Demokratie-Demontage auf Regionalebene
Langenwang: Die Bürgermeister von rund 2.000 Gemeinden Österreichs werden oft als "Gemeindeverwalter" betrachtet. Das mag in vielen Fällen stimmen, doch in den meisten Fällen sind die Bürgermeister Teil der Parteienhierarchien. Und in allen Fällen direkt abhängig von ihren Parteivorsitzenden und indirekt abhängig von den Parteimitgliedern in den übergeordneten Organen der Länder und des Bundes. Diese Abhängigkeiten führten u.a. dazu, dass ein öffentlicher Auftritt von unserem Kandidaten 2022 im Volkshaus seiner Heimatgemeinde Langenwang hintertrieben wurde. Hubert Thurnhofer berichtet:
Schon zu Jahresbeginn 2022 habe ich Bürgermeister Rudolf Hofbauer im Rathaus aufgesucht und über meine Kandidatur berichtet. Dabei habe ich ihn direkt auf einen Schlüsselsatz in "Baustelle Parlament" verwiesen: "Ich betrachte dieses Buch als Bewerbungsschreiben für das Amt des Bundespräsidenten". Dieses Buch habe ich ihm schon im Frühjahr 2020 geschenkt. Nun, im Wahljahr 2022 werde das Thema virulent und ich ersuchte ihn, dem einzigen Kandidaten aus Langenwang das Volkshaus für einen Vortrag zur Verfügung zu stellen und in der Gemeindezeitung, die dreimal jährlich erscheint, vorab darüber zu berichten. Mein Ziel war ein Bericht im Juni und eine Veranstaltung im Juli.
Nach einem erstem Versuch, mein Vorhaben abzuwimmeln mit dem Vorwand, die Gemeindezeitung berichte nicht über parteipolitische Themen und meiner Erwiderung, die Präsidentschaftswahl hat nichts mit Parteipolitik, sondern nur mit Demokratiepolitik zu tun, lenkt der Bürgermeister ein und verspricht, mein Anliegen im Gemeinderat Ende März vorzubringen.
Ende April erfahre ich vom Bürgermeister, dass der Gemeinderat "noch keine Entscheidung getroffen" habe. Er müsse "die Vorstandssitzung abwarten", denn der Gemeinderat tagt nur einmal im Qurtal, also wieder Ende Juni. Die "Vorstandssitzung" Anfang Juni kam zu dem "einstimmigen" Ergebnis, dass das Volkshaus für eine Veranstaltung über die Bundespräsidentenwahl nicht zur Verfügung stehe. Zumindest nicht für den einzigen Kandidaten aus Langenwang. Somit haben die Vorsitzenden der im Gemeinderat vertretenen Parteien (also ein demokratisch nicht legitimiertes Organ) darüber entschieden, wer das von der Bevölkerung bezahlte Volkshaus nutzen darf und wer nicht. Der ÖVP-Bürgermeister hat sich abgeputzt mit der Behauptung, er sei nur Sitzungsleiter, aber nicht stimmberechtigt im "Vorstand".
Beim Langenwanger Kirtag am 3. Juli treffe ich meinen Schulfreund und nunmehr ÖVP-Vizebürgermeister, Franz Reithofer, der sein ganzes Leben lang nichts anderes war als Bezirksparteisekretär der ÖVP. Ich stelle ihn lautstark zur Rede, damit es möglichst viele Langenwanger hören können, warum der Gemeinderat im März keine Entscheidung getroffen habe. Die unerwartete Antwort: "Das war gar kein Thema bei der Sitzung".
Warum sagt mir der Bürgermeister, er habe das Thema vorgebracht? Warum hast du nichts unternommen, um mein Projekt zu unterstützen?
Franz: "Ich hab nichts gewusst."
Wie bitte, du als Vize-Bürgermeister?
Franz: "Ja, der Bürgermeister muss mir ja nicht alles sagen."
Das heißt, der Bürgermeister lügt, wenn er mir sagt, er habe das im Gemeinderat vorgebracht?
Franz: "Ja, so ist das in der Politik. Politiker lügen."
Dabei schaute mir mein Volksschulfreund Franzi ohne Wimpernzucken in die Augen. So wurde eine öffentliche Diskussion über das Amt des Bundespräsidenten in Langenwang hintertrieben - genauer gesagt: gezielt verhindert, und das ist ein antidemokratischer Akt.
