Inflation der Volksbegehren

Beitragsseiten

Update 21. Juni 2023: DerStandard.at stellt die Frage: "Geschäft oder Anliegen?" Der Artikel gibt zwar keine Antwort auf die Frage "Was hinter der Flut an Volksbegehren steckt", beleuchtet aber ein paar Player wie die "Initiative Gemeinsam Entscheiden" (IGE), an der u.a. der Anwalt Marcus Hohenecker beteiligt ist.

Update 4. April 2023: Nächste Eintragungswoche ist von 17. bis 24. April 2023. Details auf ethos.at

22. September 2022 - Das erste Volksbegehren der 2. Republik war 1964 das so genannte Rundfunkvolksbegehren. "Ziel des Volksbegehrens war, den Österreichischen Rundfunk durch ein Gesetz aus der Tagespolitik und den jeweils herrschenden politischen Verhältnissen herauszuhalten, und ihn damit zu einem unabhängigen Medium zu machen", berichtet Wikipedia. Der Effekt schon damals: Null komma Josef. Fünf Jahre später folgten zwei weitere Volksbegehren: "Schrittweise Einführung der 40-Stunden-Woche" und "Abschaffung der 13. Schulstufe". Die Ergebnisse dieser Begehren kann man durchaus als nachhaltig bezeichnen.

Bis Ende des vorigen Jahrhunderts wurden genau 24 Volksbegehren in Österreich durchgeführt. Allein seit Jänner 2022 wurde 40 (!) neue Volksbegehren angemeldet (Stand 22.9.22) - man kann von einer richtigen Inflation der Volksbegehren sprechen. Ob ein direkter Zusammenhang mit der aktuellen Geldentwertung besteht, werden Historiker vielleicht einmal untersuchen.

Ergänzung 23.2.23: Der Artikel hat offenbar einen Witzbold inspiriert, der am 15.11.22 das "Volksbegehren 'Sinnloses Volksbegehren'" einbegracht hat. Wortlaut: "Volksbegehren sind ein zahnloses demokratisches Instrument, das Bürgerbeteiligung vortäuscht, aber nichts ändert. Erfolgreiche Begehren werden kurz im Parlament diskutiert und wandern dann in den Papierkorb. Wenn die Politik unsere Zeit verschwendet, verschwenden wir ihre – Auge um Auge! Der Nationalrat wolle sinnlos über dieses Volksbegehren diskutieren und ein Gesetz beschließen, wonach das Nationalratspräsidium alle zu behandelnden Volksbegehren künftig 'sinnlose Volksbegehren' nennen muss." (registriert seit 15. November 2022)

Details siehe wikipedia: Liste der Volksbegehren

Derzeit können für folgende beim BMI registrierte Volksbegehren Unterstützungserklärungen abgegeben werden:

1 Freiraumvolksbegehren ( 98,6 KB) (registriert seit 5. Februar 2021)

2 Staatsbürgerschaft für Folteropfer ( 210,3 KB) (registriert seit 2. März 2021)

3 Lieferkettengesetz Volksbegehren ( 102,9 KB) (registriert seit 19. März 2021)

4 ECHTE Demokratie - Volksbegehren ( 55,9 KB) (registriert seit 1. April 2021)

5 Beibehaltung Sommerzeit ( 274,5 KB) (registriert seit 12. April 2021)

6 anti-gendern Volksbegehren ( 72,9 KB) (registriert seit 15. April 2021)

