2. Dampfkraftwerke
Der überwiegende Teil der weltweit erzeugten elektrischen Energie wird in Dampfkraftwerken erzeugt. Auch in einem Dampfkraftwerk wird die Strömungsenergie eines Mediums genützt, um über Turbinen Generatoren anzutreiben. Dieses Medium ist der Wasserdampf. Nur ist seine Strömung wie gesagt keine natürliche, sondern eine durch entsprechende Apparaturen künstlich herbeigeführte.
Der Einsatz von Dampf zur Wandlung von Wärme in Bewegung geht ins achtzehnte Jahrhundert zurück und ist untrennbar mit dem Namen von James Watt verbunden. Dieser hat die Dampfmaschine zwar nicht erfunden, denn eine solche Erfindung übersteigt das Potential eines einzigen Erfinders bei weitem. Wie alle großen technischen Dinge, wie zum Beispiel das Fahrrad, ist auch die Dampfmaschine das Ergebnis einer langen technischen Evolution. James Watt hat die Dampfmaschine also nicht erfunden, doch er hat erste diesbezügliche Versuche derart verbessert, dass Dampfmaschinen industriell nutzbar wurden. Es ist daher nur recht und billig, dass die wichtigste energetische Einheit, das Watt (und deren Vielfache wie Kilo- Mega- oder Gigawatt) nach ihm benannt wurde und an ihn erinnern wird, solange unsere technische Zivilisation besteht.
Energie wird in einem Dampfkraftwerk viermal gewandelt. Erstens wird durch Verbrennung die im Brennstoff gespeicherte chemische Energie in Wärme umgewandelt. Die zweite Wandlung erfolgt in einem Kessel. In diesem wandelt die durch Verbrennung erzeugte Wärme Wasser in Dampf von hohem Druck und hoher Temperatur um. Der so erzeugte Dampf wird zu einer Turbine geleitet, welche die ihm innewohnende Energie in einem dritten Schritt in Bewegungsenergie wandelt. Die so erzeugte Bewegungsenergie treibt schließlich viertens einen Generator an, in welchem sie in elektrische Energie umgewandelt wird. Wie bei der Dampfmaschine waren bei der Entwicklung der Generatoren eine Reihe von ingeniösen Köpfen beteiligt, und wollte man jemanden hervorheben, so könnte dieser Jemand Werner von Siemens sein oder Nicola Tesla.
Das Beispiel, an dem ich veranschaulichen will, wie ein Dampfkraftwerk grundsätzlich funktioniert, ist ein Schnellkochtopf. Dieser ist ein abgeschlossenes Gefäß, in dem Wasser erhitzt wird, bis es verdampft und im Topf ein Druck entsteht, der das Bestreben hat, sich in Bewegungsenergie zu verwandeln, indem sich der Dampf nach außen entlädt. Damit der Druck im Topf nicht gefährlich hoch wird, was den Topf zerreißen könnte, ist er mit einem Sicherheitsventil ausgestattet, welches anspricht, bevor der Druck im Inneren einen kritischen Wert überschreitet. Dadurch dass dem Topf Dampf zischend entweicht, wird der Druck in seinem Inneren unterhalb dieses Wertes gehalten.
Würde man nun ein Kinderwindrad zur Hand nehmen und es in die Dampfwolke halten, die dem Topf entweicht, wenn das Ventil anspricht, so wird sich dieses Rad zu drehen beginnen. Man denke sich in der Nabe des Rotors noch einen winzigen Dynamo hinzu, der ein ebenso winziges Lämpchen mit Strom versorgt, und schon hat man die wesentlichen Strukturelemente eines Dampfkraftwerkes beisammen. Durch Verbrennen eines Primärenergieträgers wie Kohle, Erdöl, Erdgas oder Biomasse wird in einem Kessel Wasser verdampft und typischerweise auf einen Druck von über zweihundert Bar und eine Temperatur von über fünfhundert Grad Celsius gebracht. Der so erzeugte extrem energiehaltige Dampf wird über Druckrohre einer Turbine zugeführt, wo er sich entspannt, indem er deren Rotor in Drehung versetzt. Die Turbine treibt nun einen Generator an, der die mechanische Energie, die ihm die Turbine zuführt, in elektrische Energie umwandelt, was unser symbolisches Lämpchen zum Glühen bringt. Nur Zischen von entweichendem Dampf ist in einem Dampfkraftwerk nicht zu vernehmen, denn im Gegensatz zu unserem Schnellkochtopf entweicht der Dampf eines Dampfkraftwerkes nicht ins Freie, sondern durchläuft einen Kreislauf. Nachdem er seine Energie an die Turbine größtenteils abgegeben, sich in ihr entspannt und abgekühlt hat, wird er in einem der Turbine nachgeschalteten sogenannten Kondensator wieder zu Wasser kondensiert und das Wasser, zu dem er wieder geworden ist, zurück in den Kessel gepumpt, um dort in einem neuen Umlauf wieder verdampft zu werden. Damit der entspannte Dampf auch wirklich zu Wasser wird, muss er gekühlt werden. Ist genügend Wasser in der Nähe, weil das Kraftwerk an einem Fluss liegt oder am Meer, wird mit Wasser gekühlt, sonst mit Luft, und zwar mit Hilfe von riesigen Kühltürmen. Durch die Kühlung des Dampfes geht zwar viel Energie verloren, doch kann diese Energie genutzt werden, wenn der Dampf mit Wasser gekühlt wird. Weil sich das kühlende Wasser erwärmt, kann es zu Heizzwecken verwendet werden. Was unter dem Begriff „Fernwärme“ bekannt ist, stammt in einer Stadt wie Wien nicht nur aus Fernheizwerken, sondern zum Teil auch aus den Dampfkraftwerken, über welche die Stadt verfügt.
Auch ein Atomkraftwerk ist ein kalorisches Kraftwerk, mit heißem Hochdruckdampf als Medium. Auch in einem Atomkraftwerk wird Wasser verdampft und auf hohen Druck und hohe Temperatur gebracht. Nur die Primärenergie ist hier eine andere. Sie ist nicht die chemische Energie eines Brennstoffes wie Erdöl, Erdgas oder Kohle, sondern Nukle-arenergie, die beim Zerfall der radioaktiven Stoffe, aus denen die sogenannten Brennstäbe bestehen, frei wird.