Pro & Contra Holzbiomasse aus Sicht verschiedener Wissenschafter
Pellets. Kapitel 5 +++ Wissenschafter sind Menschen wie du und ich. Manche wollen nur ihrer Arbeit nachgehen - im Idealfall der Forschung und Lehre, im Realfall auch der Bewältigung ständig wachsender Bürokratie - manche aber wollen darüber hinaus etwas bewirken. Viele von ihnen schreiben dann Briefe an einen Politiker. Um die Wirkung zu erhöhen, unterzeichnen oft hunderte Wissenschafter einen Brief, den sie an dutzende Spitzenpolitiker senden und gleichzeitig den Medien zuspielen. Ob die Inhalte dieser Briefe damit wissenschaftlicher oder bedeutender werden, darf bezweifelt werden. Doch offenbar herrscht ein weit verbreiteter Glaube, dass ein Brief mit 100 Unterschriften unglaublichen Einfluss ausübt - einen mächtigen Impact hat, um es mit einem englischen Terminus zu formulieren, der zwar nichts anderes bedeutet, aber in der Scientific Community viel bedeutender klingt.
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Seit einigen Jahren engagieren sich zahlreiche Wissenschafter für oder gegen die Verwendung von Biomasse zur Energie-Erzeugung. Ohne konkreten Adressaten, gleichsam an die ganze Menschheit gerichtet, blieb das Paper "Science Fundamentals of Forest Biomass Carbon Accounting", publiziert auf NAUFRP.org im November 2019 und signiert von 100 Wissenschaftern. Hinter dem sperrigen Akronym verbirgt sich eine Vereinigung von 80 amerikanischen Forsthochschulen und Universitäten, the National Association of University Forest Resources Programs. Auf der Webseite dieser Organisation staatlicher Universitäten werden Partnerschaften mit Interessenverbänden aus der Wirtschaft offengelegt, darunter American Forest and Paper Association, Forest Landowners Association, National Alliance of Forest Owners, aber auch National Association of State Foresters.
Im Folgenden vier Grundlagen mit welchen die Wissenschafter den Politikern objektive und glaubwürdige Entscheidungen ermöglichen wollen. (Dieses und weitere Dokumente auf Deutsch in Übersetzungen des Autors.)
Gundsätze der Vereinigung amerikanischer Forsthochschulen
"Grundlage 1: [...] Die langfristigen Vorteile der Energie aus Waldbiomasse sind in der Wissenschaftsliteratur allgemein bekannt. So heißt es im vierten Bewertungsbericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen: 'Langfristig wird eine nachhaltige Strategie der Waldbewirtschaftung, die darauf abzielt, die Kohlenstoffspeicher in den Wäldern zu erhalten oder zu erhöhen und gleichzeitig einen jährlichen nachhaltigen Ertrag an Holz, Fasern oder Energie aus dem Wald zu erzielen, den größten nachhaltigen Beitrag zur CO2 Verminderung leisten.' In den meisten Debatten über den Kohlenstoffvorteil der Energie aus Waldbiomasse geht es darum, die Zeitspanne der Vorteile zu messen, und nicht darum, ob sie überhaupt existieren.
Grundlage 2: Bei der Messung des Kohlenstoffvorteils von Energie aus Waldbiomasse müssen die kumulativen Kohlenstoff-Emissionen langfristig berücksichtigt werden. Die wirksamsten Maßnahmen zur CO2-Verminderung sind jene, die die Kohlenstoff-Ansammlung in der Atmosphäre im Laufe der Zeit reduzieren. Energie aus Waldbiomasse führt im Laufe der Zeit im Vergleich zu fossilen Brennstoffen zu einem signifikanten Nettorückgang der gesamten Kohlenstoff-Akkumulation in der Atmosphäre. Vergleiche zwischen Emissionen aus Waldbiomasse und aus fossilen Brennstoffen zum Zeitpunkt der Verbrennung und für kurze Zeit danach berücksichtigen die langfristige Kohlenstoff-Ansammlung in der Atmosphäre nicht. Sie entstellen oder ignorieren die vergleichbaren Kohlenstoffauswirkungen über einen längeren Zeitraum.
Grundlage 3: Ein genauer Vergleich der Kohlenstoff-Auswirkungen von Energie aus Waldbiomasse mit denen anderer Energiequellen erfordert die Verwendung konsistenter Zeitrahmen. Der häufigste Zeitrahmen für die Messung der Auswirkungen von Treibhausgasen beträgt 100 Jahre, wie die weit verbreitete Nutzung von 100-Jahres Potenzialen der globalen Erwärmung zeigt. Dieser Zeitrahmen ermöglicht eine genauere Erfassung der kumulativen Emissionen als kürzere Intervalle. [...]
