Eine Corona-Maßnahmen-Aufarbeitung von Herbert Friesacher
20. Jänner.2022, der Tag an dem im österreichischen Parlament eine politische Entscheidung getroffen wurde, die wie keine andere die Menschen in Österreich so sehr spaltete: das "Impfpflichtgesetz". In diesem Zusammenhang wurde auch ich ein Opfer einer unsinnigen Polizeimaßnahme, die, wie viele andere Maßnahmen in der Corona-Zeit, nur unnötigen bürokratischen Kram und sinnlose Steuergeldverschwendung verursacht hat.
Im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit traf ich an diesem Tag, spät vormittags, am Eingang zu den Redoutensälen, dem damaligen Ausweichparlament am Josefsplatz, ein. Mein Auftraggeber in der Auslandspresse wünschte sich einen Stimmungsbericht zum Geschehen vor den Toren des Parlaments. Am Platz waren etwa 100 Demonstranten und Adabeis, herumstehend, abwartend was da passiert. Eine vornehme Dame trug demonstrativ eine Tafel mit der Aufschrift "Gott schütze Österreich". Die Polizeibeamten, ein mittelgroßes Aufgebot, schwarz uniformiert und behelmt, bewegten sich respektverschaffend von einem Bereich des Platzes zum anderen. Man war offensichtlich beauftragt, das Areal von Demonstranten und Störenfrieden frei zu halten, eventuell diese sogar bewusst einzuschüchtern. Wahrnehmbar eine angespannte Atmosphäre.
Gespräche mit Demonstranten, Polizisten, aber auch mit interessierten Beobachtern der Szene gehörten zu meiner Recherche. Gerade in ein Gespräch mit einem Professor der Geschichte und einem Schriftsteller vertieft, wurden auch diese Zeugen folgenden Geschehens: Ein junger Mann, in einer auffallenden orangen Winterjacke, wurde plötzlich von fünf Polizisten über die Straße gezerrt, geschubst, gestoßen. Eine verstörende Szene. Der Bedrängte streckte seine Arme hoch und rief: "filmt mich!" Einige Passanten zückten ihre Smarts um dieses hektische Szenario festzuhalten. Das Geschehen kam mir/uns, unserem Standort, bedrohlich näher und ich brachte meine Empörung durch den Wortlaut "schämt euch!" lautstark zum Ausdruck. Ein Polizist, nächst mir stehend, schien meine emotionale Empörung wahrzunehmen, stürzte sich auf mich, mit der Forderung einen Ausweis vorzuweisen. Nach
Nach diesem Datencheck und einem kurzen Wortwechsel endete diese Begegnung. Die Folgen jedoch dauerten ein Jahr, in dem ich mit Polizei- und Gerichtskorrespondenz beschäftigt war.
"Sie haben durch lautstarkes Schreien ungebührlicher Weise (ohne Rücksicht auf andere) störenden Lärm verursacht", war die Begründung der Strafverfügung mit einer geforderten Geldstrafe, die einen Monat nach dem Geschehen meine Adresse erreichte.
Mein Einspruch mit Objektivierung erfolgte umgehend: "Die ausgestellte Strafverfügung, für zwei Worte innerhalb von zwei Sekunden, Lautstärke: 77.4 dB (wurde am Ort zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Zeugen nachgemessen), liegt als Messwert niedriger als normaler Straßenlärm (rund 80 dB). Menschliche Sprache ist im Schnitt 60 dB laut. Lautes Niesen übersteigt 80 dB. In dieser Anklagesache von 'ungebührlicher Weise störenden Lärm' zu sprechen ist wohl aus der Luft gegriffen. Man kann vermuten, der Beamte könnte sich durch diese zwei gehörten Worte emotional attackiert gefühlt haben. Bei Rechtsauskunft werden diese Worte gegenüber Personen oder Gruppen strafrechtlich nicht als Beleidigung eingestuft.…... "
Und weiter: "Daher ersuche ich zwecks Objektivierung um eine Messwertangabe, die nach objektiven Kriterien bewertet, dass meine Wortgabe an diesem Standort eventuell zu laut war, und nicht nur auf einer subjektiven Feststellung eines Beamten im Dienst beruht. Ich ersuche die Behörde darum, messbare Beweise (Tonaufnahmen, Filmaufnahmen,...) zu erbringen, dass meine Wortmeldung u.a. für die im Parlament Tagenden ein erheblicher Störfaktor war." (Auszug aus 1. Einspruch)
Die Antwort der Polizeibehörde folgte prompt: "Für die erkennende Behörde besteht kein Grund die Angaben des Polizeibeamten, da dieser unter der besonderen Voraussetzung zur wahrheitsgemäßen Darstellung der Tat, aufgrund seines Diensteides, in Zweifel zu ziehen."
