Eherecht: Afghanen-Scheidung in Österreich

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10. Oktober 2023 - Man stelle sich vor, ein Ehepaar aus Afghanistan lebt in Österreich vermutlich schon mehr als ein Jahrzehnt. Es ist hierher mit zwei Kindern gekommen, die mittlerweile volljährig sind, zwei weitere Kinder sind minderjährig. Nun will sich der Mann scheiden lassen. Einvernehmlich. Dafür findet er in Österreich ein Gericht, das den Fall behandelt. Mittlerweile hat der Fall bereits das Oberste Gericht OGH beschäftigt, das am 31. Mai 2023 eine Entscheidung getroffen und den Fall an das Erstgericht zurück verweisen hat. Das Erstgericht hat vergessen die Ehefrau zu fragen, ob sie ebenfalls eine "einvernehmliche" Scheidung wolle. Aber die Pointe kommt erst: es muss zunächst festgestellt werden, ob sich die Ehefrau als verheiratet betrachtet, denn ein amtliche Ehedokument aus Afghanistan liegt nicht vor.

"Es gibt Fälle, in denen österreichische Gerichte ausländisches Recht anwenden müssen. Etwa, wenn Migranten, die in ihrem Herkunftsland eine Ehe geschlossen haben, sich scheiden lassen", schreibt Philipp Aichinger auf blogasyl.at (18.9.2023) und schildert das Scheidungs-Begehren eines afghanischen Vaters von vier Kindern. Die Ehe wurde 1996 in Afghanistan von einem Mullah (nicht amtlich) geschlossen. 

"Österreichs Höchstrichter (OGH 4Ob85/23p) akzeptieren eine staatlich nie registrierte Heirat. Sie widerspreche selbst dem afghanischen Gesetz, gelte aber laut Taliban-Regeln. Da das Familienverfahren nach dem AsylG darauf abstellt, dass eine Ehe bereits vor der Einreise bestanden hat, kommt diesem Urteil potenziell auch für Asylverfahren im Inland sowie den Familiennachzug Relevanz zu."

Philipp Aichinger weiter: "Ein Afghane stand in Österreich vor einem besonderen Problem. Er will sich von seiner Frau, mit der er vier Kinder hat, scheiden lassen. Eine Heiratsurkunde konnte er nicht vorlegen. Er habe die Ehe aber vor einem Mullah, einem islamischen Religionsgelehrten, geschlossen.

Gern würde sich der Mann nach österreichischem Recht scheiden lassen. Er allein beantragte eine einvernehmliche Scheidung von seiner Frau. Schon die ersten zwei Instanzen befanden aber, dass man die Scheidung nach afghanischem Recht durchführen müsste. Aber liegt eine Ehe vor? Zwar seien Religionsgelehrte in Afghanistan befugt, die Trauung durchzuführen. Doch sei jede Ehe laut afghanischem Gesetz verpflichtend von den zuständigen Behörden zu registrieren. Da der Mann dies nicht gemacht habe, könne man ihn nicht scheiden, meinten die Unterinstanzen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) aber sieht das nun anders.

Das afghanische Zivilgesetzbuch trat 1977 in Kraft, als Afghanistan Republik war. Es überdauerte die Taliban-Herrschaft von 1992 bis 2001 und blieb auch nach der nunmehr erneuten Machtübernahme der Taliban formal in Geltung. Doch man müsse sich die Praxis anschauen, meinte der OGH mit Blick auf Experteneinschätzungen. „Große Teile der Bevölkerung sind nicht bereit, Behörden durch die Registrierung von Ehen in vermeintlich rein private und zum Teil ungesetzliche Praktiken wie Kinder-, Zwangs-, Austauschehen und Ehen zur Schuldentilgung Einblick nehmen zu lassen.“ Nur fünf Prozent aller Ehen in Afghanistan seien registriert. „Insbesondere das Eherecht basiert aber neben dem kodifizierten Recht auf Bestimmungen des islamischen Rechts und dem örtlichen Gewohnheitsrecht.“

Das afghanische Gesetz zur Eheregistrierung sei „praktisch totes Recht“, meinte der OGH (4 Ob 85/23p). Und der Mann weise zu Recht darauf hin, dass seit der neuen Machtübernahme der Taliban nur von einem Mullah getraute Paare als verheiratet angesehen werden. Der Mann könne daher seine Ehe jetzt in Afghanistan gar nicht mehr nachträglich registrieren lassen, weswegen man ihm hierzulande die Scheidung nicht wegen der fehlenden staatlichen Beurkundung allein verwehren dürfe. Der Fall geht daher zurück an die unterste Instanz: Sie soll nun einmal die Frau fragen, ob sie sich als verheiratet betrachtet."


