Politische Ästhetik: Neueröffnung des Parlaments

12. Jänner 2023 - mit einem Festakt wurde das Parlament heute feierlich eröffnet. Niemand geringere als Wolfgang Schäuble (80), seit 50 Jahren ununterbrochen Mitglied des Deutschen Bundestages und nun sein Alterspräsident, wurde als Festredner eingeladen. Ausgerechnet jener Vasalle der USA, der Putin mit Hitler verglichen hat. Nicht erst im Mai 2022 (siehe Bericht n-tv.de), sondern das erste Mal bereits als Oberlehrer der Nation vor einer deutschen Schulklassse im März 2014 (siehe Bericht spiegel.de).

Parlament Neueröffnung

Die Parlaments-Korrespondenz (ebenfalls runderneuert die Webseite parlament.gv.at) berichtet:

"Die Grundsanierung des historisch wertvollen Erbes des Parlamentsgebäudes und seine Weiterentwicklung zur modernen Wirkungsstätte des Parlamentarismus sei ein starkes Zeichen der Wertschätzung für die Demokratie, sagte der Festredner einleitend. Die Würdigung dieser Leistung sei zugleich ein guter Anlass, über den Wert der parlamentarischen Demokratie nachzudenken. Denn die Demokratie müsse immer wieder neu erarbeitet werden, sagte Schäuble. Er widmete seine weiteren Ausführungen einem aus seiner Sicht oft verkannten demokratischen Grundprinzip, der Repräsentation. Dieses unverzichtbare Prinzip sei heute dadurch herausgefordert, dass Repräsentation immer öfter mit Repräsentativität verwechselt werde. Abgeordnete seien aber nicht nur Vertreter:innen bestimmter Regionen oder einzelner gesellschaftlicher Gruppen, sondern des ganzen Volkes, betonte der Festredner."

Repräsentation als "demokratisches Grundprinzip" impliziert, dass eine Weiterentwicklung der Repbulik Österreich zu einer direkten Demokratie ausgeschlossen wird. Schäuble "repräsentiert" mit dieser Festsetzung durchaus die Parteien-Interessen unseres Landes, aber nicht die Interessen des Volkes, das schon lange eine Weiterentwicklung unserer Demokratie fordert und dafür auch schon zahlreiche Konzepte  entwickelt hat, u.a. Bürgerparlament, Basisdemokratie, Liquid Democracy. Der Tenor der Wortspenden zur Eröffnung des Parlaments beweist: Das Parlament als historisches Gebäude ist renoviert und zukunftstauglich, aber der Parlamentarismus bleibt weiterhin eine Baustelle, die in alle Ewigkeit stagniert, wenn es nach den Repräsentanten unserer Demokratie geht! Das Buch "Baustelle Parlament. Warum die österreichische Verfassung für das 21. Jahrhundert nicht geeignet ist" bleibt aktueller denn je.

Frage am Rande: Wo war eigentlich das österreichische Staatsoberhaupt bei diesem Staatsakt? VdB eröffnet reihenweise Festspiele, aber zur Eröffnung des Parlaments hat er nichts zu sagen?

Parlamentskorrespondenz Nr. 16/2023

Festrede von Wolfgang Schäuble

Beiträge der Fraktionen

Festakt-Video zur Eröffnung des sanierten Parlamentsgebäudes