Kinderarmut + Kinderrechte

Beitragsseiten

27. Mai 2024 - Andi Babler @AndiBabler twittert: „Der Kampf gegen Kinderarmut ist mir ein Herzensanliegen. Ich spende meine gesamten Bundesratsbezüge - großteils für ein Projekt gegen Kinderarmut. Das ist mein persönlicher Beitrag, aber lösen müssen wir das auf politischer Ebene: Österreich braucht eine Kindergrundsicherung. Jedes 5. Kind in Österreich lebt in Armut oder ist von Armut bedroht. Das bedeutet: Kein warmes Mittagessen. Kein Geld für den Sportverein. Kalte Wohnungen voller Schimmel. Exklusion und schwere gesundheitliche Folgen. Diesen Zustand dürfen wir keine Sekunde länger hinnehmen. Wir machen Politik mit Herz und Hirn. Wer keine Kindergrundsicherung will, dem fehlt beides. Denn die Folgen von Kinderarmut kosten die Republik jährlich 17 Mrd. Euro. Die Abschaffung von Kinderarmut ist neben allem anderen also auch eine wirtschaftlich sinnvolle Investition. Alles zu unserem 3-Säulen-Modell und unserer heutigen gemeinsamen Pressekonferenz mit @erichfenninger.

Babler und Kinder

HTH antwortet: 2011 (unter Kanzler Faymann) hat Österreich ein eigenes Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern erhalten. Bitte um Mitteilung, wie Sie demnächst im NR dieses Gesetz ändern werden. 

Zweifelhafte Qualität unserer Gesetzgebung + Politische Ästhetik + Anästhetik

Bereits am 20. November 2020 analysierte HTH den verfassungsjuristischen Unfug zu Tag der Kinderrechte (erstmals erschienen auf thurnhofer.cc):

Anlässlich des Tages der Kinderrechtehaben ICI – die Initiative für evidenzbasierte Corona-Informationen und die Aktion „Kinderrechte während Corona“ am 20. November 2020 zu einer Kundgebung vor der Votiv-Kirche in Wien aufgerufen. „Die größten Opfer der Corona-Krise sind unsere Kinder“, sagte der Jurist Reinhard Raunig-Peneder. Aktuell bereitet ICI auch eine Verfassungsklage gegen das faktische Sperren der Schulen vor. (Details siehe APA OTS)

2011 (unter der Regierung Faymann I mit Vizekanzler Josef Pröll) hat Österreich ein eigenes Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern erhalten. Auf den ersten Blick ist dieses Verfassungsgesetz ein großer Wurf, der Kinder als vollwertige Menschen mit eigenen Interessen konstituiert (Artikel 1 und 4) und das Recht auf gewaltfreie Erziehung garantiert (Artikel 5). Das impliziert natürlich auch, dass Kinderarbeit verboten ist (Artikel 3).

Dieses gute Werk an den Kindern wird zum Machwerk durch den Artikel 7, der – wie so oft in der österreichischen Verfassung – klar getroffene Festsetzungen umgehend relativiert: „Eine Beschränkung der in den Artikeln 1, 2, 4 und 6 dieses Bundesverfassungsgesetzes gewährleisteten Rechte und Ansprüche ist nur zulässig, insoweit sie gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."

Eine Beschränkung ... ist nur zulässig, insofern sie gesetzlich vorgesehen ist“, ist juristisches Larifari, denn in einem Rechtsstaat ist immer nur zulässig, was gesetzlich vorgesehen ist. Doch dass eine Beschränkung von Grundrechten, die hier klipp und klar formuliert und kinderleicht zu verstehen sind, durch einfache Gesetze überhaupt ermöglicht wird, dass also Verfassungsrecht durch einfaches Recht ausgehebelt werden kann und die Möglichkeit der Aushebelung in der Verfassung gleich mal verankert wird – das ist verfassungsjuristischer Unfug!

Erste konkrete ANWENDUNG des Artikel 7 bezugnehmend auf die Beschränkungsmöglichkeit von Artikel 1: „Eine Beschränkung des … ANWENDUNG: Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge (Artikel 1) … ist nur zulässig, insoweit sie … in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit ...notwendig ist.“ Ich wiederhole: das ist verfassungsjuristischer Unfug!

Zweite konkrete ANWENDUNG des Artikel 7 bezugnehmend auf die Beschränkungsmöglichkeit von Artikel 1: „Eine Beschränkung des … ANWENDUNG: Anspruch … auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung (Artikel 1) … ist nur zulässig, insoweit sie … für ... das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen...notwendig ist.“ Ich wiederhole: das ist verfassungsjuristischer Unfug!

Dritte konkrete ANWENDUNG des Artikel 7 bezugnehmend auf die Beschränkungsmöglichkeit von Artikel 2: „Eine Beschränkung des … ANWENDUNG: Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen (Artikel 2) … ist nur zulässig, insoweit sie … zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“ Ich wiederhole: das ist verfassungsjuristischer Unfug!


Hier der Wortlaut des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel 1 Jedes Kind hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für sein Wohlergehen notwendig sind, auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen auch unter dem Gesichtspunkt der Generationengerechtigkeit. Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher und privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.

Artikel 2 (1) Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen. (2) Jedes Kind, das dauernd oder vorübergehend aus seinem familiären Umfeld, welches die natürliche Umgebung für das Wachsen und Gedeihen aller ihrer Mitglieder, insbesondere der Kinder ist, herausgelöst ist, hat Anspruch auf besonderen Schutz und Beistand des Staates.

Artikel 3 Kinderarbeit ist verboten. Abgesehen von gesetzlich vorgesehenen begrenzten Ausnahmen darf das Mindestalter für den Eintritt in das Arbeitsleben das Alter, in dem die Schulpflicht endet, nicht unterschreiten.

Artikel 4 Jedes Kind hat das Recht auf angemessene Beteiligung und Berücksichtigung seiner Meinung in allen das Kind betreffenden Angelegenheiten, in einer seinem Alter und seiner Entwicklung entsprechenden Weise.

Artikel 5 (1) Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seelischen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung. (2) Jedes Kind als Opfer von Gewalt oder Ausbeutung hat ein Recht auf angemessene Entschädigung und Rehabilitation. Das Nähere bestimmen die Gesetze.

Artikel 6 Jedes Kind mit Behinderung hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die seinen besonderen Bedürfnissen Rechnung tragen. Im Sinne des Artikel 7 Abs. 1 B-VG ist die Gleichbehandlung von behinderten und nicht behinderten Kindern in allen Bereichen des täglichen Lebens zu gewährleisten.

Artikel 7 Eine Beschränkung der in den Artikeln 1, 2, 4 und 6 dieses Bundesverfassungsgesetzes gewährleisteten Rechte und Ansprüche ist nur zulässig, insoweit sie gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Artikel 8 Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut.

Nachsatz HTH: Sieben Jahre und mehrere Regierungswechsel hat es gebraucht um diesen verfassungsjuristischen Unfug zu fabrizieren. Schon am 2. Februar 2004 berichtete Der Standard über den Plan für diesen Verfassungszusatz.