Das OGH-Urteil im Wortlaut

Gericht OGH

Dokumenttyp Entscheidungstext
Entscheidungsart Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

Rechtsgebiet Zivilrecht
Fachgebiet Familienrecht (ohne Unterhalt)
Fundstelle Zak 2023/439 S 251 - Zak 2023,251
Geschäftszahl 4Ob85/23p

Entscheidungsdatum 31.05.2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragsteller 1. M*, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, und 2. M*, wegen Ehescheidung im Einvernehmen gemäß § 55a EheG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Erstantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts für Korneuburg als Rekursgericht vom 28. Februar 2023, GZ 20 R 41/23d-6, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Familienrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Text

Begründung:

[1]            (Nur) der Erstantragsteller beantragte die Scheidung seiner Ehe von der Zweitantragstellerin im Einvernehmen gemäß § 55a EheG. Er und die Zweitantragstellerin seien afghanische Staatsangehörige und hätten 1996 in Afghanistan vor einem Mullah die Ehe geschlossen. Die Ehe sei staatlich nicht registriert. Die Eheleute würden über keine Heiratsurkunde verfügen und könnten eine solche aufgrund der aktuellen politischen Lage auch nicht beschaffen. Der Ehe würden vier Kinder, davon zwei minderjährige, entstammen. Der letzte gemeinsame Wohnsitz der Eheleute liege im Sprengel des Erstgerichts.

[2]            Die Vorinstanzen wiesen den Antrag ab. Gemäß § 16 Abs 2 IPRG sei die Gültigkeit der Ehe nach afghanischem Recht zu beurteilen. Nach Art 61 Abs 1 des afghanischen Zivilgesetzbuchs (afghZGB) sei die Registrierung der Eheschließung Gültigkeitsvoraussetzung. Damit liege schon nach dem Vorbringen des Erstantragstellers keine aufrechte Ehe vor, die geschieden werden könne.

[3]            Der außerordentliche Revisionsrekurs des Erstantragstellers zielt auf eine Sachentscheidung nach Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen ab.

[4]       Die Zweitantragstellerin war am Verfahren bisher nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

[5]            Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt.

[6] 1.  Der Erstantragsteller zeigt eine im Sinn der Rechtssicherheit wahrzunehmende Abweichung von der Entscheidungspraxis in Afghanistan auf (vgl RS0042940 [T23]).

[7] 1.1.  Grundsätzlich kommt dem Obersten Gerichtshof bei der Auslegung fremden Rechts keine Leitfunktion zu, sodass das Fehlen einer Rechtsprechung des österreichischen Höchstgerichts keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 AußStrG begründet (vgl RS0042948). Jedoch ist es im Dienste der Rechtssicherheit aufzugreifen, wenn die Vorinstanzen eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt haben (RS0042940).

[8] 1.2. Das maßgebende fremde Recht ist nach § 3 IPRG nämlich von Amts wegen und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden. Dabei kommt es in erster Linie auf die Anwendungspraxis der (höchstgerichtlichen) Rechtsprechung des betreffenden Auslandsstaats an (RS0042940 [T4, T5]).

[9]            Der Erstantragsteller weist hier richtig darauf hin, dass seit der Machtübernahme der Taliban auch nur von einem Mullah getraute Paare als verheiratet angesehen würden. Es sei gar nicht mehr möglich, eine Eheschließung nachträglich behördlich registrieren zu lassen. Die Ehe der Antragsteller sei daher nach afghanischem Recht gültig.

[10]

2.  Eine mögliche Ehe der Antragsteller ist nicht schon deshalb unwirksam, weil sie nicht registriert wurde.

[11] 2.1.  Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, ist die Form einer Eheschließung im Ausland gemäß § 16 Abs 2 IPRG nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Orts der Eheschließung.

