2. Juni 2023 - Die KPÖ unternimmt derzeit alles, um bei der nächsten Nationalratswahl gut abzuschneiden. Bei genauer Untersuchung kann man erkennen: sie unternimmt absolut nichts. Das ist es wohl, was die Führer der KPÖ unter Dialektik verstehen.
ethos.at begrüßt die Erfolge der KPÖ in den Bundesländern Steiermark und Kärnten. Engagierte (darunter viele junge) Politiker haben damit bewiesen, dass man gewählt wird, wenn man glaubwürdig die Anliegen der benachteiligten Menschen vertritt. In Worten und Taten. Dies unter dem Dach der KPÖ (genau gesagt KPÖ-Landesorganisationen) hat mehr mit Folklore als mit Ideologie zu tun. Man könnte sogar sagen, KP steht in den Bundesländern für Kommunalpartei und nicht für Kommunistische Partei.
Franz Schellhorn, Leiter der neoliberalen "Denkfabrik Agenda Austria", polemisiert seit dem Erdrutschsieg der KPÖ Plus in Salzburg gegen "die Kommunisten" und lässt dabei kein Klischee aus, das wir noch aus Zeiten kennen, als US-Präsident Ronald Reagan von der "Achse des Bösen" gesprochen hat. In das gleiche Horn bläst Astrid Schilcher, die FPÖ und KPÖ in einen Topf schmeißt: "Beide sind systemimmanent intolerant und undemokratisch." Selbst ernannte Spitze im aktuellen Klassenkampf gegen die KPÖ ist Landeshauptfrau Mikl-Leitner, die in einem "Leserbrief" der "Krone" (28.5.23) empört festhält: "Die Kommunistische Partei, in deren Namen weltweit 100 Millionen Menschen umgebracht wurden. ... Diese Kommunistische Partei tritt in Österreich bei demokratischen Wahlen an". (Details: Franz Schellhorn daily)
Wie erwidert die KPÖ darauf? Dialektisch. Was bedeutet das? Nichts! Sie tut, was die Altparteien immer tun, wenn sie mit unangenehmen Situationen oder Personen konfrontiert wird: ned amoi ignorieren.
NACHSATZ 3. Juni 2023: Die KPÖ-Chefin von Graz, Elke Kahr, hat reagiert und für ihren "Leserbrief" eine halbe Seite Freiraum in der "Krone" erhalten.
Kann man heute überhaupt noch Marxist sein? Diese Frage versucht der Historiker Helmut Konrad (KleineZeitung.at, 1.6.23) zu beantworten. Die KPÖ kommt in dem Artikel gerade mal in einem Nebensatz vor: "Die Zerschlagung des Prager Frühlings ließ keine Boden für Stalinisten, und nur die zahlenmäßig bescheidene, materiell aber bestens gestellte KPÖ hielt am Modell der Sowjetunion fest." Anlass für diese kleine Abhandlung war freilich nicht die KPÖ, sondern Andreas Babler, der mit seinem Bekenntnis zu Marx die Wellen in der SPÖ hochgehen ließ. Immerhin kandidiert er für das Amt des Spitzenkandidaten einer Partei, die sich seit Vranitzky immer mehr zu einer ideologiefreien Zone entwickelt hat.
Der emeritierte Universtätsprofessor Konrad, der in einem Nebensatz andeutet, dass er im Sog der 68er den "langen Marsch durch die Instanzen" Karriere gemacht hat, schließt durchaus versöhnlich: "Mit dem Blick auf die Ungeheuerlichkeiten, die historisch unter Berufung auf Marx geschehen sind, kann man aber viele der Spielarten, die sich auf Marx berufen, heute ganz sicher nicht mehr verteidigen. Da sind scharfe Abgrenzungen notwendig. Das täte auch Protestparteien in unserem Lande gut. Aber 'Marxist' zu sein, also global zu denken und auf der Seite der Schwachen zu stehen, scheint mir, bei allen Irrtümern, die man Marx vorwerfen kann, kein Schimpfwort zu sein."
Was man heute "ganz sicher nicht mehr verteidigen kann", den Kommunismus sowjetischer Prägung, der in der Räterepublik EU seine Auferstehung erlebt (natürlich unter neuer Etikette, ganz ohne Marx/Engels/Lenin, dafür aber mit umso mehr Planwirtschaft), das müsste eine KPÖ, die 2024 bei der Nationalratswahl den Niedergang der SPÖ für den eigenen Aufstieg nutze will, dialektisch und wissenschaftlich schnell und radikal aufarbeiten. Tut sie aber nicht. Deshalb: siehe oben.
Ein Dokument des Scheiterns liefert der marxistische Philosoph Karl Reitter, der 2015 der KPÖ beigetreten und vor wenigen Wochen wieder ausgetreten ist: "Warum ich aus der KPÖ austrete".
Resümee von ethos: Im Kampf der offenen Gesellschaft gegen ihre Feinde stehen zumindest die entscheidenden Funktionäre immer noch auf der Seite der Feinde.
Siehe auch: Sit-in zum 200. Geburtstag von Karl Marx, 5. Mai 2018
Ergänzung 21.11.2023 - "Der Termin für die Nationalratswahl steht noch nicht einmal fest, eine Partei hat aber jetzt schon ihre Spitzenkandidaten fixiert: Die KPÖ, die zuletzt mit Wahlerfolgen in Graz und in Salzburg für Aufsehen sorgte, wird mit Tobias Schweiger und Bettina Prochaska in den Wahlkampf ziehen. Das ist das Ergebnis der Parteikonferenz, die mit rund 300 Teilnehmern am Samstag in Graz stattfand", berichtet Kurier.at am 4.11.23.
Die Kommunal-Partei Österreichs, die mit ihrer Wohnungs- und Sozialpolitik Wähler auf Regionalebene überzeugen konnte, will nun bundesweit im Lager der "Enttäuschten" fischen. "Viele Menschen sind von den regierenden Parteien enttäuscht. Nur mehr ein Drittel hat Vertrauen in das politische System“, wird der Salzburger KP-Obmann Kay-Michael Dankl zitiert. Als Nette-Leute-Partei ohne jegliche systemische Alternative und ohne glaubhafte Kritik am System abseits von kommunistischen Phrasen aus dem 19. Jahrhundert, als Partei, die während der sogenannte Corona-Pandemie kein Wort der Kritik an der Regierung (auch nicht an Big Pharma) gefunden hat, wird die KPÖ bei Nationalratswahlen nicht punkten können. Erste Umfragen lokalisieren die KPÖ optimistisch bei rund 3 Prozent.
Ergänzung 15.2.2024 - Oskar Hummel schreibt (sebö 13.2.2024), dass die KPÖ löbliche, sozialdemokratische Politik, mit karitativem Anstrich mache. "Vertreter der Partei wollen sich natürlich nicht darauf reduzieren lassen und betonen immer wieder, dass die KPÖ nach wie vor eine Partei ist, die den Kapitalismus überwinden will. Was konsequenten Antiimperialismus und Internationalismus betrifft, schaut es jedoch gerade bei der Salzburger KPÖ mager aus. Um mehr Wählerstimmen zu bekommen, nimmt man so einiges in Kauf. ... Die KPÖ Plus betreibt Politik im Sinne der Herrschenden, mit sozialem Anstrich. Eine solche Partei, ist trotz solider Sozialpolitik keine ernstzunehmende Alternative."
Ergänzung 10. März 2024 – Über „KP-Wahlerfolg in Salzburg mit bitterem Beigeschmack“ schreibt Oskar Hummel auf sebö / selbstbestimmtes-oesterreich.at