Am Tag des Herrn, 8. Oktober 2023 - Seit der Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies steht die Arbeit unter dem Fluch "im Schweiße deines Angesichtes sollst du dein Brot essen" (1. Mose 3). Noch bis zum Ende des 19. Jahrhundert war die Befreiung der Arbeiterklasse verknüpft mit der (utopischen) Idee, dass diese Revolution dann vollendet sei, wenn die Befreiung des Menschen von der Arbeit an sich erreicht wäre. Das vergessen heute insbesondere die gewerkschaftlich organisierten Sozialisten, die sogar ein Recht auf Arbeit fordern. Damit finden sich im selben Boot wie die Vertreter der Wirtschaftskammer. Die "Arbeitnehmervertreter" im harmonischen Gleichklag mit den "Arbeitgebervertretern". So schickte heute (Sonntag!) Josef Herk, Präsident der WKO Steiermark, folgende Mail mit dem Tiitel: "Arbeit als Fluch?! Nicht mit uns!"
Illustration von Ernst Zdrahal
Sehr geehrter Herr Mag. Thurnhofer!
Der Philosoph Konrad Paul Liessmann kommt in seinem gestrigen Kommentar, dem die Kleine Zeitung sogar eine Titelseite gewidmet hat, zu einer sehr irritierenden Erkenntnis, die mich bestürzt hat. Er schreibt: "Die Teilzeitarbeit ist kein Missstand, sondern ein Zukunftsmodell." Als Unternehmer muss man das mindestens dreimal lesen, weil man aus dem ungläubigen Kopfschütteln nicht mehr herauskommt. Als Arbeitgeber sowieso.
Dass man im Zeitalter der Digitalisierung über Arbeitsmodelle sprechen muss, ist klar. Dass sich der Arbeitsmarkt verändert - auch klar! Aber dass Teilzeitarbeit die Zukunft sein soll, um sich "vom Fluch der Arbeit zu befreien" (Liessmann), das kann doch nicht wirklich ein ernst gemeinter Befund sein.
Der honorige, emeritierte Philosophieprofessor Liessmann mag unbestritten die Geschichte der Arbeit sehr gut kennen, über die aktuellen Probleme der Unternehmerinnen und Unternehmer weiß er aber offensichtlich gar nichts. Wenn aus dieser Unkenntnis in weiterer Folge eine ernstgemeinte Prognose für die Zukunft erstellt wird, dann wird es gefährlich.
Unsere Wirtschaft, unser Wohlstand, unser Erfolg als Wirtschaftsstandort - all das beruht darauf, dass wir Einsatz zeigen, Leistung erbringen und Arbeit nicht als bösen Fluch, sondern als erfüllende Tätigkeit wahrnehmen. Ja, das kann manchmal anstrengend sein. Aber es zahlt sich aus. Denn Leistung muss sich immer lohnen!
Mit unternehmerischen Grüßen, Josef Herk.
Diese Position des KW-Steiermark-Vorsitzenden entspricht exakt der Haltung des damaligen Sozialministers Rudolf Hundstorfer, der in einem Interview mit HTH 2009 sagte: "Arbeit ist dort, wo ich regelmäßig einer Beschäftigung nachgehe und diese Beschäftigung mir zu meinem Broterwerb dient. Das ist Arbeit." (Quelle: thurnhofer.cc)
Seit diesem Plädoyer für ein Grundeinkommen 2009 publiziert HTH regelmäßig in verschiedenen Medien, dass es notwendig sei "Neu über Arbeit nachzudenken" (u.a. 2018 im Netzwerk Ethik) und die Begriffe Leistung vom Lohn bzw. Einkommen und Arbeit von der Lohnarbeit zu entkoppeln, diese Schlüsselbegriffe unseres Sozial- und Wirtschaftssystems neu zu denken!
AUFGABE: Denke darüber nach, wer ist der "Nehmer" und wer der "Geber" im Verhältnis von Arbeitern und Kapitalbesitzern (und: unterscheide zwischen Kapitalbesitzern und Unternehmern!)
Aus dem Archiv:
+ Leistung ist kein Maßstab (erschienen in a3eco 10/2015 und auf thurnhofer.cc)
+ Leistungsträger dein Name sei Meischberger (erschienen in The Global Player, Dezember 2010 und auf thurnhofer.cc)