Grundlage 4: Wirtschaftliche Faktoren beeinflussen die CO2-Auswirkungen der Energie aus Waldbiomasse. Die Forschung zeigt, dass die Nachfrage nach Holz dazu beiträgt, den Wald zu erhalten und Anreize für Investitionen in neue und produktivere Wälder schafft, die alle erhebliche Kohlenstoffvorteile haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn Grundbesitzer in Erwartung der künftigen Marktnachfrage investieren. Ebenso beeinflussen Holzmärkte sowohl die Verfügbarkeit von Holz als auch die Art von Holz, das für Energie aus Biomasse verwendet wird. So werden große Bäume, die besser für höherwertige Produkte geeignet sind, in der Regel nicht für Energie genutzt. Die Frage, wie Grundbesitzer auf die Märkte reagieren, ist von wesentlicher Bedeutung, um die langfristigen CO2-Auswirkungen der Energiegewinnung aus Waldbiomasse vollständig zu berechnen. Wenn die Auswirkungen der Märkte und Investitionen auf den CO2-Ausstoß nicht berücksichtigt werden, kann dies die Charakterisierung der Kohlenstoffauswirkungen aus der Biomasse-Energie verzerren. [...]"
EASAC über CO2-Bilanz: Kohle besser als Biomasse
Besonders engagiert kämpft Professor Michael Norton, Direktor des Umwelt-Programms der EASAC, gegen den zunehmenden Verbrauch von Biomasse zur Energiegewinnung. European Academies’ Science Advisory Council vereinigt nationale Akademien der Wissenschaften der EU-Länder, sowie aus der Schweiz, Norwegen und Großbritannien. Am 22. August 2019 erschien unter Federführung von Professor Norton das EASAC-Paper "Serious mismatches continue between science and policy in forest bioenergy".
Schon einleitend wird die Marschrichtung gegen die herrschende Klima-Politik vorgegeben: "Dieser Überblick, der auf den jüngsten Arbeiten der europäischen Akademien der Wissenschaften basiert, stellt fest, dass die derzeitige Politik unfähig ist anzuerkennen, dass die Beseitigung der Kohlenstoffspeicher in Wäldern für die Bioenergienutzung zu einem initialen Anstieg der Emissionen führt. [...] Die Dauer des Anstiegs der CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre hängt in hohem Maße von den Rohstoffen ab, und wir plädieren dafür, dass Vorschriften ausdrücklich Vorkommen mit kurzen Tilgungszeiten (english: payback periods) verlangen. Darüber hinaus beschreiben wir das derzeitige Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen zur Berechnung von Klimaveränderungen, das es erlaubt, importierte Biomasse zum Zeitpunkt der Verbrennung als Null-Emissionen zu behandeln, und drängen auf eine Überarbeitung, um das Risiko zu beseitigen, Anreize für den Import von Biomasse zu schaffen, die zu negativen Klimaauswirkungen führen. [...] Das Konzept der 'Kohlenstoffneutralität' ist eine grobe Falschdarstellung der CO2-Bilanz der Atmosphäre, da es die Laufzeit des Photosynthese-Prozesses ignoriert, die mehrere Jahrzehnte dauert, bis Bäume zur Reife gelangen. Darauf wurde wiederholt hingewiesen."
Konkret wird auf acht Publikationen verwiesen, die von Co-Autoren dieser Dokumentation stammen. "Wie auch immer, wir konzentrieren uns in dieser Untersuchung auf die zentrale Frage, ob die industrielle Nutzung von Waldbiomasse positive oder negative Auswirkungen auf den Klimaschutz hat und ob dies in der Politik der erneuerbaren Energien angemessen anerkannt wird." Trotz diesem rhetorischen Bekenntnis zur Ausgewogenheit bleiben die folgenden sieben Punkte auf die negativen Auswirkungen fokussiert:
"1. Holzbiomasse enthält weniger Energie als Kohle, so dass die CO2-Emissionen für die gleiche Energieleistung höher sind (Holzpellets 9.6–12.2 GJ/m3; Kohle 18.4–23.8 GJ/m3; IEABioenergy, 2017). In Kombination mit dem Energiebedarf, der sich aus diffusen Quellen und Zwischenbehandlungen (Trocknen und Pelletieren) zusammensetzt, führt der Ersatz fossiler Brennstoffe bei der Stromerzeugung zu einem signifikanten Anstieg der CO2-Emissionen pro kWh. Der Nettoeffekt durch die Umstellung auf Biomasse besteht in der Regel darin, die Emissionen zu erhöhen und damit die CO2-Werte in der Atmosphäre zu erhöhen. Dies ist der umgekehrte Effekt zu den ursprünglichen Zielen der EU-Direktive RED, die Treibhausgas-Emissionen zu verringern.
2. Biomasse wird als erneuerbar behandelt, da davon ausgegangen wird, dass das emittierte CO2 wieder absorbiert wird. Die Verbrennung von Waldbiomasse überträgt jedoch den Kohlenstoff aus dem Waldbestand innerhalb weniger Minuten in die Atmosphäre, und zwischen dieser initialen Freisetzung und der Wiederherstellung der Kohlenstoffspeicher durch Nachwachsen des Waldes gibt es eine 'Tilgungszeit' für Kohlenstoff. Die Amortisationszeit kann einige Jahren betragen, wenn forstwirtschaftliche Rückstände den Rohstoff liefern. Wenn jedoch zusätzliche Bäume geerntet werden, hängen die Amortisationszeiten von den Arten und Bedingungen des Nachwachsens ab, die Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte dauern können. Gemäß einiger Szenarien kann der im ursprünglichen Waldbestand vorhandene Kohlenstoff nie zurückgewonnen werden. Das bedeutet, dass das Konzept der CO2-Neutralität sowohl unsicher als auch stark zeit- und kontextabhängig ist.
