Unsaubere Geschäfte

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10. September 2024 – Vorweg muss man anerkennen, dass die Mülltrennung und -entsorgung in ganz Österreich gut funktioniert. Man kann im besten Sinne des Wortes von Recycling-Culture sprechen. (Der beste Sinn des Wortes muss in Zeiten von „Cancel Culture“ täglich aufs neue geprüft werden.) Diese Kultur hat sich in den vergangenen 30 Jahren etabliert, und trotzdem sind EU-Bürokraten der Meinung, sie müssten bis zum Schraubverschluss der Plastikflaschen immer wieder beweisen, dass sie sich um Details kümmern, die weit über ihre Komptenzen hinaus gehen. Aber das ist eine andere Geschichte.

 KleineZtg Müllskandal

Hier geht es um schmutzige Geschäfte der Saubermacher, konkret Kartellbildung der Entsorgungsbetriebe. In der Entsorgung schien das PPP-Modell (private public partnership) in weiten Teilen Österreichs zu funktionieren. Während in Wien die legendären Müllmänner quasi Beamte der Stadt sind, haben in kleinen Landgemeinden private Saubermänner die Müllabfuhr und fachgerechte Entsorgung übernommen. Das müsste theoretisch billiger sein, als die Entsorgung durch jede kleine Gemeinde einzeln. „20 Jahre lang sollen Abfallentsorger in ganz Österreich Preise und Kunden aufgeteilt haben. Für den Kronzeugen Saubermacher setzt es eine Millionenstrafe“, berichtet die Kleine Zeitung (10.9.24)

Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat in einer Pressemitteilung folgende Untersuchungsergebnisse publiziert.


Mitteilung der BWB

Abfallwirtschaft Update: BWB bestätigt Kronzeugenstatus der Saubermacher Dienstleistungs AG und stellte Antrag auf Verhängung einer verminderten Geldbuße beim Kartellgericht iHv EUR 7,085 Millionen

09.09.2024 - Die BWB stellte am 5.9.2024 einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße im Rahmen der Ermittlungen in der Abfallwirtschaft gegen das Unternehmen Saubermacher Dienstleistungs AG (iF SDAG). Konkret beantragte die BWB die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von EUR 7,085 Mio.

Kooperation der SDAG

SDAG kooperierte nach den Hausdurchsuchungen im Rahmen des Kronzeugenprogramms zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts mit der BWB und gab in diesem Zusammenhang ein umfassendes Anerkenntnis für das Verfahren vor dem Kartellgericht ab. Aufgrund dieser Kooperation beantragte die BWB eine geminderte Geldbuße.

SDAG nahm an kartellrechtswidrigen Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Austausch von wettbewerbssensiblen Informationen im Zeitraum von Juli 2002 bis März 2021 teil. Die Zuwiderhandlung von SDAG war Teil eines österreichweiten Kartells von zumindest Juli 2002 bis März 2021.

„Nach dem Feststellungsantrag gegen den ersten Kronzeugen im Februar dieses Jahres, ist dies nun der erste Geldbußenantrag gegen ein Unternehmen in diesem Verfahrenskomplex. Das BWB Team arbeitet die sichergestellten Beweise sukzessiv auf um die weiteren Verfahren zügig an das Kartellgericht zu bringen,“ erklärt Natalie Harsdorf, Generaldirektorin der BWB.

Bisherige Ermittlungen und Gerichtsverfahren der BWB in der Abfallwirtschaft

Im März 2021 führte die BWB bei über 20 Unternehmen der Abfallwirtschaft Hausdurchsuchungen durch (Pressemitteilung vom 18.3.2021). Nach weiteren Kronzeugenanträgen, zahlreichen Whistleblowermeldungen und Einvernahmen, wurden ein Jahr später aufgrund neuer Verdachtsmomente ergänzende Hausdurchsuchungen durchgeführt (Pressemitteilung vom 28.04.2022). Insgesamt sicherte die BWB bei Unternehmen in fast allen Bundesländern umfangreiches Datenmaterial, davon über 60 TB IT-Daten und über 2000 Seiten an physischen Dokumenten. Gegen eine Vielzahl weiterer Unternehmen laufen die Ermittlungen der BWB noch.

Gegen den ersten Kronzeugen, FCC wurde im Februar 2024 ein Antrag auf Feststellung beim Kartellgericht gestellt (Pressemitteilung vom 16.02.2024)

Betroffener Wirtschaftszweig

Die Abfallwirtschaft wird traditionell in die Bereiche Abfallsammlung, Abfallbehandlung und -beseitigung sowie Rückgewinnung gegliedert. Weiters kann zwischen Siedlungsabfällen und Wirtschaftsabfällen mit weiteren Segmentierungen nach Stoffströmen unterschieden werden.

Ca. 300 Unternehmen sind im Markt für Abfallwirtschaft in Österreich aktiv. Neben einigen überregional agierenden Marktteilnehmern, wie der SDAG, sind viele kleinere Unternehmen im regionalen Raum tätig.

Neben europarechtlichen Vorgaben stellt das Abfallwirtschaftsgesetz (AWG 2002) die wichtigste gesetzliche Grundlage für diese Branche dar und regelt die Abfallvermeidung, das Recycling, die sonstige Verwertung (zB energetische Verwertung) sowie die Beseitigung von Abfall. Zusätzlich sind in allen Bundesländern Landesgesetze für die Abfallwirtschaft in Kraft, welche die kommunale Abfuhr von Abfällen, die Einhebung der Abfallgebühren sowie die Planung von Anlagen regeln.

Die Ermittlungen der BWB in der Abfallwirtschaftsbranche konzentrierten sich auf die Abfallsammlung, nahmen daneben aber auch die Weiterverarbeitung in Form von Trennung, Recycling und Verwertung sowie die Entsorgung von Abfällen in den Fokus.

Zuwiderhandlungen in der Abfallwirtschaft

Die Zuwiderhandlungen betreffen Preisabsprachen, Marktaufteilungen und Austausch von wettbewerbssensiblen Informationen in Bezug auf öffentliche und private Ausschreibungen. Dadurch verhalfen sich die Unternehmen gegenseitig zur Erteilung von Aufträgen, verringerten Unsicherheiten in Bezug auf ihr künftiges Geschäftsverhalten und sicherten so ihre Marktanteile. Durch die Gebietsaufteilung und Kundenaufteilungen schufen die beteiligten Unternehmen ein ineinandergreifendes Konstrukt aus Kartellen, das letztlich ganz Österreich umfasste.

Potentiell Geschädigte

Kartellabsprachen schränken den Wettbewerb ein und führen zu höheren Preisen für Auftraggeber. Potentiell Geschädigte sind neben Unternehmen auch Gemeinden, die die Sammlung bzw. Entsorgung von Abfall ausgeschrieben haben.

Kronzeugenregelung und Absehen von der Verhängung einer Geldstrafe

Gemäß § 11b WettbG kann die BWB unter den dort genannten Voraussetzungen als Gegenleistung für die Mitwirkung eines Unternehmens an der Aufdeckung eines Kartells, die zu verhängende Geldbuße mindern oder davon Abstand nehmen, die Verhängung einer Geldbuße zu beantragen (Link Kronzeugenregelung).