"Unser gemeinsames Haus"
Legendär wurde Gorbatschows Aussage über Europa als unser gemeinsames Haus. Hier einige Zitate aus dem Kapitel "Europa in der sowjetischen Außenpolitik".
"Im Westen geht das Gerücht um, daß Europa von den Kommunisten gespalten wurde. Doch was ist mit der Fulton-Rede Churchills? Oder mit der Truman-Doktrin. Die politische Teilung Europas wurde von denjenigen vorangetrieben, die den Zusammenbruch der Anti-Hitler-Koalition herbeiführten, den Katen Krieg gegen die sozialisitschen Länder in Gang setzten und den NATO-Block als ein Instrument der militärpolitischen Konfrontation in Europa einrichteten. Es soll nochmals wiederholt werden, daß der Warschauer Pakt erst nach der Gründung der NATO unterzeichnet wurde. Infolge des NATO-Bündnisses wurde Europa erneut vor einen Kriegskarren gespannt, der dieses Mal mit Atomwaffen beladen war."
"Sobald der sozialistische Einluß nachläßt, kommt es verstärkt zu militaristischen und machtpolitischen Bestrebungen. [...] Wir müssen uns gemeinsam abwenden von einer Politik der Konfrontation und des militärischen Wettstreits hin zu friedlicher Koexistenz und zu einer für beide Seiten nützlichen Zusammenarbeit. Nur unter dieser Voraussetzung kann unser Kontinent vereint werden."
"Europa ist unser gemeinsames Haus. [...] das Haus ist ein gemeinsames, das ist richtig, aber jede Familie hat darin ihre eigene Wohnung, und es gibt auch verschiedene Eingänge. Doch nur zusammen, gemeinschaftlich, und indem sie die vernünftigen Regeln der Koexistenz befolgen, können die Europäer ihr Haus bewahren, [...] ich habe mit dem deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker ausführlich über dieses Thema gesprochen. Er erklärte, daß die menschen in Westdeutschland der Parole von einem 'gemeinsamen europäischen Haus' aufmerksam Gehör schenken."
"Wir können nur vermuten, wie Deutschland heute aussehen würde, wenn es das Potsdamer Abkommen in seiner Gesamtheit erfüllt hätte. [...] Was jetzt wichtig ist, ist der politische Aspekt. Es git zwei deutsche Staaten mit unterschiedlichen Gesellschaftlichen und politischen Systemen. Jeder hat seine eigenen Wertvorstellungen. Beide haben aus der Geschichte Lehren gezogen, und jeder von ihnen kann einen Beitrag leisten für die Sache Europas und der Welt. Und was in hundert Jahren sein wird, das soll die Geschichte entscheiden. Für die Gegenwart sollte man von den bestehenden Tatsachen ausgehen und sich nicht zu Spekulationen hinreißen lassen."
Der Fatalismus, den Gorbatschow mit diesen Worten zum Ausdruck bringt, war einer der Hauptgründe für sein Scheitern im eigenen Land. Im (naiven) Vertrauen auf die "Gesetze" des historischen Materialismus hat er übersehen, dass tatkräftige Politiker der Geschichte nicht einfach ihren Lauf lassen, sondern Geschichte schreiben, wenn sie die Zeichen der Zeit erkennen und aus einer Position heraus agieren, die ihnen ermöglicht, das Ruder zu übernehmen. Boris Jelzin in Russland und Helmut Kohl in Deutschland waren die Männer, die das Ruder herumgerissen haben. Es ist eine andere Geschichte, dass jene, die den neuen Kurs einschlagen, nicht jene sind, die das Ziel auch erreichen, das sie ansteuern.