3. [...] Das Übereinkommen von Paris verpflichtet sich, 'die Bemühungen fortzusetzen, den Temperaturanstieg weiterhin auf 1,5° C zu begrenzen'. Angesichts der Tatsache, dass der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen davon ausgeht, dass die durchschnittlichen Oberflächentemperaturen zwischen 2030 und 2052 aufgrund der aktuellen Trends voraussichtlich 1,5° C überschreiten werden, erhöhen Amortisationszeiten von Jahrzehnten das Risiko, die Ziele des Pariser Abkommens zu überschreiten.
4. Die Bewertung der Nettoeffekte des Umstiegs von Kohle auf Waldbiomasse erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem Kohlenstoffflüsse entlang des gesamten Lebenszyklus (einschließlich Verbrennungsemissionen) im Bioenergieszenario mit Kohlenstoffflüssen verglichen werden, wenn keine erhöhte Ernte für Bioenergie vorliegt (ein Referenz- oder kontrafaktisches Szenario). Diese Analysen sollten die Verringerung des Kohlenstoffspeichers der geernteten Wälder umfassen. Viele dieser Studien haben gezeigt, dass nur Rückstände aus der traditionellen Forstwirtschaft (d. h. Reste nach Verwendung für Holz, Pappe, Papier usw.) oder natürlich schnell verrottendes Holz infolge des Waldsterbens durch Krankheiten oder Feuer eine Amortisationszeit von nur wenigen Jahren haben. Im Gegensatz dazu erhöht die zunehmende Waldernte von Stammholz (ob Ausdünnung oder Kahlschlag) die atmosphärischen CO2-Werte für Jahrzehnte bis Jahrhunderte, abhängig von den kontrafaktischen Szenarien.
5. Selbst die kürzesten Amortisationszeiten sind ungünstig im Vergleich mit denen von Solar- und Windenergie, die innerhalb von Monaten bis zu einigen Jahren Netto-CO2-Emissionseinsparungen bringen. Biomasse ist daher relativ unwirksam bei der Verringerung der CO2-Emissionen; dennoch wird sie in Verordnungen gleich behandelt, und umfasst in einigen EU-Ländern den größten Teil der Subventionen für erneuerbare Energien.
6. Nachhaltigkeitskriterien in den RED-Vorschriften inkludieren Bedingungen, dass Biomasse einen vorgegebenen Prozentsatz von Treibhausgasemissionen im Vergleich zu fossilen Brennstoffen erreichen sollte. Dies kann leicht falsch interpretiert werden, in dem Sinne, dass der Wechsel von Kohle zu Holz automatisch als Klimavorteil gilt. [...] Es wird selten darauf hingewiesen, dass sich diese Angaben lediglich auf die Emissionen entlang der Lieferkette beschränken (Fällung, Transport, Trocknung, Pelletierung, Schifffahrt), was geringere Emissionen als die Verbrennung von Kohle verursacht, doch die Kohlenstoff-Emissionen bei der Verbrennung des Holzes werden dabei ignoriert.
7. Die Berechnungsvorschriften der UNFCCC [Anm: Unated Nations Framework Convention on Climate Change], die es einem Einfuhrland erlauben, Emissionen aus Biomasse als Null zu zählen, basieren auf der Annahme, dass die Verringerung der forstwirtschaftlichen Biomasse in den LULUCF-Statistiken des Ausfuhrlandes berücksichtigt wird. [Anm: Land Use, Land-Use Change and Forestry, LULUCF, erfasst in der CO2-Bilanz alle Hölzer am Ort, wo sie gefällt werden.] Da die Umsetzung und Überprüfung dieser Statistiken von Land zu Land sehr unterschiedlich ist, fehlt es bei der Abstimmung zwischen der Verringerung des Kohlenstoffbestands und den Emissionen am Verbrennungsort an Transparenz. Die Emissionsberichterstattung kann daher höchst irreführend sein, da das Einfuhrland die Biomasse-Emissionen als Null und als Verringerung seines nationalen Emissionsinventars erfassen wird, auch wenn der Nettoeffekt beim Wechsel von Kohle auf Biomassepellets für Jahrzehnte darin bestehen könnte, die CO2-Werte in der Atmosphäre zu erhöhen."
Nur wenige Wochen nach Publikation dieses Papers wird EASAC wieder aktiv und fordert "internationale Maßnahmen zur Einschränkung klimaschädlicher Bioenergieprogramme für Wälder". Der Artikel stellt die rhetorische Frage "Forest biomass used for bioenergy – good or bad for the climate?" und liefert Antworten, die sich weitgehend mit dem oben zitierten Paper decken. Man muss ergänzen: Die Forderungen gehen auch von den selben Fragestellungen aus, so dass keine neuen Antworten zu erwarten waren. Zwei Monate später folgt die Aussendung "Leading Scientists Warn: Wood Pellets Threat to Climate - 'No Silver Pellet'" mit dem dramatischen Einstieg: "Die Verbrennung von Waldbiomasse für Strom und Wärme wird als intelligente Möglichkeit für Europa angepriesen, um seine Klimaziele zu erreichen. Aber vor allem Holzpellets setzen mehr Kohlenstoff frei als Kohle pro erzeugter Stromeinheit", und der Beweis wird sogleich am Silbertablett serviert: "wie eine Reihe von Berichten des Wissenschaftsbeirats der Europäischen Akademien (EASAC) zeigt."
