Volksbegehren Eintragungswoche KW 16 - Aktionismus oder Dadaismus?

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Aktionismus oder Dadaismus?

Auf die Inflation der Volksbegehren hat ethos.at bereits am 22. September 22 hingewiesen. Damals waren 57 Volksbegehren angemeldet (nicht alle erreichen die notwendige Zahl von 8.400 Unterstützungserklärungen für die Anmeldung einer Eintragungsfrist). Heute (4.4.23) sind 94 Volksbegehren registriert. Somit eine "Inflationsrate" von 64,9 Prozent in einem halben Jahr!

Angesichts der inflationären Zunahme von Willkürentscheidungen unserer Bundesregierung, ist es kein Wunder, dass immer mehr Gegner dieser Entwicklung die wenigen basisdemokratischen Instrumente immer intensiver nutzen: Auf der Straße oder im Internet, mit Petitionen oder Volksbegehren. Alle diese Mittel der direkten Demokratie sind grundsätzlich zu unterstützen und sollen, wenn man die jeweiligen Forderungen befürwortet, auch unterschrieben werden.

Gleichzeitig muss ein Mensch, der ernsthaft an politischen Veränderungen interessiert ist und solche auch für möglich hält, davor warnen, dass die Basis, das Volk, die Zivilgesellschaft, die Bürger oder die Menschen (zutreffendes ankreuzen!) dazu beitragen, dass diese Instrumente, insbesondere aber das Mittel des Volksbegehrens, zur Farce verkommen. Beispiel:

"Volksbegehren 'BESTES REGIERUNGSSYSTEM EINFÜHREN' - Der Gesetzgeber wolle bundesverfassungsgesetzliche Maßnahmen treffen, um das beste Regierungssystem der Welt für Österreich einzuführen, ähnlich dem Bundesrat der Schweiz. Demnach soll der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin in die Bundesregierung integriert und jährlich als 'Primus inter pares' neu gewählt werden, ohne Wiederwahl für das Folgejahr. Die Mitglieder der Bundesregierung sollen vom Bundesvolk oder der Bundesversammlung bei einer geheimen Wahl gewählt werden."

Das Begehren ist, wie der Superlativ "das beste Regierungssystem der Welt" nahe legt. eine Parodie, obwohl eine Bundespräsidentenwahl nach dem Modell der Schweiz mehr als eine Überlegung wert wäre! Konkret könnten die Initiatoren das "Projekt: Bestes Österreich - 2023: Das Jahr der Volksbegehren" auf die Schaufel genommen haben.

Georg Packer, der 2022 als Kandidat bei der Wahl des Bundespräsidenten sein Glück versuchte, hat "2023 - das Jahr der Volksbegehren" ausgerufen und selbst als "Projektmanager" im Jänner drei Volksbegehren eingeleitet:

- Bestes Österreich: BÜRGERBETEILIGUNG ( 42,8 KB) (registriert seit 16. Jänner 2023)

- Bestes Österreich: DEMOKRATIEKULTUR ( 37 KB) (registriert seit 31. Jänner 2023)

- Bestes Österreich: BÜRGER-HUNDERTER ( 37,2 KB) (registriert seit 31. Jänner 2023)

Allesamt Ideen, über die man kontrovers diskutieren kann und soll, die aber so allgemein formuliert sind, dass sie beim Gesetzgeber wie an einer Teflonpfanne abperlen werden, wenn sie die 100.000er Hürde ins Parlament schaffen.

Im Gegensatz dazu liefern die Initiatoren von " KINDERPORNOGRAPHIE: Strafen anheben!" eine klare Forderung: "Kinderpornographie wird aktuell (§207a StGB) fast als Kavaliersdelikt behandelt. Personen, die Material beschaffen oder besitzen, droht lediglich eine skandalös geringe Freiheitsstrafe. Wer pornographische Darstellungen Minderjähriger herstellt, kann mit nur wenigen Monaten davonkommen. In Summe eine Verhöhnung der Opfer! Der Gesetzgeber wird daher aufgefordert den Strafrahmen für Herstellung, Verbreitung, Beschaffung und Besitz von kinderpornographischem Material deutlich anzuheben."

Dies ist eines der wenigen Volksbegehren, das den Abgeordneten - wenn es den Weg bis ins Parlament schafft - kein Hintertürl offen lässt. Ein brennendes Anliegen verknüpft mit einer konkreten Forderung, bei der die Abgeordneten nicht um den heißen Brei herumreden können.

Ärgerlich ist, wenn manche Aktivisten Volksbegehren initiieren, die mit ähnlichem Wortlaut bereits laufen. Vernetzung - einer der wichtigsten Grundwerte, wenn wir wirklich eine bessere Demokratie aufbauen wollen - sollte in so einem Fall gesucht werden, statt eigenbrötlerisch "sein Ding" durchzuziehen. Auf manche redundante Initiative, auf manche abgedroschene Formulierung kann die Demokratie verzichten. In diesem Sinne verzichtet ethos.at auf die Einbrinung des Volksbegehrens:

Für allumfassende Parteienförderungsmittelaufteilungsgerechtigkeitsgesetzgebung

und ruft statt dessen auf, das Volksbegehren "Parteienförderungen abschaffen" zu unterzeichnen.

Unter vielen aktionistischen Projekten, deren Substanz fragwürdig ist, finden sich auch ein paar Perlen, die sogar dadaistische Qualitäten aufweisen. Beispiel: "Volksbegehren 'Sinnloses Volksbegehren'' - Volksbegehren sind ein zahnloses demokratisches Instrument, das Bürgerbeteiligung vortäuscht, aber nichts ändert. Erfolgreiche Begehren werden kurz im Parlament diskutiert und wandern dann in den Papierkorb. Wenn die Politik unsere Zeit verschwendet, verschwenden wir ihre – Auge um Auge! Der Nationalrat wolle sinnlos über dieses Volksbegehren diskutieren und ein Gesetz beschließen, wonach das Nationalratspräsidium alle zu behandelnden Volksbegehren künftig 'sinnlose Volksbegehren' nennen muss."

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