Meinungsumfragen: die Bundes-Präsidentenwahl

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27. März 2022 - Meinungsforschungsinstitute erforschen Meinungen - wie der Name schon sagt. Ob sie tatsächlich forschen oder auch nur Meinungen abfragen, darf bezweifelt werden. Vielmehr ist die Stimmungsmache (meist im direkten Auftrag einer Partei) das Geschäft OGM, GFK, IFES und Co. Bei kritischer Betrachtung ist so manche Frage skurril, ominös oder ganz einfach überflüssig. So hat das Institut Public Opinion Strategies von Peter Hajek im Februar 800 Personen mit folgender Frage behelligt: "Wünschen Sie sich einen Gegenkandidaten oder Gegenkandidatin zu Alexander van der Bellen?"

Der Standard hat über das Ergebnis der Umfrage, die im Auftrag von ATV und APA durchgeführt wurde, berichtet: "Hälfte der Österreicher für einen Gegenkandidaten zu Van der Bellen". Im Detail wollen 38% "auf jeden Fall"und 12% "eher schon" eine/n Gegenkandidat/in. Aufgegliedert nach Parteizugehörigkeit oder Parteipräferenzen:

PARTEI: auf jeden Fall + eher schon = gesamt

FPÖ: 84 + 7 = 91

ÖVP: 27 + 17 = 44

SPÖ: 25 + 12 = 37

NEOS: 19 + 15 = 34

Grüne 14 + 17 = 31

Die Grünen erweisen sich - nicht nur hier - als Schlusslicht im demokratischen Bewusstsein dieses Landes! Lediglich 14 Prozent der Grünen wollen "auf jeden Fall" einen Gegenkandidaten. Anders gesagt: nur noch eine Randgruppe der Grünen (oder deren Sympathisanten) hält es für essenziell, dass es in unserer Demokratie eine echte Wahl gibt! Die anderen Parlaments-Parteien stehen nicht viel besser da. "Auf jeden Fall" einen Gegenkandidaten wollen 19 Prozent der Neos, 25 Prozent der SPÖ und immerhin 27 Prohent der ÖVP. Bei der FPÖ, die in der Opposition wieder auf Bestform aufgelaufen ist, ist die absolute Mehrheit von 84 Prozent für eine echte Wahl. Das ist Demokratie 2022.

Fragen tragen zur Bewusstseins-Bildung bei. Das ist evident. Fragen, die gestellt werden, regen zum Nachdenken an. Fragen, die nicht gestellt werden, können nicht beantwortet werden. Fragen, die tendenziös oder suggestiv sind, geben den Rahmen einer Antwort bereits vor. Ein aufgeklärter Respondent hätte in diesem Fall die Antwort gegeben: ob es einen Gegenkandidaten geben soll oder nicht, hängt nicht von meinem Willen ab, sondern von den Prinzipien unserer Demokratie! Natürlich auch davon, wie wir diese Prinzipien verwirklichen. Unabhängig davon, wie vertrottelt eine Frage daherkommt, so ist es am Ende immer der Systemtrottel, der in die Falle tappt.

"Wer erkennt, dass er bislang ein Systemtrottel war, der nützliche Idiot falscher Versprechen und perfider Profiteure, muss Wut empfinden. Wut ist ein Lebenszeichen; der Ausdruck eines Gewissens, das Ungerechtigkeiten gegenüber nicht gleichgültig ist. [...] Der Gärtner ist das Gegenbild zum Systemtrottel. Den Systemtrottel nennen wir so, weil er im Hamsterrad trottet - und dieses Hamsterrad hat System. Er ist ein Trottel, weil er nicht den Mut hat, seinen Verstand einzusetzen und innezuhalten. Er hat Angst davor, aus dem Laufrad zu fallen und dann ganz allein dazustehen. Diese Angst vor der Freiheit, seinen eigenen Weg zu gehen, ist Angst vor Verantwortung. Doch die Bequemlichkeit, der Verantwortung auszuweichen und sie zu delegieren, hat einen hohen Preis: eben die Freiheit", schrieben die Philosophen Eugen Maria Schulak und Rahim Taghizadegan im Jahr 2011 in ihrem Buch "Vom Systemtrottel zum Wutbürger".

Die politische Aktivistin Christa Strahlhofer hat auch eine Meinung zu der gestellten Frage. Sehenswert!