Eherecht: Afghanen-Scheidung in Österreich - Ethisches Urteil

Beitragsseiten

Ethisches Urteil

Zunächst stellt sich die Frage, wie es möglich ist, dass ein österreichisches Gericht eine Scheidung mit dem Ehemann verhandelt, ohne die Partnerin dazu jemals vorzuladen? In Anwendung des "afghanischen Eherechts" gemäß Scharia (Scharia steht über "totem Zivil-Recht" wie im OGH-Urteil ausführlich dargelegt wurde), in der die Frau bekanntlich weniger zu sagen hat als der Mann, wäre das nur konsequent und das OGH-Urteil (zurück an das Erstgericht zur Befragung der Ehefrau) demnach inkonsistent!

Die grundsätzliche Problematik des IPRG (Internationales Privatrecht Gesetz) skizziert die Rechtsanwaltskanzlei Kerres Partner"Im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhundert hat sich die Zahl der in Österreich niedergelassenen Muslime österreichischer und fremder Staatsangehörigkeit verdoppelt. Zum Stichtag 1. Jänner 2010 hatte ungefähr eine halbe Million Muslime ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Eine vom österreichischen Innenministerium in Auftrag gegebene Studie ergab nun, dass für fast drei Viertel der in Österreich lebenden Türken die Gebote des Islam wichtiger sind als die der Demokratie und über die Hälfte der Befragten wünscht sich die Einführung der Scharia in Österreich.

Eine unmittelbare Konsequenz dieser Entwicklung ist, dass sich die österreichischen Gerichte immer öfter mit der Frage konfrontiert sehen, ob eine Regel eines an sich nach dem Gesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) maßgeblichen Rechts des islamischen Rechtskreises anzuwenden ist, oder ob die Anwendung wegen Verstoßes gegen den ordre public unterbleiben muss, da sie zu einem Ergebnis führen würde, das "mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung" unvereinbar wäre (§ 6 IPRG)."

Kerres Partner berichtet weiters: "Der OGH musste sich in der Entscheidung 9 Ob 34/10f vom 28. Februar 2011 mit der Frage auseinandersetzen, ob das saudiarabische Eherecht in Österreich anwendbar ist. Die Höchstrichter kamen in dieser Frage letztlich zum Schluss, dass zumindest Teile der in Saudi Arabien geltenden Scharia auch hierzulande anzuwenden sind, obwohl die Regelungen für österreichische (Rechts-) Verhältnisse etwas ungewöhnlich anmuten.

Das saudiarabische Eherecht (einschließlich der Scheidungsfolgen) folgt zur Gänze der Scharia. Kommt es zu einer gerichtlichen Scheidung, hat die Frau lediglich für die sogenannte „Wartezeit“, dies sind drei Monate nach der Scheidung, Anspruch auf Unterhalt. Ein darüber hinausgehender Unterhaltsanspruch besteht nicht. Eventuell muss der Mann noch eine "Brautgabe" erfüllen. In manchen Orten ist auch die "Muta", ein einmaliger Abfindungsbetrag, üblich. Ein Unterhalt über drei Monate hinaus ist aber in keiner Weise vorgesehen."

Die OGH-Schlussfolgerung, "dass zumindest Teile der in Saudi Arabien geltenden Scharia auch hierzulande anzuwenden sind" öffnet der Willkür Tür und Tor. Welche Teile der Scharia sind aus welchen Gründen anzuwenden, welche Teile aus welchen Gründen nicht? Angesichts jüngster Entwicklungen (Freudenfeiern von Islamisten in Europa nach einem Terroranschlag auf Zivilisten in Israel Anfang Oktober 2023) ist die Frage der Grenzziehung akut geworden. Die "Freudenfeiern" könnten ja mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung, basierend auf religiösen Überzeugungen legitimiert werden.

Man muss daran erinnern, dass das IPRG 1978, also vor fast einem halben Jahrhundert erlassen wurde, als Österreich einen Katholiken-Anteil von rnnd 85% hatte und andere Verhältnisse offenbar nicht denkbar waren. Nicht denkbar war offenbar, dass nach Überwindung der unheiligen Allianz von Kirche und Staat im Austrofaschismus in der Zweiten Republik jemals die Trennung zwischen Religion und Staat wieder durch eine religiöse Macht in Frage gestellt werden könnte. Heute liegt der Anteil der Katholiken bei 55% (4,9 Millionen Menschen), an zweiter Stelle folgen die religiös indifferenten Konfessionslosen (2 Millionen) und bereits an dritter Stelle sind die immer öfter religiös radikalisierten Muslimen mit 8,3% (645.000) (Quelle ORF.at 25.5.2022).

Man muss die Frage stellen, ob das IPRG nicht prinzipiell das rechtsstaatliche Prinzip unserer Verfassung in Frage stellt. Laut Walter/Mayer "unterscheidet sich der Rechtsstaat von seinem Gegentyp, dem Polizeistaat". Den Scharia-Staat hatten die Autoren - zumindest in der 2. Auflage 1978 - noch nicht im Blickfeld.

Man muss die Frage stellen, ob das liberale Prinzip unserer Verfassung, das laut Walter/Mayer "nicht ausdrücklich im B-VG normiert" ist, jedoch aus Sicht der Autoren "Freiheit vom Staate einräumt", das IPRG möglich oder gar notwendig gemacht hat.

Man muss die Frage stellen, ob die fehlende Verankerung der Souveränität in der Österreichischen Verfassung, das IPRG möglich oder gar notwendig gemacht hat. So unbedeutend ist die Souveränität Österreichs, dass der Begriff im Sachregister der Ausgabe 2014 des BVG von Ohm/Grabenwarter (dem jetzigen Präsidenten desVfGH) gar nicht vor kommt. Nur im Staatsvertrag, Artikel 1, wird bestätigt: "Die Aliierten und Assoziierten Mächte anerkennen, daß Österreich als ein souveräner, unabhängiger und demokratischer Staat wiederhergestellt ist." 

Ein Staat, der die Souveränität nicht nur beiläufig sondern prinzipiell konstituiert, würde wohl kein Gesetz erlassen, das durch die Hintertür ausländische Gesetzgebungen über eigenes Recht stellt. Das führt das das Souveränitätsprinzip ad absurdum, ebenso wie den Artikel 1 B-VG: "Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr recht geht vom Volk aus." Damit ist natürlich das Volk der Republik Österreich gemeint und nicht einzelne Mitglieder anderer Völker und ganz und gar nicht deren Rechtssysteme.

Man muss die Frage stellen, ob die Verfassung und in unmittelbarer Folge weite Teile der bestehenden Bundesgesetze noch für das 21. Jahrhundert geeignet sind. HTH hat mit dem Buch "Baustelle Parlament" bereits 2020 zahlreiche Hinweise geliefert, "warum die Österreichische Verfassung für das 21. Jahrhundert nicht geeignet ist". Bis heute haben weder Wissenschafter, noch Parlamentarier diese Frage zur Diskussion gestellt. Die Wissenschafter angeblich aus Überlastung, die Parlamentarier vermutlich aufgrund ihres Klubzwangs, der nicht vorsieht, dass sich Parlamentarier mit den Grundlagen unserer Gesetzgebung beschäftigen. So bleibt hier nur zu wiederholen, dass Österreich nur nach einem Verfassungskonvent und auf Basis einer neuen, schlanken Verfassung den Weg zurück in eine echte Demokratie finden kann.