7 Untersuchungsausschüsse live übertragen ( 54,8 KB) (registriert seit 22. April 2021)

8 Lebensmittelrettung statt Lebensmittelverschwendung ( 52,7 KB) (registriert seit 28. April 2021)

9 Letzte Hilfe ( 50 KB) (registriert seit 17. Mai 2021)

10 KURZ MUSS WEG ( 37 KB) (registriert seit 18. Juni 2021)

11 Unabhängige JUSTIZ sichern ( 36,7 KB) (registriert seit 29. Juni 2021)

12 Asylstraftäter sofort abschieben ( 102 KB) (registriert seit 14. Juli 2021)

13 Verbot für Kinder-Instagram ( 43 KB) (registriert seit 19. Juli 2021)

14 Umsetzung der Lebensmittelherkunftskennzeichnung! ( 34 KB) (registriert seit 29. Juli 2021)

15 Rettung unserer Sparbücher ( 55,6 KB) (registriert seit 15. November 2021)

16 Wir fordern Coronaimpfstoffalternativen! ( 37,4 KB) (registriert seit 23. November 2021)

17 NEHAMMER MUSS WEG ( 60,1 KB) (registriert seit 14. Jänner 2022)

18 COVID-Strafen-Rückzahlungsvolksbegehren ( 51,1 KB) (registriert seit 14. Jänner 2022)

19 Das Intensivbettenkapazitätserweiterungs-Volksbegehren ( 72,9 KB) (registriert seit 20. Jänner 2022)

20 Gerechtigkeit den Pflegekräften! ( 50,4 KB) (registriert seit 20. Jänner 2022)

1 Cannabis legalisieren! ( 49,4 KB) (registriert seit 20. Jänner 2022)

2 Keine Impfpflicht Minderjähriger ( 39,6 KB) (registriert seit 28. Jänner 2022)

3 Nein zu Atomkraft-Greenwashing ( 31,3 KB) (registriert seit 1. Februar 2022)

4 Verfassungsgerichtshof: EILVERFAHREN - jetzt! ( 36,7 KB) (registriert seit 1. Februar 2022)

5 Tägliche Turnstunde ( 35,1 KB) (registriert seit 1. Februar 2022)

6 Essen nicht wegwerfen! ( 33,3 KB) (registriert seit 7. Februar 2022)

7 VolksABSTIMMUNG zur IMPFPFLICHT ( 42,4 KB) (registriert seit 7. Februar 2022)

8 GIS Gebühren JA ( 32,6 KB) (registriert seit 7. Februar 2022)

9 GIS Gebühren NEIN ( 33,1 KB) (registriert seit 7. Februar 2022)

30 Glyphosat verbieten! ( 52,5 KB) (registriert seit 11. Februar 2022)

1 KEINE 2G-KLASSENGESELLSCHAFT ( 42 KB) (registriert seit 23. Februar 2022)

2 Impfpflichtgesetz abschaffen - Volksbegehren ( 44,6 KB) (registriert seit 23. Februar 2022)

3 BELLEN MUSS WEG ( 147,5 KB) (registriert seit 10. März 2022)

4 Digitalisierungs-Volksbegehren ( 40,3 KB) (registriert seit 10. März 2022)

5 Frieden durch Neutralität ( 105,1 KB) (registriert seit 24. März 2022)

6 Kein NATO-Beitritt ( 34,1 KB) (registriert seit 24. März 2022)

7 Kein WHO/EU-Gesundheitsdiktat! ( 36,2 KB) (registriert seit 24. März 2022)

8 NEUTRALITÄT Österreichs JA ( 35,7 KB) (registriert seit 4. April 2022)

9 NEUTRALITÄT Österreichs NEIN ( 37,3 KB) (registriert seit 4. April 2022)

40 FRIEDENSVOLKSBEGEHREN ( 43,2 KB) (registriert seit 11. April 2022)

1 Keine militärische Aufrüstung! ( 36,6 KB) (registriert seit 11. April 2022)

2 Verfassungsrichter - Volksbegehren ( 77,7 KB) (registriert seit 26. April 2022)

3 BRUNO KREISKY - Neutralitätsvolksbegehren ( 39,1 KB) (registriert seit 26. April 2022)

4 Wissenschaft statt Blindflug ( 39,5 KB) (registriert seit 29. April 2022)

5 Energieabgaben streichen – Volksbegehren ( 44,1 KB) (registriert seit 23. Mai 2022)

6 Parteienförderungen abschaffen ( 39,7 KB) (registriert seit 1. Juni 2022)

7 Energiepreisexplosion jetzt stoppen! ( 35,7 KB) (registriert seit 14. Juni 2022)

8 Österreichs EU-Austritt ( 136,8 KB) (registriert seit 14. Juni 2022)

