multilaterale Allianzen und kollektive Sicherheit, die sie seit 2945 verfolgt hatten. Stattdessen entwickelte die Bush-Regierung eine Doktrin des Präventivkriegs, laut der Amerika jeden potenziellen Gegner militärisch angreifen kann, bevor er eine Gefahr für die USA wird. ‚Die USA können sich nicht mehr wie in der Vergangenheit ausschließlich auf eine reaktive Haltung verlassen‘, hieß es in dem Strategiepapier. ‚Die Unfähigkeit, potenzielle Angreifer abzuschrecken, die Aktualität der heutigen Bedrohungen und das Ausmaß des potenziellen Schadens, der durch die Wahl der Waffen unserer Feinde verursacht werden kann, verbieten diese Option. Wir dürfen es nicht zulassen, das unsere Feinde zuerst zuschlagen.‘“ (497)
„Die ‚National Security Strategy‘ präsentierte ein Weltbild, in dem die tugendhaften USA im Interesse der ganzen Menschheit gegen die bösen Kräfte kömpfen, um ihr erfolgreiches Modell von ‚Freiheit, Demokratie und freiem Unternehmertum‘ auf der ganzen Welt zu verbreiten. ‚Die nationale Sicherheitsstrategie der USA wird sich auf einem unverwechselbaren amerikanischen Internationalismus begründen, die die Einheit unserer Werte und nationalen Interessen widerspiegelt. Das Ziel dieser Startegie ist es nicht nur, die Welt sicherer zu machen, sondern sie zu verbessern.‘ […] Die einst so wichtige NATO, in der das Einstimmigkeitsprinzip herrscht, wurde vom neuen Konzept einer ‚Koalition der Willigen‘ ersetzt.“ (502)
„‘Es liegt nicht im nationalen Interesse der USA, das militärische Zuvorkommen als universales Prinzip zu etablieren, auf das jedes Land zurückghreifen kann‘, warnte im August 2002 sogar Henry Kissinger. Doch so universell meinte es die Bush-Regierung nicht: Präventivangriffe waren nach ihrer Vorstellung allein das Vorrecht der Supermacht USA, die sich damit im Völkerrecht gleichzeitig die Rolle des Richters, der Geschworenen und des Scharfrichters anmaßen.“ (503)
„Torheit der Regierenden: Der Krieg gegen den Irak. Jahrelang hatten die USA Saddam Hussein gestützt, und auch nach dem Golf-Krieg 1991 hielten sie ihn als Gegengewicht gegen den Iran an der Macht. Zehn Jahre später zog die Bush-Regierung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und Missachtung des Völkerrechts in einen Krieg, der Saddams Regime zwar zu Fall brachte, aber den Irak in einen blutigen Bürgerkrieg stürzte.“ (505)