Die dunkle Seite der ESG-Ziele

Von Conrad Pramböck, CEO bei Upstyle Consulting

4. August 2023 - (Der Artikel erschien zuerst auf HRweb.atDer stetige Anstieg des Bewusstseins für umweltfreundliche, sozialgerechte und ethische Geschäftspraktiken hat zur Entwicklung und Implementierung der ESG-Ziele (Environmental, Social, Governance) geführt.

Doch während diese Ziele auf den ersten Blick als Schritte in die richtige Richtung für eine bessere, inklusivere und umweltfreundlichere Welt erscheinen mögen, bergen sie eine Reihe von Fallstricken und Problemen, die oft übersehen werden. Daher beschäftigen wir uns heute mit der dunklen Seite und politischen Einfluss auf Unternehmenspolitik.

Conrad Pramböck screen

Greenwashing

Mit dem Aufstieg der ESG-Bewegung heben viele Unternehmen ihre Bemühungen in Sachen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung durch geschicktes Marketing und ausgeklügelte PR-Strategien hervor. Doch oft ist dies nur ein Versuch, ein grünes Image zu schaffen, ohne substanzielle Änderungen an den zugrunde liegenden Geschäftspraktiken vorzunehmen.

Wenn etwa ein Unternehmen Dienstwagen in seinem Unternehmen abschafft, um den eigenen CO2-Ausstoß zu senken, ist dies reine Augenauswischerei, um sich ein sauberes Image zu geben. Die Vertriebsmitarbeitenden fahren stattdessen mit ihren Privatfahrzeugen zu der Kundschaft, und die Umwelt spürt überhaupt keine Verbesserung. In die gleiche Kerbe schlägt die deutsche Bundesregierung, wenn sie ihre Atomkraftwerke im Jahr 2023 abschaltet, um in Folge Atomstrom aus dem Ausland, etwa aus Frankreich, einzukaufen.

Quotenpolitik

Während die Bemühungen, ein diverses und inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, durchaus lobenswert sind, können sie in der Praxis zu besonderen Herausforderungen für die Mitarbeitenden führen. Beispielsweise kann eine übermäßige Betonung einer vermeintlichen Vielfalt dazu führen, dass bestimmte Quoten erfüllt werden müssen, anstatt sich auf die Fähigkeiten und Leistungen der Beschäftigten zu konzentrieren. Frauen werden in manchen Unternehmen nicht in verantwortungsvolle Positionen befördert, weil sie sich durch Leistung qualifiziert haben, sondern um eine Frauenquote zu erfüllen. Dies demotiviert nicht nur Frauen, die sich als Quotenfrauen fühlen, sondern auch Männer, die wissen, dass sie angesichts einer noch geringen Frauenquote nur geringe Chancen auf Aufstieg in der Organisation haben, da Frauen auf absehbare Zeit bevorzugt behandelt werden.

Finanzielle Anreize für politische Konformität

ESG hat ein Anreizsystem geschaffen, das die Politik in die Unternehmen hineinträgt. Nicht mehr die Kundschaft steht im Mittelpunkt, sondern die Erfüllung von politischen Zielen. Politik hat jedoch im Verhältnis zwischen Unternehmen und Kundschaft nichts verloren. Es ist eine gefährliche Entwicklung, wenn Konformität zu politischen Zielen stärker belohnt wird als Kundenzufriedenheit, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und gutes Service. Ein Fahrgast, dessen Zug einige Stunden verspätet ist, hat keinen Mehrwert davon, wenn die Schaffner sich als Frauen definieren, in kurzen Röckchen herumlaufen und bunte Regenbogenfahnen schwingen.

Das Unternehmen profitiert sehr wohl finanziell davon, indem es seine ESG-Ziele besser erfüllt und dadurch leichter zu Krediten, öffentlichen Aufträgen und Investoren kommt. Diese Entwicklung ist aus Kundensicht rundherum abzulehnen.

Fazit

Die aktuelle ESG-Bewegung bringt sicherlich einige löbliche Aspekte mit sich. Doch es ist essenziell, dass wir uns nicht blindlings in diese Bewegung stürzen, ohne die potenziellen negativen Auswirkungen zu bedenken. Unternehmen müssen ihre Kundschaft und Mitarbeitenden im Auge behalten, während sie ihre ESG-Ziele verfolgen, um echte Verbesserungen zu erzielen und nicht nur Scheinerfolge für das gute Image. Und Politisierende müssen verantwortungsvoll handeln, indem sie finanzielle Anreize so gestalten, dass sie nicht zu Lasten der Kundenzufriedenheit gehen.

Nur so können wir einen echten, nachhaltigen Fortschritt in Richtung einer sozialeren und umweltgerechteren Wirtschaft erreichen.

Über Dr. Conrad Pramböck

CEO bei Upstyle Consulting und Experte für Gehalts- und Karrierefragen. Er berät Unternehmen weltweit zum Thema Gehalt und ist Lektor an verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen zu Compensation und Human Resource Management. Er ist Autor mehrerer Bücher über Gehalt und Karriere, unter anderem des Bestsellers "Die Kunst der Gehaltsverhandlung".

SIEHE AUCH: Dok-Film von Epoch Times: Der Schattenstaat: Auf den Spuren der ESG-Bewegung

Ergänzung 12. September 2023: Digitalexperte Martin Giesswein und Barbara Stöttinger, Dekanin der WU Executive Academy, empfehlen die Erweiterung von ESG zu ESDG, wobei "D" für Digital steht. Wahlweise sehen sie Bedarf CSR (Corporate Soial Responsibility) durch CDR (Corporate Digital Responsipility) zu erweitert. Für "Top Leader" analysieren die beiden Autoren Chancen, konkrete Anwendungsmöglichkeiten und ethische Überlegungen, die es beim Einsatz künstlicher Intelligenz im Human Ressource Management (HRM) zu beachten gibt. Sie empfehlen, vier Prinzipien bei Auswahl und Einsatz digitaler Tools im Unternehmen zu beachten:

"1. Partizipation der Mitarbeiter bei Planung und Erstellung von digitalen Werkzeugen – besonders bei ethischen Fragen.

2. Die Software-Entwicklung, besonders bei einer KI, muss transparent sein: Was passiert jetzt gerade im Umsetzungsprojekt, welche Daten werden verwendet, wie hoch ist die Verlässlichkeit?

3. Die KI muss sich selbst erklären (Stichwort: „explainable AI“): Wie kommt die Maschine zu ihrem jeweiligen Ergebnis und kann ich es leicht nachvollziehen?

4. Der Mensch ist Letztentscheider, und zwar basierend auf dem Input der Maschine UND der eigenen Erfahrung."

Siehe auch: IEEE 7000-2021

IEEE Standard Model Process for Addressing Ethical Concerns during System Design