Als Beschuldigter, der am Tag der Regierungsentscheidung für das "Impfpflichtgesetz" zu laut "schämt euch!" "gebrüllt" haben sollte, legte ich Ende Mai 2022, nachdem mir die "Straferkenntnis" und die geforderte Strafzahlung zugestellt wurde, Beschwerde beim Landesgericht für Strafsachen Wien ein. Eine Juristin meiner rechtlichen Standesvertretung der Journalistengewerkschaft kommentierte, dass"„die Rechtsanwendung in diesem Fall nicht nur fehlerhaft, sondern unter keinem Aspekt rechtlich vertretbar sei und sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf einem Ermessensfehlgebrauch beruht."
Als ungerecht Beschuldigter stellte ich daraufhin mit dem Einspruch beim Landesgericht den Antrag, eine öffentliche mündliche Verhandlung anzuberaumen oder gleich das Straferkenntnis der LPD Wien aufzuheben, oder eventuell es, aufgrund der geringen Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes sowie der bedeutungslosen Intensität seiner Beeinträchtigung durch den Tathergang, gemäß § 45 Abs 1 VStG , aufzuheben oder bei einem Ausgleich zu belassen.
IM NAMEN DER REPUBLIK
Es dauerte weitere acht Monate bis das Verwaltungsgericht Wien zu einer weisen Entscheidung kam, und das ohne öffentlicher Verhandlung: "Der Beschwerde des Beschuldigten wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt." Außerdem wird dem Beschwerdeführer, also mir, "kein Betrag zu den Kosten des Verfahrens auferlegt."
Auf weiteren fünf Seiten des Schreibens philosophiert die mit dem Fall betreute Richterin, durch Zuhilfenahme einer Unzahl von Paragrafen, die Entscheidungsgründe für den Richterspruch zu untermauern: Die lautstarke Äußerung "schämt euch" ist nicht als "Lärm" und auch nicht als "ungebührlich" zu betrachten!
Eine beinahe unendliche Geschichte. Heute, nach mehr als einem Jahr würde ich es mir wünschen, die Abgeordneten im Parlament hätten meinen Ruf "schämt euch" gehört. Zu Recht!
VERWALTUNGSGERICHT WIEN
1190 Wien, Muthgasse 62
Telefon: (+431) 4000 DW 38700 Telefax: (+43 1) 4000 99 38700 E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
GZ: VGW-031/035/7667/2022-2 Herbert Friesacher
Wien, 06.02.2023
Geschäftsabteilung: VGW-M
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Mag. Lammer über die Beschwerde des Herrn Herbert Friesacher gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Innere Stadt, vom 20.04.2022, GZ: VSTV/922300378372/2022, betreffend einer Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs 1 Z 2 WLSG, zu Recht erkannt:
Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Gemäß § 52 Abs 8 VWGVG wird dem Beschwerdeführer kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.
Gegen diese Entscheidung ist unbeschadet der Bestimmung des § 25a Abs 4 VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 20.01.2022, 11:30 Uhr, in 1010 Wien, Josefsplatz 5 nächst dem Denkmal am Josefsplatz, durch lautstarkes Schreien ungebührlicherweise störenden Lärm erregt. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 1 Abs 1 Z 2 WLSG verletzt, weswegen über ihn gemäß § 1 Abs 1 WLSG eine Geldstrafe von 150 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und 12 Stunden, verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 15 Euro auferlegt wurde.
In der dagegen eingebrachten Beschwerde führt der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, es sei im Straferkennntis nicht messbar begründet, warum der „störende Lärm", im gegenständlichen Fall die zwei gefallenen Worte, als ,,ungebührlich" zu beurteilen sei. Außerdem dürfe jeder souveräne Bürger, wie auch der Beschwerdeführer in Ausübung seiner journalistischen Tätigkeit, der einer bedrohlichen Situation (wie der massive Polizeieinsatz sich dargestellt habe) gegenüberstehe, einen Ausdruck der Empörung auch lautstark als Eigenschutz und Fremdschutz von sich geben.
