von Hans Saenger
Der Autor wurde 1949 geboren, studierte Elektrotechnik an der TU Wien und verbrachte sein Berufsleben in der Elektroindustrie. Immer wieder schriftstellerische Versuche, die sich in den letzten zehn Jahren intensivierten. Der vorliegende Text ist Teil des zeitkritischen Essaybandes "Wider den Stachel", erschienen 2023 (Band 4 der Serie "Kleine Schriften". Siehe auch Band 3 "Fluewatch")
1. Einleitung
Als ob wir durch Corona nicht schon genug gebeutelt worden wären: Jetzt hat uns auch noch die Energiekrise erwischt. Jedermann spürt sie schmerzlich, besonders dort, wo wir alle am vulnerabelsten sind: in unserer Geldbörse.
Freilich ist die allgemeine Unwissenheit in energetischen Dingen, insbesondere was die Erzeugung von elektrischer Energie betrifft, groß. Sie verhält sich proportional zur Leidenschaft, mit der dieses Thema in der Öffentlichkeit diskutiert wird, und zwar mit maximaler Leidenschaft, doch leider mit minimalem Wissen. Wie in seinem Titel angedeutet, ist der Sinn des vorliegenden Essays daher, in hoffentlich verständlicher Form jenes Minimum an Wissen in diesen Dingen zusammenzutragen, um den Leser in die Lage zu versetzen, in diesen Fragen mitreden zu können und nicht nur mitzuschwätzen.
Elektrische Energie wird in Kraftwerken erzeugt. Freilich ist das schlampige Rede, denn nach dem Ersten Hauptsatz der Wärmelehre kann Energie weder erzeugt noch vernichtet, sie kann lediglich von einer Form in eine andere umgewandelt werden. Kraftwerke sind daher strenggenommen keine Energieerzeuger sondern Energiewandler. Sie wandeln die sogenannte Primärenergie in elektrische Energie um, und zwar in eine Form, in der diese von uns Menschen genutzt werden kann und zwar auf mannigfaltigste Art.
Wir sind von Primärenergieträgern umgeben. So ein Träger ist zum Beispiel das Holz. Schon unsere Vorfahren in der Steinzeit haben Holz energetisch genutzt, indem sie es gesammelt und mit ihm ein Feuer unterhalten haben, an dem sie sich, wenn es kalt war, wärmen konnten. Die Feuer der Steinzeit brannten zunächst im Freien, bis findige Steinzeitmenschen das Feuer zähmten, indem sie einen Energiewandler erfanden, der es ermöglichte, das Feuer auch zur Beheizung von Innenräumen zu verwenden. Solche Energiewandler sind auch heute noch in Gebrauch. Man nennt sie Öfen. Sie wandeln die dem Holz oder der Kohle innewohnende chemische Energie in Wärme um. Wie schon in der Steinzeit haben sie zwei Hauptaufgaben: erstens das Feuer einzuhegen, damit es nicht zerstörerisch um sich greifen kann; ihre zweite Aufgabe aber ist, die bei der Verbrennung entstehenden heißen Gase zu kanalisieren und sie durch Ausleitung ins Freie unschädlich zu machen.
Holz ist wohl der älteste Primärenergieträger, der von Menschen energetisch genutzt wurde. Die Energie, die ihm innewohnt, ist wie gesagt chemischer Natur. Durch Verbrennung wird sie in Wärme gewandelt. Was für das Holz gilt, gilt auch für eine Reihe anderer Primärenergieträger, wie Kohle, Erdöl oder Erdgas. Auch in diesen ist chemische Energie gespeichert, welche durch Verbrennung in Wärme umgewandelt werden kann, diese aber mit Hilfe von weiteren Wandlern in andere Energieformen. Ein solcher Wandler ist zum Beispiel der Verbrennungsmotor, in welchem der aus dem Erdöl gewonnene Treibstoff verbrannt und in Bewegungsenergie umgewandelt wird. Weitere Beispiele sind unsere Wärmekraftwerke. Auch in ihnen werden Primärenergieträger verbrannt und die so entstehende Wärme in Bewegungsenergie umgewandelt, die Bewegungsenergie aber durch den Einsatz der Energiewandler „Turbine“ und „Generator“ in elektrische Energie.
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Kraftwerke haben in unserer Zivilisation die Aufgabe, elektrische Energie zu erzeugen. Mit Ausnahme von fotovoltaischen Solarkraftwerken ist allen gemeinsam, dass sie die Energie, die einem strömenden Medium innewohnt, nützen ― also seine kinetische Energie, wie die Physiker sagen ―, um einen Elektrizität erzeugenden Generator anzutreiben. Dabei kann es sich um eine natürliche Strömung handeln, wie zum Beispiel den Wind, der ein Windrad antreibt. Vorläufer unserer heutigen Windkraftanlagen sind die Windmühlen; mit ihrer Hilfe haben die Holländer nicht nur ihr Korn gemahlen, sondern auch die gewaltige Aufgabe bewältigt, ihr Land trockenzulegen. Die Strömung, die eine Turbine und einen Generator antreibt, kann aber auch eine durch eine spezielle Apparatur hervorgerufene künstliche sein, wie zum Beispiel die Strömung des expandierenden Dampfes in einem Dampfkraftwerk.
Eine Zwitterstellung nimmt das strömende Wasser eines Wasserkraftwerkes ein. Zwar strömt das Wasser von Natur aus, doch hilft der Mensch zum Teil gehörig nach, damit ein Maximum der dem strömenden Wasser innewohnenden Energie einer Turbine zugeführt wird, und Energie nicht dadurch verloren geht, indem das fließende Wasser die Steine des Flussgrundes mahlt. Das führt uns zu einem weiteren archaischen Energiewandler: der Mühle. In einer solchen wird die Bewegungsenergie des strömenden Wassers umgewandelt und für menschliche Zwecke nutzbar gemacht. Beispiele solcher natürlicher Medien sind von alters her das Wasser eines Baches, das ein Mühlrad antreibt. Unschwer kann man im archaischen Mühlrad den Vorläufer der Turbinen eines modernen Wasserkraftwerkes erkennen.