Walterskirchen Gudula: Wie wir unfrei werden

Jegliche Systemkritik sei totalitär - zu diesem Schluss kam die Tageszeitung Kurier (3.12.2022), seit vielen Jahren das inoffizielle Zentralorgan der ÖVP-Regierungen - in einem "Leitartikel" unter dem Titel "Neue totalitäre Tendenzen". Auch wenn man kein Anhänger der Klima-Ideologie ist, so kann man den schlapsigen Slogan "System change, not climate change" unmöglich mit dem Kommentar quittieren: "Dies aber ist ein totalitärer Anspruch."

Diese Aussage einer Zeitung, die das bestehende österreichische System mit all seinen Verfilzungen ohne Wenn und Aber, ohne jegliche kritische journalistische Distanz vertritt - diese Aussage beweist, wie notwendig das aktuelle Buch von Gudula Walterskirchen ist: "Wie wir unfrei werden. Der Weg zur totalitären Gesellschaft".

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Wenn ein ÖVP-Journalist wie Rudolf Mitlöhner (Präsidiummitglied des Friedrich Funder Instituts), der vorwiegend über Politik schreibt, in den vergangenen 30 Jahren die Unterwanderung der freien Marktwirtschaft durch den Monopolkapitalismus und die Finanzindustrie nicht bemerkt hat, so mag das an seinem Ressort liegen. Wenn der Autor dieses Leitartikels aber nicht bemerkt hat, wie das "sozialpartnerschaftliche" System der Parteienherrschaft und Pfründewirtschaft in den vergangenen drei Jahren die österreichische Demokratie mit totalitären Methoden ausgehöhlt hat, dann hat er die Berufsbezeichnung "Journalist" nicht mehr verdient.

Gudula Walterskirchen fast zusammen, wie wir erkennen, dass wir unfrei werden:

1. "Totalitäre Systeme entstehen nicht über Nacht", sie brauchen eine speziellen Nährboden, und dazu zählen Neid, Missgunst und Angst.

2. "Gezielte Ausgrenzung und Diskriminierung von Menschen und Menschengruppen".

3. "Eine bewährte Methode zur Kontrolle der Bevölkerung ist die Denunziation. Aufgaben, die eigentlich die Exekutive zu erledigen hätte, werden zunehmend an die Bevölkerung delegiert."

4. Aufweichung der Trennung von Exekutive und Legislative.

5. Die Regierungsparteien versuchen "möglichst viele öffentliche Positionen mit ihren Leuten zu besetzen". Auch scheinbar unabhängige Gremien (Nationalbank, Gerichte, Höchstgerichte, Kommissionen, Volksanwaltschaft) werden mit Parteikadern besetzt.

6. Das Parlament wird direkt oder indirekt ausgeschaltet.

7. Regieren mit einfachen Verordnungen "statt auf Grundlage von im Parlament beschlossenen Gesetzen".

8. Missachtung der Verfassung durch die Regierung.

9. "Einengung und Einschränkung des öffentlichen Diskurses und der Meinungsfreiheit". Agenda Setting und Cancel Culture als moderne Formen der Propaganda.

10. Beschränkung und Selbstbeschränkung der Wissenschaften.

11. Religiöser Fundamentalismus. Beispielsweise der politische Islam, der die Trennung zwischen Staat und Religion aufheben will.

"Wie tarnen sich moderne totalitäre Systeme, und was sind ihre Ziele?"

In Beantwortung dieser Fragen beleuchtet die Autorin die Aufmerksamkeit die Ideen und Machenschaften der Transhumanisten. Der wichtigste Vordenker ist Ray Kurzweil, der Gründer der "Singularity University", finanziert vorwiegend von Google. Unter Singularität versteht man die Verschmelzung von menschlicher und künstlicher Intelligenz. Der Bestseller-Autor Yuval Noah Harari hat mit "Homo Deus" die Bibel der Transhumanisten geschrieben. "Seine Logik ist bestechend einfach. Da der Mensch ein 'Recht auf Leben' habe und der Tod gegen dieses Recht verstoße, sei er eindeutig ein Verbrechen gegen die Menschheit, 'und deshalb sollten wir den totalen Krieg gegen ihn führen'." (172).