[12]           Alle diese Kriterien führen dazu, dass bei Prüfung der Gültigkeit der Ehe der Antragsteller afghanisches Recht anzuwenden ist. Dieses ist nach § 4 Abs 1 IPRG von Amts wegen zu ermitteln.

[13] 2.2.  Zwar haben die Vorinstanzen die Formvorschriften für eine Eheschließung nach Art 61 afghZGB wiedergegeben: Muslimische Religionsgelehrte sind durch eine Erlaubnis des Obersten Gerichts befugt, die Eheschließung auf der Grundlage einer offiziellen Eheurkunde durchzuführen. Jedoch ist jede Eheschließung verpflichtend vor den zuständigen Behörden zu registrieren und bei der Nationalen Behörde zur Registrierung des Personenstandes in Evidenz zu halten. Dies gilt auch für bisher nicht registrierte Ehen (Ebert/Rasul in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht – Afghanistan [244. Lfg 2021] 29 f).

[14]           Die Vorinstanzen haben aber die davon eklatant abweichende Auslegungspraxis außer Acht gelassen: Das Zivilgesetzbuch trat 1977 in Kraft, also während der kurzen Phase von Afghanistan als Republik (Ebert/Rasul in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht – Afghanistan [244. Lfg 2021] 4). Es hat bereits die Taliban-Herrschaft von 1992 bis 2001 überdauert und steht auch trotz der erneuten Machtübernahme der Taliban nach dem Rückzug der NATO-Truppen 2020 noch formal in Kraft (Ebert/Rasul in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht – Afghanistan [244. Lfg 2021] 4, 8).

[15]           Insbesondere das Eherecht basiert aber neben dem kodifizierten Recht auf Bestimmungen des islamischen Rechts und dem örtlichen Gewohnheitsrecht (Rechtspluralismus, vgl Ebert/Rasul in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht – Afghanistan [244. Lfg 2021] 26). Große Teile der Bevölkerung sind nicht bereit, Behörden durch die Registrierung von Ehen in vermeintlich rein private und zum Teil ungesetzliche Praktiken wie Kinder-, Zwangs-, Austauschehen und Ehen zur Schuldentilgung Einblick nehmen zu lassen. Daher sind nur 5 % aller Ehen in Afghanistan registriert (Ebert/Rasul in Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht – Afghanistan [244. Lfg 2021] 30).

[16] 2.3.  Zusammengefasst sind die Formvorschriften des afghZGB über die Registrierung der Ehe praktisch totes Recht, sodass der Antrag auf einvernehmliche Scheidung nicht mangels Registrierung der Ehe abgewiesen werden kann.

3.  Die Vorinstanzen werden im fortgesetzten Verfahren insbesondere folgende Punkte zu beachten haben:

[17] 3.1.  Zur Frage, ob die Antragsteller eine (unregistrierte) Ehe geschlossen haben, gibt es bisher nur das Vorbringen des Erstantragstellers. Die Zweitantragstellerin wurde bisher nicht am Verfahren beteiligt, Urkunden nicht vorgelegt, sonstige Beweise noch nicht aufgenommen.

[18] 3.2. Nach § 20 Abs 1 iVm § 18 Abs 1 Z 1 IPRG werden wegen des gemeinsamen Personalstatuts der Eheleute auch die Voraussetzungen und Wirkungen der Ehescheidung in erster Linie nach afghanischem Recht zu beurteilen sein.

[19] 3.3.  Selbst falls für die Scheidung aus bisher nicht erkennbaren Gründen österreichisches Recht zur Anwendung gelangen sollte, wäre zu beachten, dass eine einvernehmliche Scheidung nach § 55a Abs 1 EheG einen gemeinsamen Antrag beider Eheleute oder zumindest die Zustimmung des zweiten Ehepartners voraussetzt (Hopf/Kathrein, Eherecht 3 § 55a EheG [2014] Rz 2).

[20] 4. Im Außerstreitverfahren sind Kosten gemäß § 78 Abs 2 AußStrG nur zu ersetzen, wenn eine Partei mit ihrer Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung gegenüber anderen Parteien Erfolg hatte, die entgegengesetzte Interessen verfolgt haben.