St. Marein/Mürztal: Mein Schulfreund Josef Scherz (Doktor juris, der in unseren privaten Gesprächen keine Gelegenheit auslässt, detailreich die Missstände im Staat zu kritisieren), ist seit ein paar Jahren Amtsleiter der Marktgemeinde St. Marein im Mürztal. Schon 2020 habe ich ihm mein Buch geschenkt und auf meinen "Schlüsselsatz" verwiesen sowie auf die Chancen des höchsten Amtes im Staate für unsere Demokratie hingewiesen. Auch ihn habe ich Anfang des Jahres gefragt, ob er mit mir eine Veranstaltung in St. Marein organisieren könnte. Dieses Anliegen habe ich Ende Mail, als ich ihn direkt in seiner neu eingerichteten Amtsstube besucht habe, wiederholt. Seine Erwiderung sinngemäß: "Unser Bürgermeister (Günther Ofner, ÖVP) ist sehr kritisch, aber er kann keinen Alleingang riskieren, sonst würde er das nächste Mal, wenn er in Graz (bei den Landesbehörden) etwas braucht, nichts mehr kriegen. Wir versuchen daher gemeinsam mit dem Kapfenberger Bürgermeister (Friedrich Kratzer, SPÖ) eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen". Nachsatz: "Das wird sich aber vor der Wahl nicht mehr ausgehen." Vorauseilender Gehorsam von Duckmäusern - das ist undemokratisches Verhalten.
Kindberg: Der Bürgermeister von Kindberg, Christian Sander, ist naturgemäß ein Sozialist. Bei einem Konzert der Werkskapelle Ende Juni habe ich ihn getroffen und gefragt, ob ich in einem Saal der Stadt eine Veranstaltung zur Vorstellung meiner Kandidatur durchführen könnte. Er fragt mich unerwartet, ob ich wisse, was Demokratie sei. Ja, Gewaltenteilung und gleiche Chancen für unabhängige Kandidaten bei Wahlen, glaubte ich zu wissen, wovon er redet. Doch der bodenständige Politiker weiß es besser: "Demokratie ist, wenn sich die Parteien auf ein Projekt einigen. Ich halte nichts von all diesen Bürgerbewegungen. Die bringen nur Unruhe in das System."
Ein Bürgermeister, der weiß, welche Parteien die Demokratie gepachtet haben, ist der Garant dafür, dass immer genug Mittel bis auf die Gemeindeebene durchsickern, so dass die Wut der Wähler nicht wirklich entbrennt, wenn die Parteibonzen das Land als Selbstbedienungsladen betrachten. Solche Bürgermeister sind Überzeugungstäter, die Offenheit nur innerhalb der eigenen vier Wände akzeptieren. Solche Politiker sind ihrem Wesen nach undemokratisch.
Ergänzung 30.11.22: Der Selbstbedienunsladen, den ich in meinen Reden und Artikeln dutzendfach angeprangert habe, ist mitterlweile Gegenstand der Meinungsforschung! SORA schreibt im Demokratiemonitor 2022: "Die Mitte stellt sich die Frage, ob das politische System noch ein Gemeingut oder eher ein Selbstbedienungsladen ist."
Resümee: Auf Bundes-, Landes- und Gemeinde-Ebenen agieren Politiker, die ihre Position und somit ihr Einkommen ihrer Partei verdanken. Alle samt Männer und Frauen, die gut davon leben, dass sich die Parteien unser Land - von der Verfassung über Parteiengesetz bis hin zu den Wahlgesetzen - so hergerichtet haben, dass ihre Mitglieder davon profitieren. Immer mehr parteifreie Menschen unseres Landes wollen immer weniger mit diesem System zu tun haben. Die Resignation der Gemeinschaft (=Polis), die aufgegeben hat, Türen in diesen Mauern zu finden, die sich öffnen lassen oder gar die Mauern nieder zu reißen, ist undemokratisch. Die Selbstgefälligkeit der Politiker jedoch, die sich hinter den Schutzmauern der Parteien verschanzen, ist antidemokratisch.
Die Gleichschaltung der neosgrünen SPÖVP Einheitspartei und der Massenmedien, insbesondere des Regierungsfunks ORF, unter Nutzung der Instrumente von Internet 4.0 - das ist DDR 4.0. Österreich 2022 kann bestenfalls noch in dem Sinne als "demokratisch" bezeichnet werden, wie auch die DDR eine "demokratische Republik" war, gemäß der Losung: wir dürfen ja wählen!