Dem angefochtenen Straferkenntnis liegt die Anzeige der Landespolizeidirektion Wien, EA 5-Bereitschaftseinheit, vom 26.02.2022 zugrunde, der zufolge am 20.01.2022, um 11:20 Uhr, der 3. Zug der Bereitschaftseinheit Wien anlässlich der Nationalratssitzung zum Thema Impfpflicht nach Wien 1, Josefsplatz, beordert worden sei. Innerhalb der dortigen Bannmeile seien immer wieder kleine Gruppen von Personen, die Fahnen schwenkend immer wieder gebrüllt haben, anwesend gewesen. Der Beschwerdeführer habe wahrgenommen werden können, wie dieser um 11:30 Uhr nächst dem Denkmal am Josefsplatz extrem lautstark,Schämt euch!" gebrüllt habe.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:
Gemäß § 1 Abs 1 2 2 WLSG (idF LGBI. Nr. 51/1993) ist mit Geldstrafe bis zu 700 Euro, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind unter „störendem Lärm" Geräusche zu verstehen, die wegen ihrer Lautstärke für das menschliche Empfindungsvermögen unangenehm in Erscheinung treten. Lärm ist dann störend, wenn er wegen seiner Art und/oder seiner Intensität geeignet ist, das Wohlbefinden normal empfindender Menschen zu stören, wobei die Erfahrungen des täglichen Lebens ausreichen, dies zu beurteilen. Nicht schon die Erregung von störendem Lärm ist aber strafbar, sondern es muss noch ein zweites Tatbestandsmerkmal hinzukommen, dass nämlich dieser störende Lärm ungebührlicherweise erregt wurde. Davon ist auszugehen, wenn das Tun oder Unterlassen, das zur Erregung des Larms führt, gegen ein Verhalten verstößt, wie es im Zusammenleben mit anderen verlangt werden muss, das heißt, es muss jene Rücksichten vermissen lassen, die die Umwelt verlangen kann (vgl ua VwGH 18.02.2015, Ra 2015/03/0013).
Bei der Frage der Ungebührlichkeit der Lärmerregung kommt es nicht nur auf die Lautstärke, sondern auch auf deren Dauer und Heftigkeit an. Entscheidend ist, dass die Lärmerregung nach einem objektiven Maßstab geeignet erscheint, von nicht beteiligten Personen als ungebührlich und störend empfunden zu werden (vgl VwGH 13.03.1978, 2790/76). Der objektive Maßstab ist unter Zugrundelegung der tatsächlichen Gegebenheiten in jedem Fall nach seinen konkreten Begleitumständen zu finden (vgl VwGH 05.09.2018, Ra 2018/03/0027, mwN). Es kommt deshalb nicht darauf an, ob bestimmte Personen den Lärm als ungebührlich empfinden (vgl VwGH 20.02.1984, Ra 2020/03/0171). 83/10/0268, 05.09.2018, Ra 2018/03/0027, und 24.02.2021,
Im vorliegenden Fall war aufgrund der Angaben in der Anzeige im Zusammenhalt mit der Rechtfertigung des Beschwerdeführers davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer am 20.01.2022, um 11:30 Uhr, in 1010 Wien, am Josefsplatz in der Nähe des Denkmals, wo sich anlässlich der Nationalratssitzung zum Thema Impfpflicht kleinere Gruppen von immer wieder brüllenden und Fahnen schwenkenden Personen versammelt gehabt haben, durch Schreien der Worte „Schämt euch!" seinen Unmut gegen das im unmittelbaren Zusammenhang stehende vermeintlich ungerechtfertigte Einschreiten der Polizeiorgane kundgetan hat.
Aufgrund der konkreten Tatumstände war jedoch die vom Beschwerdeführer in der Mitte des Josefsplatzes, auf dem ebenso kleinere Gruppen brüllender und Fahnen schwenkender Personen aufhältig waren, wenngleich lautstark von sich gegebene Äußerung Schämt euch!" nicht als Lärm, der die umstehenden Personen gestört hat bzw für sich betrachtet eine Störung bewirken konnte und vom Beschwerdeführer auch in ungebührlicher Weise erregt worden ist, zu qualifizieren.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Artikels 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Gemaß § 25a Abs 4 VwGG ist überdies eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) gesetzlich ausgeschlossen, da keine höhere Geldstrafe als 750 Euro und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis keine höhere Geldstrafe als 400 Euro verhängt wurde.
Belehrung
Gegen dieses Erkenntnis besteht die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung des Erkenntnisses durch eine bevollmächtigte Rechtsanwältin bzw einen bevollmächtigten Rechtsanwalt abzufassen und beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für die Beschwerde ist eine Eingabengebühr von 240 Euro beim Finanzamt Österreich, Dienststelle Sonderzuständigkeiten, zu entrichten.
Da für den vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs 4 VwGG eine Revision wegen Verletzung in subjektiven Rechten (Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG) ausgeschlossen ist, ist für den Beschwerdeführer eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.
Der belangten Behörde steht die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof offen. Diese ist innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung der Entscheidung beim Verwaltungsgericht Wien einzubringen.
Für den Beschwerdeführer besteht die Möglichkeit, Verfahrenshilfe für das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu beantragen. Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe sind, dass die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Der Antrag auf Verfahrenshilfe ist innerhalb der oben genannten sechswöchigen Beschwerdefrist unmittelbar beim Verfassungsgerichtshof einzubringen.
Ferner besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Der Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision bzw Beschwerde nicht mehr zulässig ist.
Ergeht an:
1) Herrn Herbert Friesacher, 1220 Wien, Mendelssohngasse 12/8, RSb
2) Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Innere Stadt, 1010 Wien, Deutschmeisterplatz 3, mit Akt, ZNW
Mag. Lammer