[21]     Bei der hier beantragten einvernehmlichen Scheidung kann eine Kostenersatzpflicht mangels Verfolgung entgegengesetzter Interessen nur dann eintreten, wenn ein Ehegatte oder Partner zur mündlichen Verhandlung nicht erscheint oder wenn er nachher seinen Scheidungs- oder Auflösungsantrag zurückzieht ( Obermaier in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I [2019] § 78 Rz 105).

Textnummer E138801

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00085.23P.0531.000

Im RIS seit 01.08.2023
Zuletzt aktualisiert am 24.08.2023


IPRG. Das internationale Privatrecht Gesetz

Das OGH beruft sich auf § 16 Abs 2 IPRG. Das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) wurde als Bundesgesetz am 15. Juni 1978 (Regierung Kreisky III) angenommen. Der volle Wortlaut auf RIS.bka.gv.at, hier die wesentlichen Abschnitte und § 16 im Wortlaut.

Langtitel

Bundesgesetz vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz)

ABSCHNITT I

ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Grundsatz der stärksten Beziehung

§ 1. (1) Sachverhalte mit Auslandsberührung sind in privatrechtlicher Hinsicht nach der Rechtsordnung zu beurteilen, zu der die stärkste Beziehung besteht.

(2) Die in diesem Bundesgesetz enthaltenen besonderen Regelungen über die anzuwendende Rechtsordnung (Verweisungsnormen) sind als Ausdruck dieses Grundsatzes anzusehen.

Ermittlung der für die Anknüpfung maßgebenden Voraussetzungen

§ 2. Die für die Anknüpfung an eine bestimmte Rechtsordnung maßgebenden tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sind von Amt wegen festzustellen, soweit nicht nach verfahrensrechtlichen Vorschriften in einem der Rechtswahl zugänglichen Sachgebiet (§§ 19, 35 Abs. 1) tatsächliches Parteivorbringen für wahr zu halten ist.

Anwendung fremden Rechtes

§ 3. Ist fremdes Recht maßgebend, so ist es von Amts wegen und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden.

Ermittlung fremden Rechtes

§ 4. (1) Das fremde Recht ist von Amts wegen zu ermitteln. Zulässige Hilfsmittel hiefür sind auch die Mitwirkung der Beteiligten, Auskünfte des Bundesministeriums für Justiz und Sachverständigengutachten.

(2) Kann das fremde Recht trotz eingehendem Bemühen innerhalb angemessener Frist nicht ermittelt werden, so ist das österreichische Recht anzuwenden.

Rück- und Weiterverweisung

§ 5. (1) Die Verweisung auf eine fremde Rechtsordnung umfaßt auch deren Verweisungsnormen.

(2) Verweist die fremde Rechtsordnung zurück, so sind die österreichischen Sachnormen (Rechtsnormen mit Ausnahme der Verweisungsnormen) anzuwenden; im Fall der Weiterverweisung sind unter Beachtung weiterer Verweisungen die Sachnormen der Rechtsordnung maßgebend, die ihrerseits nicht mehr verweist bzw. auf die erstmals zurückverwiesen wird.

(3) Besteht eine fremde Rechtsordnung aus mehreren Teilrechtsordnungen, so ist die Teilrechtsordnung anzuwenden, auf die die in der fremden Rechtsordnung bestehenden Regeln verweisen. Mangels solcher Regeln ist die Teilrechtsordnung maßgebend, zu der die stärkste Beziehung besteht.

Vorbehaltsklausel (ordre public)

§ 6. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.

Statutenwechsel

§ 7. Die nachträgliche Änderung der für die Anknüpfung an eine bestimmte Rechtsordnung maßgebenden Voraussetzungen hat auf bereits vollendete Tatbestände keinen Einfluß.

Form

§ 8. Die Form einer Rechtshandlung ist nach demselben Recht zu beurteilen wie die Rechtshandlung selbst; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Staates, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wird.

Personalstatut einer natürlichen Person

§ 9. (1 )Das Personalstatut einer natürlichen Person ist das Recht des Staates, dem die Person angehört. Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend. Für andere Mehrstaater ist die Staatsangehörigkeit des Staates maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht.

(2) Ist eine Person staatenlos oder kann ihre Staatsangehörigkeit nicht geklärt werden, so ist ihr Personalstatut das Recht des Staates, in dem sie den gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(3) Das Personalstatut einer Person, die Flüchtling im Sinn der für Österreich geltenden internationalen Übereinkommen ist oder deren Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen sind, ist das Recht des Staates, in dem sie ihren Wohnsitz, mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; eine Verweisung dieses Rechtes auf das Recht des Heimatstaates (§ 5) ist unbeachtlich.