Zuletzt hat EASAC den neuesten JRC-Report gelobt, denn er trage zur "Schärfung der Argumente für kürzere Amortisationszeiten" bei. EASAC-Mastermind Michael Norton kommentiert persönlich: "JRC zeigt, wie die Milliarden an öffentlichen Subventionen zur Konversion von Biomasse die Kohlenstoffemissionen über viele Jahrzehnte verschlechtern. Wir müssen der Wissenschaft mehr Aufmerksamkeit schenken und sicherstellen, dass sich die öffentlichen Subventionen auf kohlenstoffarme Energietechnologien konzentrieren, die den Klimawandel tatsächlich abschwächen."
JRC-Studie will Debatte über Biomasse entgiften
In der zitierten Studie steht wörtlich: "Dieser Bericht enthält Einschränkungen in Bezug auf Fragen der Nachhaltigkeit. [...] Von allen Facetten der Nachhaltigkeit von Bioenergie aus Wäldern konzentrieren wir uns auf die beiden Themen Klimawandel und Gesundheit der Ökosysteme. Daher klammern wir viele andere Aspekte aus, die eine umfassendere Nachhaltigkeit der Bioenergie charakterisieren, wie die Rolle der Bioenergie bei der Stabilisierung des Stromnetzes; Energiesicherheit; Entwicklung des ländlichen Raums, Einkommen und Beschäftigung; andere Umweltauswirkungen wie Luftverschmutzung; andere Klimaverschärfer, die nicht relevant für die Treibhausgase sind."
Im Januar 2021 legte das Joint Research Center (JRC) die viel zitierte Untersuchung "The use of woody biomass for energy production in the EU" vor. Auf 180 Seiten bemühen sich die Autoren, Pro und Contra auszuleuchten. Dies eröffnet allen Seiten die Chance, genau jene Argumente herauszugreifen, welche die eigene Position verstärken, und andere unter den Tisch fallen zu lassen. Dieses Kapitel kann nur eine kleine Auswahl aus dem umfangreichen Werk bringen und soll dem Ansinnen der Studienautoren entsprechen, "die Debatte über die Nachhaltigkeit der holzbasierten Bioenergie zu entgiften."
JRC ist das offizielle Forschungscenter der EU mit folgenden Aufgaben: "Wissen schaffen, managen und erklären um die Politik mit unabhängiger Evidenz zu versorgen; [...] neu auftretende Probleme antizipieren, die auf EU-Ebene angegangen werden müssen; Know-how Transfer unter EU-Ländern, der Wissenschaft und internationalen Partnern; [...] Euratom-finanzierte Forschung über nukleare Sicherheit um zum Übergang zu einer CO2-freien Wirtschaft beizutragen." In die vorliegende Studie sind auch Daten des ENFIN (the European National Forest Inventory Network) eingeflossen.
Als Service für Nicht-Experten liefert die Studie Basis-Informationen darüber, was eigentlich ein Wald ist (Flächen, größer als 0,5 Hektar mit Bäumen über fünf Meter Höhe und einem Kronendach über 10 Prozent) und definiert die folgenden Begriffe:
Einschlag (fellings) - das Volumen aller gefällten, lebenden oder toten Bäume aller Durchmesser, inklusive Rinde, während einer vorgegebenen Periode.
Entnahmen (removals) - das Volumen aller lebenden oder toten Bäume, die aus dem Wald entfernt wurden, inklusive Nicht-Stammholz wie Stümpfe und Äste, Schadholz und natürliche Verluste (Feuer).
Schadholzverwertung (salvage loggings) - Aufarbeitung aller Waldschäden infolge von Naturkatastrophen.
Rundholz (roundwood) - Holz, inklusive Äste, Wurzeln, Stümpfe und Rinde, das gespalten als Brennholz oder zur Herstellung von Holzkohle verwendet wird; Synonyme: Primärholz, oder primäre Holzbiomasse.
Brennholz (fuelwood) - Rundholz als Brennstoff zum Kochen, Heizen oder zur Stromerzeugung hergestellt aus Stämmen, Zweigen und anderen Teilen der Bäume; außerdem Hackschnitzel und Holzpellets.
Industrielles Rundholz (indstrial roundwood) - Rundholz zur Verarbeitung von Sägeholz, Furnierholz, Zellstoff.
Primärholz (primary wood auch: primary woody biomass) - Holzbiomasse, die direkt aus dem Wald kommt.
Sekundärholz, meist: Sekundäre Holzbiomasse (secondary wood, secondary woody biomass) - Nebenprodukte der Holzverarbeitung wie Sägespäne, Hackschnitzel oder Schwarzlauge, die bei der Erzeugung von Zellulose entsteht, sowie Rinde und Post-Consumer-Holz.
Das Kapitel "Woody biomass for energy" verweist auf die Komplexität des Themas: "Wälder bieten eine breite Palette von Dienstleistungen für das Ökosystem, wie Kohlenstoffspeicherung und -absonderung, Bereitstellung von Lebensraum, Wasserregulierung (Qualität, Quantität, Durchfluss), Regulierung der Luftqualität, Kontrolle der Bodenerosion, Erholung, Holz und Nichtholzprodukte."
