22. Dezember 2022 - Nachdem der Demokratie-Monitor vor wenigen Wochen festgestellt hat, dass die Politik in Österreich einen massiven Vertrauensverlust zu verzeichnen hat, kommt nun das Wissenschafts-Barometer der Akademie der Wissenschaften ÖAW zu dem Ergebnis, dass rund ein Drittel der Österreicher den Wissenschaften nicht mehr vertrauen. Dabei schneiden die österreichischen Wissenschafter noch besser ab als ihre KollegInnen in Deutschland und der Schweiz (siehe Grafik)
ÖAW im Wortlaut: "Zwar geben immerhin mehr als die Hälfte der Befragten im Land an, dass sie durchaus Interesse an Wissenschaft und Forschung haben. Allerdings: Nur ein Viertel der österreichischen Bevölkerung zeigt sich sehr stark interessiert. Abermals: Im Ländervergleich befindet sich Österreich mit diesen Zahlen auf ähnlichem Niveau mit Deutschland, während in der Schweiz sogar nur 17 Prozent der Befragten sehr großes Interesse an der Wissenschaft bekunden.
Doch wie wichtig ist es den Menschen in Österreich, sich über Wissenschaftsthemen zu informieren? Obwohl zwei Drittel der Bevölkerung betonen, dass dies sehr wichtig sei, suchen nur 44 Prozent gezielt nach entsprechenden Informationen. Der Anteil derjenigen, die sich für gut informiert halten beträgt dementsprechend nur 37 Prozent. Das Internet – und hier allen voran Wikipedia und Youtube – ist mit Abstand die wichtigste Quelle für Wissenschaft und Forschung, gefolgt von ORF, Print-Tageszeitungen und anderen TV-Sendern. Andere Radiosender als jene des ORF führen kaum zu Kontakten mit Wissenschaftsthemen.
Wissenschaft versus Hausverstand
Zwar keine Mehrheitsmeinung, aber beachtliche Zustimmungsanteile wurden im aktuellen Wissenschaftsbarometer für wissenschaftsskeptische Aussagen erhoben. So glaubt etwa ein Drittel der Befragten, dass wissenschaftliche Expert:innen mit 'Politik und Wirtschaft unter einer Decke stecken'. Ebenso viele denken, dass man im Zweifelsfall mehr der 'Lebenserfahrung einfacher Menschen' vertrauen sollte als den Einschätzungen von Wissenschaftler:innen. Noch weiter verbreitet ist mit 37 Prozent die Ansicht, dass man sich mehr auf den 'gesunden Menschenverstand' verlassen sollte als auf wissenschaftliche Studien."
Dem ÖAW-Präsidenten Heinz Faßmann (Ex-Wissenschaftsminister) fällt dazu nichts besseres ein als: "Die Autorität unseres Wortes reicht nicht mehr, wir müssen in einem höheren Ausmaß als je zuvor erklären, vermitteln und überzeugen. Das betrachte ich als dringenden Auftrag an die Politik und die Wissenschaft selbst." Statt Betroffenheits-Rhetorik sollte der oberste Wissenschafter der Landes einmal das tun, was Wissenschaft ausmacht: Fragen stellen, Theorien bilden und Schlüsse ziehen.
- Was haben die Wissenschafter in den vergangenen zwanzig Jahren getan, um die Freiheit der Wissenschaften durchzusetzen?
- Was haben die Wissenschafter in den vergangenen drei Jahren getan, um sich gegen das politische verordnete Diskursverbot zur Wehr zu setzen?
Sicher keine Überraschung ist das Ergebnis, dass 56 Prozent der Befragten einen zu großen Einfluss von Politik, 44 Prozent einen zu großen Einfluss von Wirtschaft auf die Wissenschaft sehen. Umgekehrt sehen dies nur jeweils rund 20 Prozent so. Die Akademie plant nun zielgruppenspezifische Programme für die Wissenschaftsvermittlung. Das ist so vielversprechend wie nichtssagend. Besser wäre eine Analyse der Ursachen und darauf folgende Maßnahmen. Beispielsweise bei der Einforderung des Bildungsauftrags des ORF, der für wissenschaftliche Fragen weniger abgerufen wird als Wikipedia und youtube (siehe Grafik). Da geht es ausnahmsweise nicht um "Hineinregieren" und politische Einflussnahme auf den Regierungsfunk, sondern um die Kontrolle der Einhaltung eines Verfassungsgesetzes.