9 SELBSTHILFEGRUPPEN: Basisfinanzierung! Patientenbeteiligung! ( 38,4 KB) (registriert seit 14. Juni 2022)

50 BARGELD-Zahlung: Obergrenze JA! ( 38,1 KB) (registriert seit 14. Juni 2022)

1 BARGELD-Zahlung: Obergrenze NEIN! ( 36 KB) (registriert seit 14. Juni 2022)

2 Leistbare Lebensmittel garantieren ( 34,9 KB) (registriert seit 14. Juni 2022)

3 Bundespräsidentenwahl: faires Wahlrecht ( 81,1 KB) (registriert seit 26. Juni 2022)

4 BIST DU GESCHEIT ( 35,5 KB) (registriert seit 29. Juli 2022)

5 NATO Beitritt Österreichs ( 34,3 KB) (registriert seit 3. August 2022)

6 Raus aus WHO ( 43,8 KB) (registriert seit 12. August 2022)

7 ANTI-EU-VOLKSBEGEHREN ( 45,8 KB) (registriert seit 16. September 2022)


Grundlagen in der Verfassung

Allein über das Thema Neutralität laufen seit dem Frühjahr 2022 vier Volksbegehren gleichzeitig. Durch einen derartigen Aktivismus, oder die Forderung "Kurz muss weg" noch ein Jahr nach seinem Rücktritt aufrecht zu erhalten, wird der Sinn dieses Demokratie-Instrumentes in Frage gestellt. Es lohnt sich nachzulesen, was die Ö. Verfassung über das Volksbegehren sagt:

B-VG Artikel 41. (1) Gesetzesvorschläge gelangen an den Nationalrat als Anträge seiner Mitglieder, des Bundesrates oder eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates sowie als Vorlagen der Bundesregierung.

(2) Jedes von 100000 Stimmberechtigten oder von je einem Sechstel der Stimmberechtigten dreier Länder unterstützte Volksbegehren ist von der Bundeswahlbehörde dem Nationalrat zur Behandlung vorzulegen. Stimmberechtigt ist, wer am letzten Tag des Eintragungszeitraums das Wahlrecht zum Nationalrat besitzt. Das Volksbegehren muss eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit betreffen und kann in Form eines Gesetzesantrages gestellt werden. Bundesgesetzlich kann eine elektronische Unterstützung eines Volksbegehrens durch die Stimmberechtigten vorgesehen werden, wobei zu gewährleisten ist, dass sie nur persönlich und nur einmal erfolgt.

(3) Die näheren Bestimmungen über das Verfahren für das Volksbegehren werden durch Bundesgesetz getroffen.

Weiters sieht die Verfassung Volksabstimmungen und Volksbefragungen als mehr oder weniger direkt-demokratische Instrumente vor.

B-VG Artikel 43. Einer Volksabstimmung ist jeder Gesetzesbeschluss des Nationalrates nach Beendigung des Verfahrens gemäß Art. 42 beziehungsweise gemäß Art. 42a, jedoch vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten, zu unterziehen, wenn der Nationalrat es beschließt oder die Mehrheit der Mitglieder des Nationalrates es verlangt.

B-VG Artikel 45. (1) In der Volksabstimmung entscheidet die unbedingte Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen.

(2) Das Ergebnis der Volksabstimmung ist amtlich zu verlautbaren.

Artikel 46. (1) Der Bundespräsident ordnet die Volksabstimmung an.

(2) Stimmberechtigt bei Volksabstimmungen ist, wer am Abstimmungstag das Wahlrecht zum Nationalrat besitzt.

(3) Die näheren Bestimmungen über das Verfahren für die Volksabstimmung werden durch Bundesgesetz getroffen. Art. 26 Abs. 6 ist sinngemäß anzuwenden.