Die gesamte Waldfläche der EU hat sich seit 1990 stetig ausgedehnt und umfasste im Jahr 2020 in den 27 EU-Ländern 159 Millionen Hektar, das sind 39,8 Prozent der gesamten Landfläche. Davon sind 17 Millionen Hektar - vorwiegend in den mediterranen Ländern - Niederwald (coppice forests). Der Ausgangspunkt im Jahr 1990 lag bei rund 141 Millionen Hektar. Die Untersuchungen ergeben einen jährlichen Brutto-Zuwachs von 1.099 Millionen m3 und ein natürliches Absterben von 134 Millionen, somit verbleiben 965 Millionen m3. Die Erklärung im Original: "The average NAI of the total above ground biomass in FAWS, which means adding the net annual increment of OWC was some 965 Mm3".
Der Poet H.C. Artmann, der in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, hätte wahrscheinlich gedichtet: "Die Wissenschaft und ihre Liebe zur Akronymie", wenn er diese Zeile gelesen hätte. Hier ganz prosaisch die Übersetzungen: Net Annual Increment (NAI) ist der Nettojahreszuwachs; Forest Available for Wood Supply (FAWS) ist der für die Holzversorgung verfügbare Wald; Other Wood Components (OWC) - andere Holzkomponenten sind Baumspitzen und Äste. Zusammengefasst und auf Deutsch: Der durchschnittliche Nettozuwachs der gesamten oberirdischen Biomasse des für die Holzverarbeitung verfügbaren Waldes inklusive Ästen und Baumwipfel beträgt etwa 965 Millionen Kubikmeter pro Jahr.
Figure 4. Increment, fellings and removals in the EU forest area available for wood supply; average values in Mm3/yr for the period 2004-2013. Source: Camia et al. 2018
Dazu die Autoren: "Nach Auswertung der von Eurostat gemeldeten Holzentnahmen [Removals] mit allometrischen Modellen sowie von Ergebnissen der Fachliteratur schätzten wir, dass in den betrachteten zehn Jahren durchschnittlich 610 Millionen m3 pro Jahr gefällt wurden, von denen 486 Millionen m3 verwertet wurden, während 124 Millionen m3, d. h. 20 Prozent, als Holzrückstände im Wald zurückgelassen wurden. Die Entnahmen umfassen 421 Millionen m3 Stammholz (87%) und 65 Millionen m3 Restholz (13%)."
Es scheint, dass die Autoren der Studie von dem positiven Ergebnis überrascht waren, offensichtlich ist, dass sie daraus keine positiven Zukunftsaussichten und entsprechende Empfehlungen an die Regierungen der EU ableiten wollten. Im Gegenteil, die Politiker werden aufgefordert, diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen: "Wie bereits erwähnt, basiert diese Übersicht auf veröffentlichten Quellen. Es ist jedoch wichtig, daran zu erinnern, dass die Statistiken über Entnahmen und Einschläge hohen Unsicherheiten unterliegen."
Dementsprechend ambivalent sind die Schlussfolgerungen: "Die Daten deuten auf eine zunehmende Gesamtnutzung von Holzbiomasse und eine zunehmende Nutzung von Holzbiomasse für den Energieverbrauch in der EU hin, obwohl sich der Anstieg des Energieverbrauchs seit 2013 verlangsamt hat. Primärholz (Holzbiomasse, die direkt aus Wäldern oder außerhalb von Wäldern entnommen wird, ohne weitere Behandlungen oder Umwandlungen) macht mindestens 37 Prozent des EU-Holzes für den Energieeinsatz aus. Wir schätzten, dass etwa 47 Prozent dieses Primärholzes aus Stammholz bestehen, während die restlichen 53 Prozent andere Holzbestandteile sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass mindestens die Hälfte des für Bioenergie in der EU entnommenen Stammholzs direkt aus Niederwald [coppice forests] stammt. Sekundärholz macht etwa 49 Prozent des EU-Holzes für den Energieeinsatz aus. Die restlichen 14 Prozent des Input-Mix sind in den gemeldeten Statistiken nicht kategorisiert und können daher weder primär noch sekundär direkt zugeordnet werden. Unsere Analyse zeigt jedoch eindeutig, dass die Kategorie des nicht kategorisierten Holzes, das für Energie verwendet wird, eher aus Primärholz besteht als aus Sekundärholz."
Eindeutig oder eher? Ist es der eindeutige Auftrag des Joint Research Center, "die Politik mit unabhängiger Evidenz zu versorgen" oder doch eher "neu auftretende Probleme zu antizipieren, die auf EU-Ebene angegangen werden müssen"? Vielleicht können folgende Zitate aus dem Executive Summary zur Beantwortung dieser Frage beitragen.
"Die Neufassung der Richtlinie über erneuerbare Energien (Richtlinie 2018/2001, bekannt als RED II), die von den Mitgliedstaaten bis Juni 2021 umgesetzt werden soll, stärkt die EU-Nachhaltigkeitskriterien für Bioenergie, indem sie ihren Anwendungsbereich auf feste Biomasse und Biogas ausdehnt, die in großflächigen Heiz-/Kühl- und Elektrizitätsanlagen verwendet werden. RED II enthält Mindestgrenzwerte für Treibhausgas-Emissionen von Biokraftstoffen, Biomasse in Wärme und Strom, sowie Mindest-Effizienzkriterien für Anlagen, die nur Biostrom produzieren."