Dieses Weltbild ist letztlich antihuman und antidemokratisch. Es impliziert, dass sich eine Kaste der Superreichen "ewiges Leben" kauft, während das "Lumpenproletariat" seine Existenzberechtigung verliert. Der Silicon Valley Investor Peter Thiel, der neue "Brötchengeber" von Ex-Kanzler Kurz, sagt ganz unverblümt: "Ich halte Freiheit und Demokratie für nicht länger miteinander vereinbar." Was impliziert, dass die Demokratie abgeschafft werden soll, um jene Freiheit zu etablieren, die den Superreichen alles und dem Volk (Demos) nichts zubilligt.

Die Autorin skizziert weiters die Verflechtungen des WEF-Gründers Klaus Schwab, seines PR-Agenten Richard Edelman, des WEF-Hauptsponsors Bill Gates und der WEF-Young Global Leader, die sich besonders in der EU, sowie Kanada, Australien und Neuseeland "Verdienste" in der Implementierung der Corona-Agenda erworben haben. Sie alle sind der Überzeugung, "dass es ihre Verantwortung ist, die Zukunft der Menschheit zu gestalten. [...] In diesem Zusammenhang ist es auffallend, dass unter jenen Ländern, die an den Pandemiemaßnahmen am längsten festhielten und diese am restriktivsten anwendeten, fast alle Regierungschefs oder entscheidungsbefugten Minister ein Naheverhältnis zum WEF pflegen oder gar dessen Mitglieder sind." (191)

Globalisierung und Digitalisierung, die Allmacht der Weltkonzerne und die Allmacht der Technik, sind eng verflochten mit den Interessen der Finanzindustrie, an deren Spitze nicht mehr die Banken und Zentralbanken stehen, sondern "Vermögensverwalter", allen voran BlackRock und Vanguard. "2022 hatte BlackRock mit zehn Billionen Dollar an Assets die Nase vorne. Ihr Umsatz zeigt seit 2013 steil nach oben. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt der EU betrug im Jahr 2020 insgesamt 13 Billionen Euro. Das ist weniger, als das Vermögen, das BlackRock und Vangaurd verwalten." (198)

Um solche Wirtschaftsimperien zu kontrollieren, braucht es den gläsernen Menschen. Die EU will dabei tatkräftig mitwirken und hat ihre Ziele im "Digitalen Kompass 2030" definiert.

Gudula Walterskirchen warnt: "Das Vorhaben der EU-Kommission, eine europäische elektronische Identität einzuführen, blieb im Schatten der Corona-Pandemie bisher recht unbeachtet. [...] Interessant ist, dass in den Jahren zuvor von der EU umfangreiche Vorschriften zum Datenschutz für Unternehmen und Private erlassen wurden. Nun wird ausgerechnet von derselben Stelle im Auftrag der Politik der Schutz sensibler personenbezogerner Gesundheitsdaten durch die Hintertür ausgehebelt." (212)

Angesichts der Intensität und Aggressivität, mit der sich traditioneller politischer Totalitarismus parallel, oder sogar Hand in Hand mit dem Neo-Totalitarismus der Monopol-Kapitalisten und Globalisten ausbreiten, muss die Frage des Schlusskapitels ("Wie kann Freiheit erhalten oder errungen werden?") unbeantwortet bleiben. Es ist erbaulich, an C.G. Jung zu erinnern, der meinte, "der erste Schritt, totalitären Systemen entgegenzuwirken, sei, Vernunft in einer verrückte Welt zu bringen." Es ist tröstend, an den Geist des Heiligen Augustinus zu erinnern, wonach "die Freiheit des Menschen in der Möglichkeit besteht, zwischen Gut und Böse zu wählen." Es ist gut abschließend dem Totalitarismus die Stirn zu bieten: "Es gibt keine Alternative zur Freiheit, zum Frieden und zur Wahrheit." Es wird jedoch die totalitären Strömungen des 21. Jahrhunderts keine Millisekunde aufhalten und keinen Millimeter zurückdrängen.

Gudula Walterskirchen

Wie wir unfrei werden. Der Weg zur totalitären Gesellschaft.

Seifert Verlag, Wien, 2022

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