B-VG Artikel 60 (6) Vor Ablauf der Funktionsperiode kann der Bundespräsident durch Volksabstimmung abgesetzt werden. Die Volksabstimmung ist durchzuführen, wenn die Bundesversammlung es verlangt. Die Bundesversammlung ist zu diesem Zweck vom Bundeskanzler einzuberufen, wenn der Nationalrat einen solchen Antrag beschlossen hat. Zum Beschluss des Nationalrates ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich. Durch einen derartigen Beschluss des Nationalrates ist der Bundespräsident an der ferneren Ausübung seines Amtes verhindert. Die Ablehnung der Absetzung durch die Volksabstimmung gilt als neue Wahl und hat die Auflösung des Nationalrates (Art. 29 Abs. 1) zur Folge. Auch in diesem Fall darf die gesamte Funktionsperiode des Bundespräsidenten nicht mehr als zwölf Jahre dauern.

Nicht zuletzt ist das Volksbegehren im B-VG vorgesehen. Wie so oft eine Kann-Bestimmung, die mit der schwammigen Formulierung "Angelegenheit von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung" zu einem kernlosen Gesetz wird, das die herrschenden Parteien ohne Konsequenzen ignorieren, oder zur Wahrung ihrer Eigeninteressen leicht missbrauchen können.

Artikel 49b. (1) Eine Volksbefragung über eine Angelegenheit von grundsätzlicher und gesamtösterreichischer Bedeutung, zu deren Regelung die Bundesgesetzgebung zuständig ist, hat stattzufinden, sofern der Nationalrat dies auf Grund eines Antrages seiner Mitglieder oder der Bundesregierung nach Vorberatung im Hauptausschuss beschließt. Wahlen sowie Angelegenheiten, über die ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat, können nicht Gegenstand einer Volksbefragung sein.

(2) Ein Antrag gemäß Abs. 1 hat einen Vorschlag für die der Volksbefragung zugrunde zu legende Fragestellung zu enthalten. Diese hat entweder aus einer mit „ja“ oder „nein“ zu beantwortenden Frage oder aus zwei alternativen Lösungsvorschlägen zu bestehen.

(3) Volksbefragungen sind unter sinngemäßer Anwendung von Art. 45 und 46 durchzuführen. Stimmberechtigt bei Volksbefragungen ist, wer am Befragungstag das Wahlrecht zum Nationalrat besitzt. Die Bundeswahlbehörde hat das Ergebnis einer Volksbefragung dem Nationalrat sowie der Bundesregierung vorzulegen.

Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksbefragungen kommen erstmals im B-VG Artikel 6 vor, dessen Absatz (1) kurz und bündig lautet: "Für die Republik Österreich besteht eine einheitliche Staatsbürgerschaft." Der Absatz (4) dagegen braucht einen Übersetzer - nur so viel: es geht um die Detail-Frage, wo Häftlinge, also Menschen, die ihre Freiheitsrechte verloren haben, ihrem Wahlrecht nachgehen dürfen! Hier der Wortlaut: "(4) In den Angelegenheiten der Durchführung der Wahl des Bundespräsidenten, von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern und zum Europäischen Parlament, der Wahl des Bürgermeisters durch die zur Wahl des Gemeinderates Berechtigten, in den Angelegenheiten der Durchführung von Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksbefragungen auf Grund der Bundesverfassung oder einer Landesverfassung sowie in den Angelegenheiten der unmittelbaren Mitwirkung der zum Gemeinderat Wahlberechtigten an der Besorgung der Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde gelten für die Dauer einer Festnahme oder Anhaltung im Sinne des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr.  684/1988, die letzten, außerhalb des Ortes einer Festnahme oder Anhaltung gelegenen Wohnsitze und der letzte, außerhalb des Ortes einer Festnahme oder Anhaltung gelegene Hauptwohnsitz vor der Festnahme oder Anhaltung als Wohnsitze beziehungsweise Hauptwohnsitz der festgenommenen oder angehaltenen Person."