"Die EU-Gesetzgebung fokussiert die Definition von ökologisch nachhaltiger Bioenergie auf die Erhaltung der biologischen Vielfalt und die Eindämmung des Klimawandels, da Bioenergie an der Schnittstelle von zwei der wichtigsten Umweltkrisen des 21. Jahrhunderts steht: Biodiversität und Klimakatastrophen. Holzbasierte Bioenergie hat das Potenzial, einen Teil der Lösung für beide Krisen zu liefern, aber nur, wenn Biomasse nachhaltig erzeugt (und effizient genutzt) wird. Dies ist besonders wichtig, wenn man bedenkt, dass die Waldökosysteme in Europa im Allgemeinen nicht in gutem Zustand sind."
"In unserer quantitativen Analyse betrachten wir holzbasierte Bioenergie als Teil der breiteren Waldbioökonomie, also im Kontext einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung und der wachsenden Nachfrage Holz-Produkten und die Produktion von Bioenergie, obwohl zu beachten ist, dass Marktkräfte und wirtschaftliche oder sozioökonomische Faktoren nicht Teil dieser Analyse sind. [...] Die Ergebnisse dieser Analyse zeigen eine zunehmende Gesamtnutzung von Holzbiomasse in der EU in den letzten zwei Jahrzehnten (etwa 20 Prozent seit 2000), mit Ausnahme eines deutlichen Tiefstands, der nach der Finanzkrise von 2008 festgestellt wurde. In ähnlicher Weise hat die Teilmenge der Holzbiomasse, die für den spezifischen Zweck der Energie verwendet wird, bis 2013 einen zunehmenden Trend verfolgt (etwa 87 Prozent von 2000-2013), danach hat sich das Wachstum verlangsamt."
"Nach unserer Analyse basiert die Bionergie-Erzeugung auf Holzbasis zu einem großen Teil auf sekundärer Holzbiomasse (waldbasierte Industrienebenprodukte und wiederverwertetes Post-Consumer-Holz), das fast die Hälfte des gemeldeten Holzverbrauchs ausmacht (49 Prozent). [Anm: EASAC Defintion von Post-Consumer-Holz: Altholz aus Transport (Paletten), Privathaushalten, sowie Altholz, das beim Bau oder Abbruch von Gebäuden oder aus Tiefbauarbeiten entsteht, geeignet für die Verwendung als Brennstoff oder zur Herstellung von Holzpellets und Spanplatten.] Primäre Holzbiomasse (Stammholz, Baumkronen, Äste usw., die aus Wäldern geerntet werden) machen mindestens 37 Prozent des EU-Inputmixes von Holz für die Energieerzeugung aus. Die restlichen 14 Prozent sind in den gemeldeten Statistiken nicht kategorisiert, d. h. sie werden weder als primäre noch als sekundäre Quelle klassifiziert. Basierend auf unserer Analyse der Holzbiomasse-Verläufe ist die Quelle eher Primärholz. Holzpellets-Importe spielen in der EU nach dem Brexit eine untergeordnete Rolle."
"Was die politischen Folgerungen unserer Ergebnisse betrifft, so berücksichtigen wir zunächst die geltenden Klima- und Energiegesetze und die Verflechtungen zwischen diesen, da es immer noch Missverständnisse in der wissenschaftlichen Literatur und in der öffentlichen Debatte gibt. Die Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II-Direktive 2018/2001) geht von Nullemissionen zum Zeitpunkt der Biomasse-Verbrennung aus. Bioenergie wird im Energiesektor nicht ausgewiesen, da diese Emissionen bereits im LULUCF-Sektor (Verordnung 2018/841) als Veränderung der Kohlenstoffvorräte gezählt werden. Daher ist es falsch zu sagen, dass Bioenergie innerhalb des umfassenderen EU-Klima- und Energierahmens als "kohlenstoffneutral" angenommen wird. Die CO2-Auswirkungen einer Änderung der Bewirtschaftung oder des Holzkonsums im Vergleich zu einem historischen Zeitraum werden im LULUCF-Sektor in Abhängigkeit zum FRL vollständig gezählt." [Anm: FRL: Forest Refence Level ist ein Richtwert des UNFCCC zur Bewertung der Emissionen und der Entwicklung des Kohlenstoffspeichers im Wald aufgrund von Entwaldungen, Waldschädigungen und Entnahmen aus nachhaltiger Bewirtschaftung.]
Abschließend erklären die Autoren der JRC-Studie: "Dieser Bericht und die künftigen Forschungsrichtlinien verweisen auf den Fokus zur Erweiterung der Evidenzbasis, die den Entscheidungsträgern zur Verfügung stehen soll. Unterschiede in ethischen Werten in Bezug auf die Interaktion zwischen Mensch und Natur spielen eindeutig eine Rolle bei der Definition dessen, was 'nachhaltig' bedeutet. Wir sind der Meinung, dass diese Werteunterschiede auch innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft ausdrücklich anerkannt und diskutiert werden sollten, um die Debatte über die Nachhaltigkeit der holzbasierten Bioenergie zu entgiften."
