Willaschek Marcus: Kant - Auszüge

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„Kants Ethik...: Es ist nicht das menschliche Leid und Wohlergehen, das ethisch ausschlaggebend ist, sondern allein die Würde es Menschen, die gegen nichts abgewogen werden kann. Das bedeutet natürlich nicht, dass Glück und Leid moralisch unerheblich sind, ganz im Gegenteil. Aber Glück und Leid sind komparative Größen, die von anderen Faktoren überwogen werden können. Krieg zu vermeiden und die Würde des Menschen zu respektieren, so Kant, sind dagegen absolute Gebote, die immer und überall zu beachten sind – selbst dann, wenn dies im Einzelfall einmal mehr Leid als Glück mit sich bringen sollte.“ (37)

„Kant hatte wie üblich alle Einladungen nach Berlin mit Hinweis auf seine Gesundheit ausgeschlagen. Aber 1777 kam [der Jude Moses] Mendelssohn zu Besuch nach Königsberg. Kant schrieb nach dem Besuch an Herz: ‚Einen solchen Mann, von so snafter Gemütsart, guter Laune und hellem Kopfe in Königsberg … zu haben, würde diejenige Nahrung der Seele sein, deren ich hier so gänzlich entbehren muss‘. Umgekehrt hatte Mendelssohn schon 1770 an Kant geschrieben, dass er sich im Rückblick wünsche als junger Mann ‚einen Kant zum Freunde gehabt‘ zu haben. Doch bei aller Freundschaft und wechselseitiger Bewunderung blieben Kant und Mendelssohn philosophisch Konkurrenten, ja Gegner.“ (50)

„Auch Kant, der seit den 1760er Jahren von Rouesseaus Werken zutiefst beeindruckt war, war in seinen Überlegungen zur Pädagogik stark von Rousseau beeinflusst. Wie dieser betrachtete Kant es als Aufgabe der Erziehung, dass ‚alle Naturanlagen im Menschen entwickelt‘ werden; das sie vollständig allerdings nicht im Individuum, sondern nur in der Gattung möglich.“ (75)

„Kant sieht eine seiner bedeutendsten Leistungen darin, den Gegensatz von Rationalismus und Empirismus überwunden zu haben, indem er die berechtigten Elemente beider Positionen miteinander verbindet. Seiner Auffassung nach vermittelt uns die Vernunft erfahrungsunabhängiges Wissen über die Realität: Darin hatten die Rationalisten Recht. Aber dieses Wissen bezieht sich nur auf Gegenstände unserer Erfahrung. Wissen über eine Welt jenseits aller sinnlichen Erfahrung, darin hatten die Empiristen Recht, kann uns die Vernunft nicht verschaffen.“ (92)

„Kant [versteht] Maximen nicht als gute Vorsätze, sondern als diejenigen Regeln, nach denen sich ein Mensch, bewusst oder unbewusst, auch tatsächlich richtet. Dahinter steht die Annahme, dass menschliches Handeln, sofern vernünftig, immer auch regelgeleitet ist.‘Vernünftig’ heißt hier nicht unbedingt, das Gute und Richtige zu tun, und es heißt auch nicht, kalt, berechnend und gegen Gefühlt und Intuition zu handeln. Es heißt vor allem, konsequent zu sein und sich nicht selbst zu widersprechen. […] Unserer Maximen sind wir uns in vielen Fällen nicht bewusst, aber sofern wir konsequent sind und uns nicht widersprechen, handeln wir nach ihnen. Die Gesamtheit dieser Regeln macht das aus, was Kant den ‚Charakter‘ oder die ‚Gesinnung‘ eines Menschen nennt. (101f)