Personalstatut einer juristischen Person

§ 10. Das Personalstatut einer juristischen Person oder einer sonstigen Personen- oder Vermögensverbindung, die Träger von Rechten und Pflichten sein kann, ist das Recht des Staates, in dem der Rechtsträger den tatsächlichen Sitz seiner Hauptverwaltung hat.

Rechtswahl

§ 11. (1) Eine Rechtswahl der Parteien (§§ 19, 35 Abs. 1) bezieht sich im Zweifel nicht auf die Verweisungsnormen der gewählten Rechtsordnung.

(2) Eine in einem anhängigen Verfahren bloß schlüssig getroffene Rechtswahl ist unbeachtlich.

(3) Die Rechtsstellung Dritter wird durch eine nachträgliche Rechtswahl nicht beeinträchtigt.

ABSCHNITT 2

PERSONENRECHT

Rechts- und Handlungsfähigkeit

§ 12. Die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person sind nach deren Personalstatut zu beurteilen.

Name

Todeserklärung und Beweisführung des Todes

Schutz Erwachsener

ABSCHNITT 3

FAMILIENRECHT

A. EHERECHT

Form der Eheschließung

§ 16. (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.

(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.

Voraussetzungen der Eheschließung

§ 17. (1) Die Voraussetzungen der Eheschließung sowie die der Ehenichtigkeit und der Aufhebung sind für jeden der Verlobten nach seinem Personalstatut zu beurteilen.

(1a)vSieht das nach dem Personalstatut berufene Recht eines oder beider Verlobten die Eheschließung wegen des Geschlechts eines oder beider Verlobten nicht vor, so sind die Voraussetzungen des Abs. 1 nach dem Recht des Staates zu beurteilen, in dem die Ehe begründet wird.

(2) Ist durch eine für den österreichischen Rechtsbereich wirksame Entscheidung eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben, geschieden oder als nicht bestehend festgestellt worden, so darf nicht allein deshalb eine neue Eheschließung untersagt oder eine neue Ehe für nichtig erklärt werden, weil die Entscheidung nach dem Personalstatut eines oder beider Verlobten bzw. Ehegatten nicht anerkannt wird. Dies gilt sinngemäß im Fall der Todeserklärung oder der Beweisführung des Todes.

Persönliche Rechtswirkungen der Ehe

§ 18. (1)Die persönlichen Rechtswirkungen einer Ehe sind zu beurteilen

1. nach dem gemeinsamen, mangels eines solchen nach dem letzten gemeinsamen Personalstatut der Ehegatten, sofern es einer von ihnen beibehalten hat,

2. sonst nach dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, mangels eines solchen nach dem Recht des Staates, in dem beide ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt gehabt haben, sofern ihn einer von ihnen beibehalten hat.

(2)Ist eine Ehe nicht für den Bereich des im Abs. 1 bezeichneten Rechtes, wohl aber für den österreichischen Rechtsbereich zustande gekommen, so sind die persönlichen Rechtswirkungen nach österreichischem Recht zu beurteilen. Haben jedoch die Eheleute eine stärkere Beziehung zu einem dritten Staat, nach dessen Recht die Ehe ebenfalls Wirkungen entfaltet, so ist statt des österreichischen Rechtes das Recht dieses Staates maßgebend.

Ehegüterrecht

§ 19. Das Ehegüterrecht ist nach dem Recht zu beurteilen, das die Parteien ausdrücklich bestimmen, mangels einer solchen Rechtswahl nach dem zur Zeit der Eheschließung für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht.

Ehescheidung

§ 20. (1)Die Voraussetzungen und die Wirkungen der Scheidung einer Ehe sind nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen.

(2) Kann nach diesem Recht die Ehe auf Grund der geltend gemachten Tatsachen nicht geschieden werden oder liegt keiner der Anknüpfungspunkte des § 18 vor, so ist die Scheidung nach dem Personalstatut des klagenden Ehegatten im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen.