Der Südosten der USA
Auf die EU-Richlinie RED II haben auch die Autoren einer Studie reagiert, die mit dem epischen Titel "Expansion of US wood pellet industry points to positive trends but the need for continued monitoring" am 29. Oktober 2020 im Wissenschaftsjournal Nature veröffentlicht wurde. Die Studie von vier US-Wissenschaftern und Francisco X. Aguilar, Leiter der Abteilung für Forstwirtschaft an der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften, hatte zum Ziel, jene Gebiete im Südosten der USA zu untersuchen, die als Rohstoffquelle dienen, um die RED-Ziele der EU zu erreichen. Konkret geht es um die Waldgebiete der küstennahen Staaten Alabama, Florida, Georgia, Louisiana, Mississippi, North Carolina, South Carolina und Virginia, die in 123 Beschaffungs-Gebiete für Holzpellets-Fabriken gegliedert wurden und aus 38.000 Waldinventarflächen bestehen.
"Unsere Ergebnisse zeigen eine Zunahme an oberirdischen und unterirdischen Kohlenstoff bei lebenden Bäumen in den Beschaffungsgebieten der Holzpelletmühlen mit großer Produktionskapazität und einen umgekehrten Trend in Böden im Südosten der USA."
"Wir fanden mehr Kohlenstoffspeicher in lebenden Bäumen, aber eine geringe Anzahl von stehenden toten Bäumen, was mit der Produktion von großen Holzpelletmühlen in Zusammenhang steht. Im Südosten der US-Küsten – wo die US-Pelletsexporte in die EU ihren Ausgang haben – gab es mit jedem Jahr der Pelletsproduktion weniger lebende und wachsende Bäume und weniger Kohlenstoff in den Böden als im Rest der östlichen USA, der den heimischen Markt beliefert. Bei Überlappung der Beschaffungsbereiche der Fabriken zeigten sich erkennbare Zuwächse bei ausgewählten Kohlenstoffspeichern. Diese Trends spiegelt wahrscheinlich eine intensivere Landbewirtschaftung wider. Die lokalisierten Auswirkungen auf den Wald im Zusammenhang mit der Holzpelletsindustrie sollten weiterhin überwacht werden."
"Es ist wichtig zu beachten, dass die Nationalen Aktionspläne der EU (RED) nicht auf Wälder einer bestimmten Region abzielen, sondern auf die Versorgung mit US-Holzpellets, die sich organisch aufgrund von kosten- und wettbewerbsorientierten Produktionsvorteilen entwickelt haben. Vor der EU-Einführung von RED im Jahr 2009 betrug die jährliche Produktionskapazität für Holzpellets entlang der Küste des Südostens der USA nicht mehr als 0,3 Millionen Tonnen, aber bis 2017 war sie auf 7,3 Millionen Tonnen angewachsen. Nach jüngsten Schätzungen beläuft sich die jährliche Produktionskapazität in dieser Region auf 9,0 Millionen Tonnen."
Es klingt nach exzessiver Ausbeutung, wenn man nachrechnet, dass die Pelletproduktion in knapp zehn Jahren um das 30-Fache gestiegen ist. Doch ein Vergleich mit Österreich, das ungefähr gleich groß ist wie South Carolina, zeigt, dass noch Potenzial nach oben ist. In der Alpenrepublik wurden im Jahr 2020 ausschließlich aus Sekundärholz 1,5 Millionen Tonnen Pellets erzeugt. Die Gesamtfläche der acht Staaten aus dem Südosten der USA ist 12,5 mal so groß wie Österreich, und im subtropischen Klima wachsen die Bäume deutlich schneller als im kontinentalen Klima der Alpenrepublik.
EU und MPWG für Nachhaltigkeit
Dass eine intensive Forstwirtschaft nicht der Grund für exzessive Ausbeutung sein muss, sondern umgekehrt, zur Bewahrung der Wälder beitragen kann, das erklärt ein anderer Wissenschafter, der umstrittene Rechtsprofessor Blake Hudson, in dem bereits zitierten Paper "To keep forests intact, we must use them":
"Der Süden der USA produziert mehr Industrieholz als jedes andere einzelne Land. Das Gebiet ist mit fast 20 Prozent des Gesamtverbrauchs die größte Import-Quelle der EU für Holzbioenergie. Holzbioenergie macht 2,7 Prozent des im Süden der USA geernteten Holzes aus und ergänzt die Primärwald-Produkte wie Sägeholz, Papier und die weiterverarbeitende Industrien für Baustoffe, Möbel und Papier. Im Süden der USA befinden sich 86 Prozent der Wälder in Privatbesitz. Die Grundbesitzer erwarten wirtschaftliche Erträge, und für den Fall, dass Märkte für Forstprodukte wegbrechen, wird es wahrscheinlicher, dass sie Waldflächen in landwirtschaftliche, industrielle, gewerbliche oder private Nutzungen umwandeln. Dies würde nicht nur zu neuen Emissionen in die Atmosphäre führen, sondern auch zum Verlust einer massiven Kohlenstoffsenke, die in Zukunft der Atmosphäre Kohlenstoff entziehen kann. Tatsächlich geht der US Forest Service davon aus, dass bis zu 13 Prozent der südlichen US-Wälder in den nächsten 50 Jahren vor allem durch Urbanisierung verloren gehen könnten. Die Märkte haben in der Vergangenheit eine entscheidende Rolle bei der Wiederherstellung der US-Wälder gespielt und werden in Zukunft noch wichtiger sein, um die Entwaldung zu vermeiden."
