Kreutner Bernhard: Gefangener 2959

Die Internationale Gedenk- und Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen am 16. Mai 2021 widmete sich der Vielfalt der Opfergruppen, die von den Nationalsozialisten verfolgt, vertrieben, interniert und ermordet wurden. Dazu zählt der Priester Heinrich Maier, der kurz vor Ende des Krieges im Wiener Landesgericht hingerichtet wurde. Der Autor Bernhard Kreutner hat die Geschichte von Maiers kurzem Leben erforscht.

Denkmal opfern des faschismus

 

Nach Mauthausen wurde Maier im November 1944 überstellt. Wenige Wochen davor wurde er vom Volksgerichtshof im Wiener Landesgericht zum Tode verurteilt, weil er laut Urteil „in den Jahren 1942 bis 1944 durch Beteiligung an einem separatistischen Zusammenschluß den Hochverrat vorbereitet und dadurch die Feinde unseres Reiches begünstigt“ hat. In Mauthausen wurde er direkt in den Bunker gesteckt. Das „Gefängnis im KZ“ war die Hölle in der Hölle und vom „normalen“ Lagerleben getrennt. Deshalb scheint Heinrich Maier nicht einmal auf der Insassenliste des KZ Mauthausen auf. Im Jänner 1945 wurde der Priester zurück an das Wiener Landesgericht gebracht, wo er am 22. März enthauptet wurde.

Heinrich Maier, geboren 1908 in ärmlichen Verhältnissen, maturierte 1926 und trat danach ins Wiener Priesterseminar ein. Ab 1928 studierter er in Rom und schloss sein Studium als Doktor der Philosophie bereits zwei Jahre später mit Auszeichnung ab. Die Priesterweihe erhielt er 1932, ab 1935 war er Kaplan in der Pfarrkirche Gersthof. Er war bei den Jugendlichen, mit denen er Fußball spielte, ebenso beliebt wie in Wiener Salons, wo er mit seiner Rhetorik brillierte. Dass er ab 1942 eine Widerstandsgruppe organisierte, blieb diesen Kreisen natürlich verborgen.

Am 28. März 1944 wurde Heinrich Maier unmittelbar nach dem Gottesdienst verhaftet und in die berüchtigte Gestapozentrale am Wiener Morzinplatz verfrachtet. Wie ein Mann der Aktion des politischen Widerstandes, sowie der Reflexion philosophischer und schöngeistiger Fragen zur Kontemplation findet, versucht Kreutner in Form eines inneren Dialogs zu rekonstruieren. In den ersten Verhören noch angriffig wird der Priester später vorsichtiger. Die Folter hat seinen Willen nicht gebrochen, doch offenbar die Einsicht in die Endgültigkeit seiner Haft bestärkt. So bleibt die Spiritualität als Anker: „Ich muss über die Angst betend hinaus gehen. Die Liebe Gottes in allem finden. Jetzt heißt es Contemplatio statt Ratio. Nein, nicht statt. Von der Ratio zur Contemplatio. Vom Kopf ins Herz.“

Als Thema oder Anhaltspunkt seiner Kontemplation wählt Heinrich Maier das Vaterunser und verweilt bei der Zeile „Dein Reich komme […] Dein Reich ist in seiner Klarheit und Einfachheit so beglückend. Es schließt so viel ein und erklärt unser Sein und Streben, zumindest im Sinne eines Sollens und Dürfens. Es ist eine, nein, die Unterscheidung zwischen Gut und Böse im Sinne eines Geschenkes, das wir durch dankbares Streben annehmen dürfen.“

Der Kampf für das Reich Gottes in Konfrontation mit dem tausendjährigen Reich könnte reichlich Stoff für einen Polit-Thriller abgeben. Das Thema enthält aber auch noch genug unerforschten Stoff für die Geschichtsschreibung, wie Kreutner im zweiten Teil seines Buches moniert: „die Kirche zeigte über Jahrzehnte kaum ein Bemühen, ihre Widerstandskämpfer und Blutzeugen angemessen zu würdigen. Man sah anscheinend nur widerwillig hin, anstatt sich des Vaterunsers zu besinnen.“

Angesichts der Tatsache, dass zahlreiche „Stellvertreter Gottes“ weggeschaut haben oder ihr Amt sogar willfährig den Interessen des tausendjährigen Reiches untergeordnet haben, stellt Kreutner die Gewissensfrage: „Wie muss sich Kardinal Innitzer (stellvertretend für die Kirchenleitung) nach Kriegsende gefühlt haben, angesichts jener Priester und Ordensangehörigen, die ihren Widerstand mit dem Leben bezahlen mussten?“

Bernhard Kreutner

Gefangener 2959. Das Leben des Heinrich Maier - Mann Gottes und unbeugsamer Widerstandskämpfer.

Ecowin Verlag, 2021