B. KINDSCHAFTSRECHT

Eheliche Abstammung

Wirkungen der Ehelichkeit und der Legitimation

Uneheliche Abstammung und deren Wirkungen

Annahme an Kindesstatt

C. Obsorge einer anderen Person und Kuratel

D. Partnerschaftsrecht

Voraussetzungen und Wirksamkeit der eingetragenen Partnerschaft

Persönliche Rechtswirkungen der eingetragenen Partnerschaft

Güterrecht der eingetragenen Partnerschaft

Auflösung der eingetragenen Partnerschaft

Anm HTH: ABSCHNITT 4 fehlt auf RIS

ABSCHNITT 5

SACHENRECHT

Allgemeine Regel

Verhältnis zu anderen Verweisungsnormen

Verkehrsmittel

Im Effektengiro übertragbare Wertpapiere

ABSCHNITT 6

IMMATERIALGÜTERRECHTE

ABSCHNITT 7

SCHULDRECHT

Vertragliche Schuldverhältnisse

Erweiterte Rechtswahl für bestimmte Versicherungsverträge

Außervertragliche Schadenersatzansprüche

Gewillkürte Stellvertretung

ABSCHNITT 8

SCHLUSSBESTIMMUNGEN


Ethisches Urteil

Zunächst stellt sich die Frage, wie es möglich ist, dass ein österreichisches Gericht eine Scheidung mit dem Ehemann verhandelt, ohne die Partnerin dazu jemals vorzuladen? In Anwendung des "afghanischen Eherechts" gemäß Scharia (Scharia steht über "totem Zivil-Recht" wie im OGH-Urteil ausführlich dargelegt wurde), in der die Frau bekanntlich weniger zu sagen hat als der Mann, wäre das nur konsequent und das OGH-Urteil (zurück an das Erstgericht zur Befragung der Ehefrau) demnach inkonsistent!

Die grundsätzliche Problematik des IPRG (Internationales Privatrecht Gesetz) skizziert die Rechtsanwaltskanzlei Kerres Partner"Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhundert hat sich die Zahl der in Österreich niedergelassenen Muslime österreichischer und fremder Staatsangehörigkeit verdoppelt. Zum Stichtag 1. Jänner 2010 hatte ungefähr eine halbe Million Muslime ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Eine vom österreichischen Innenministerium in Auftrag gegebene Studie ergab nun, dass für fast drei Viertel der in Österreich lebenden Türken die Gebote des Islam wichtiger sind als die der Demokratie und über die Hälfte der Befragten wünscht sich die Einführung der Scharia in Österreich.

Eine unmittelbare Konsequenz dieser Entwicklung ist, dass sich die österreichischen Gerichte immer öfter mit der Frage konfrontiert sehen, ob eine Regel eines an sich nach dem Gesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) maßgeblichen Rechts des islamischen Rechtskreises anzuwenden ist, oder ob die Anwendung wegen Verstoßes gegen den ordre public unterbleiben muss, da sie zu einem Ergebnis führen würde, das "mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung" unvereinbar wäre (§ 6 IPRG)."

Kerres Partner berichtet weiters: "Der OGH musste sich in der Entscheidung 9 Ob 34/10f vom 28. Februar 2011 mit der Frage auseinandersetzen, ob das saudiarabische Eherecht in Österreich anwendbar ist. Die Höchstrichter kamen in dieser Frage letztlich zum Schluss, dass zumindest Teile der in Saudi Arabien geltenden Scharia auch hierzulande anzuwenden sind, obwohl die Regelungen für österreichische (Rechts-) Verhältnisse etwas ungewöhnlich anmuten.

Das saudiarabische Eherecht (einschließlich der Scheidungsfolgen) folgt zur Gänze der Scharia. Kommt es zu einer gerichtlichen Scheidung, hat die Frau lediglich für die sogenannte „Wartezeit“, dies sind drei Monate nach der Scheidung, Anspruch auf Unterhalt. Ein darüber hinausgehender Unterhaltsanspruch besteht nicht. Eventuell muss der Mann noch eine "Brautgabe" erfüllen. In manchen Orten ist auch die "Muta", ein einmaliger Abfindungsbetrag, üblich. Ein Unterhalt über drei Monate hinaus ist aber in keiner Weise vorgesehen."