Nicht nur die EU, auch die USA haben strenge Forstgesetze, die einen Raubbau verhindern. So wie die USA sind Kanada, Mexiko, Argentinien, Chile, Uruguay, Russland, China, Japan, Korea, Australien und Neuseeland Mitglieder der Montreal Process Working Group (MPWG), die 1994 gegründet wurde, um Standards zur Bewahrung der Wälder und ihrer nachhaltigen Bewirtschaftung zu entwickeln, sowie ihre Einhaltung zu kontrollieren. In diesen zwölf Mitgliedsstaaten befinden sich 90 Prozent der gemäßigten und borealen Wälder der Welt, sowie einige tropische Wälder. Insgesamt decken diese Länder 60 Prozent des weltweiten Waldbestandes ab.
Doch es gibt nicht nur die EU und die Mitgliedsländer der MPWG. Es gibt auch eine bittere Tatsache: "Seit der Jahrtausendwende hat die Welt jährlich rund fünf Millionen Hektar Wald verloren, 95 Prozent davon in den Tropen; fast die Hälfte aller Entwaldungen findet in Brasilien und Indonesien statt. Drei Viertel davon wird von der Landwirtschaft getrieben. Die Rindfleisch-Erzeugung ist für 41 Prozent der Entwaldung verantwortlich; Palmöl und Sojabohnen machen weitere 18 Prozent aus; weitere 13 Prozent des Holzeinschlages gehen an die Industrie, vor allem für die Papier-Erzeugung." Diese Zahlen publizierte Hannah Ritchie im Februar 2021 auf ourworldindata.org in dem Artikel "Cutting down forests: what are the drivers of deforestation?"
Die Umweltwissenschafterin konzentriert sich auf zwei Probleme: "Wenn wir die Entwaldung bewältigen wollen, müssen wir zwei Schlüsselfragen verstehen: wo verlieren wir Wälder und was sind die treibenden Kräfte?" Brasilien und Indonesien haben zusammen die Hälfte des Waldverlustes zu verantworten. "Die Ausweitung der Weideflächen für die Rindfleisch-Erzeugung, die Anbauflächen für Soja und Palmöl sowie die zunehmende Umstellung des Primärwaldes auf Baumplantagen für Papier und Zellstoff waren die Haupttreiber. Die Ausweitung von Weideland hatte auch erhebliche Auswirkungen auf die Landnutzung außerhalb Brasiliens, etwa ein Fünftel der Entwaldung entfiel auf Lateinamerika. Die Ausweitung der landwirtschaftlichen Flächen in Afrika machte rund 17,5 Prozent der Entwaldung aus."
An erster Stelle der treibenden Kräfte ist die Ausweitung von Weideland für die Rinderzucht. Jährlich 2,1 Millionen Hektar Tropenwald fallen diesem Wachstumsmarkt vorwiegend in Brasilien zum Opfer. Palmöl, in geringem Ausmaß auch Sonnenblumen, Raps und Sesam sind Verursacher für 18 Prozent der Entwaldung, vorwiegend in Indonesien, aber auch in Malaysia. In Lateinamerika expandiert der Anbau von Soyabohnen. "Während viele Menschen sofort an Lebensmittel wie Tofu oder Sojamilch denken, wird der größte Teil der weltweiten Sojabohnenproduktion als Futter für Vieh oder Biokraftstoffe verwendet. Nur 6 Prozent werden für direkte menschliche Nahrung verwendet." Neben Rindern und Öl ist der Bedarf an Holzprodukten die dritte treibende Kraft für die Zerstörung von Tropenwäldern, wobei die Autorin die Waldbewirtschaftung in Nordamerika explizit ausnimmt.
Zur ökonomischen Einordnung der Biomasse-Energie abschließend einige Zahlen der Internationalen Energie Agentur (IEA), die für das Jahr 2021 globale Energie-Investitionen in Höhe von 1,9 Billionen Dollar erwartet, das ist eine Zunahme von 10 Prozent nach dem Einbruch im Corona-Jahr 2020. Die weltweite Energienachfrage werde 2021 um 4,6 Prozent steigen und damit den Rückgang um 4 Prozent im Jahr davor laut Schätzungen der IEA mehr als ausgleichen. Strom nimmt weiterhin den größten Anteil an den gesamten Investitionen ein, angeführt von hohen Ausgaben für erneuerbare Energien. Laufende Investitionen in bestehende Kraftwerke sollen 2021 um rund 5 Prozent auf über 820 Milliarden Dollar steigen, für Neuanlagen (davon 70 Prozent Erneuerbare) sind 530 Milliarden Dollar geplant. Den Rest machen Investitionen in Netze und Speicher aus. "Dank rascher technologischer Verbesserungen und Kostensenkungen führt ein Dollar, der heute für den Einsatz von Wind- und Photovoltaik (PV) ausgegeben wird, zu viermal mehr Strom als ein Dollar, der vor zehn Jahren für dieselben Technologien ausgegeben wurde", so der Report "World Energy Investment 2021".