Die OGH-Schlussfolgerung, "dass zumindest Teile der in Saudi Arabien geltenden Scharia auch hierzulande anzuwenden sind" öffnet der Willkür Tür und Tor. Welche Teile der Scharia sind aus welchen Gründen anzuwenden, welche Teile aus welchen Gründen nicht? Angesichts jüngster Entwicklungen (Freudenfeiern von Islamisten in Europa nach einem Terroranschlag auf Zivilisten in Israel Anfang Oktober 2023) ist die Frage der Grenzziehung akut geworden. Die "Freudenfeiern" könnten ja mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung, basierend auf religiösen Überzeugungen legitimiert werden.

Man muss daran erinnern, dass das IPRG 1978, also vor fast einem halben Jahrhundert erlassen wurde, als Österreich einen Katholiken-Anteil von rnnd 85% hatte und andere Verhältnisse offenbar nicht denkbar waren. Nicht denkbar war offenbar, dass nach Überwindung der unheiligen Allianz von Kirche und Staat im Austrofaschismus in der Zweiten Republik jemals die Trennung zwischen Religion und Staat wieder durch eine religiöse Macht in Frage gestellt werden könnte. Heute liegt der Anteil der Katholiken bei 55% (4,9 Millionen Menschen), an zweiter Stelle folgen die religiös indifferenten Konfessionslosen (2 Millionen) und bereits an dritter Stelle sind die immer öfter religiös radikalisierten Muslimen mit 8,3% (645.000) (Quelle ORF.at 25.5.2022).

Man muss die Frage stellen, ob das IPRG nicht prinzipiell das rechtsstaatliche Prinzip unserer Verfassung in Frage stellt. Laut Walter/Mayer "unterscheidet sich der Rechtsstaat von seinem Gegentyp, dem Polizeistaat". Den Scharia-Staat hatten die Autoren - zumindest in der 2. Auflage 1978 - noch nicht im Blickfeld.

Man muss die Frage stellen, ob das liberale Prinzip unserer Verfassung, das laut Walter/Mayer "nicht ausdrücklich im B-VG normiert" ist, jedoch aus Sicht der Autoren "Freiheit vom Staate einräumt", das IPRG möglich oder gar notwendig gemacht hat.

Man muss die Frage stellen, ob die fehlende Verankerung der Souveränität in der Österreichischen Verfassung, das IPRG möglich oder gar notwendig gemacht hat. So unbedeutend ist die Souveränität Österreichs, dass der Begriff im Sachregister der Ausgabe 2014 des BVG von Ohm/Grabenwarter (dem jetzigen Präsidenten desVfGH) gar nicht vor kommt. Nur im Staatsvertrag, Artikel 1, wird bestätigt: "Die Aliierten und Assoziierten Mächte anerkennen, daß Österreich als ein souveräner, unabhängiger und demokratischer Staat wiederhergestellt ist." 

Ein Staat, der die Souveränität nicht nur beiläufig sondern prinzipiell konstituiert, würde wohl kein Gesetz erlassen, das durch die Hintertür ausländische Gesetzgebungen über eigenes Recht stellt. Das führt das das Souveränitätsprinzip ad absurdum, ebenso wie den Artikel 1 B-VG: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr recht geht vom Volk aus." Damit ist natürlich das Volk der Republik Österreich gemeint und nicht einzelne Mitglieder anderer Völker und ganz und gar nicht deren Rechtssysteme.

Man muss die Frage stellen, ob die Verfassung und in unmittelbarer Folge weite Teile der bestehenden Bundesgesetze noch für das 21. Jahrhundert geeignet sind. HTH hat mit dem Buch "Baustelle Parlament" bereits 2020 zahlreiche Hinweise geliefert, "warum die Österreichische Verfassung für das 21. Jahrhundert nicht geeignet ist". Bis heute haben weder Wissenschafter, noch Parlamentarier diese Frage zur Diskussion gestellt. Die Wissenschafter angeblich aus Überlastung, die Parlamentarier vermutlich aufgrund ihres Klubzwangs, der nicht vorsieht, dass sich Parlamentarier mit den Grundlagen unserer Gesetzgebung beschäftigen. So bleibt hier nur zu wiederholen, dass Österreich nur nach einem Verfassungskonvent und auf Basis einer neuen, schlanken Verfassung den Weg zurück in eine echte Demokratie finden kann.