30. Oktober 2022- Vortrag von Hubert Thurnhofer bei der heutigen Online Konferenz der Initiative "Wiener Allianz". (Der Autor publizierte seit 2008 dutzende Beiträge zur Wirtschaftsethik. Gemeinsam mit dem Philosophen Nadim Sradj arbeitet er an einer Erweiterung der Betrachtungsweise zur Wirtschaftsästhetik. Der folgende Artikel ist ein erster Beitrag dazu.)
Mitglieder der Initiative "Wiener Allianz": Patrick Poppel, Gunnar Norbert Lindemann, Günter Willinger, Sissi Kotterer, Leo Klinke.
Einleitend habe ich ein paar aktuelle wirtschaftliche Daten recherchiert. Danach möchte ich am Beispiel Treibstoffpreise und Heizkosten zeigen, dass die statistischen Angaben wenig über die wirtschaftliche Realität aussagen. Und zuletzt möchte ich 9 Forderungen der unabhängigen Unternehmer-Organisationen einheit.at zitieren.
Die aktuellen Kennzahlen
Die Inflation in Österreich ist seit Jahresbeginn von 5 auf 10 Prozent gestiegen.
Der Verbraucherpreis-Index im August 2022 (auf Basis von 2020) liegt bei 112,6, auf Basis von 2015 bei 121,8.
Geldvermögen der privaten Haushalte ist 2022 erstmals seit Finanzkrise 2008 gesunken, es lag Ende des ersten Halbjahres mit 799 Mrd Euro um 3,4 Prozent unter jenem am Jahresende 2021. (Es gibt rund 4 Millionen Haushalte bei einer Gesamtbevölkerung von knapp 9 Millionen.) Anders gesagt: trotz der Finanzkrise ist das Geldvermögen nach 2008 gestiegen. Nein, man muss sagen: wegen der Krise ist das Geldvermögen gestiegen. Psychologen nennen das Angst-sparen. Dazu kommt das Zwangs-sparen mangels geeigneter Möglichkeiten Geld auszugeben.
Schauen wir nochmals zurück in das erste Corona-Jahr 2020: Österreichs Wirtschaft brach infolge der Pandemie um 6,7 Prozent ein. Das Haushaltseinkommen ist allerdings nur um 0,7 Prozent gesunken. Der Staat hat den Lohnausgleich bei Kurzarbeit und vieles mehr finanziert. Doch aufgrund der Lockdowns und Reisebeschränkungen ist der private Konsum um 7,2 Prozent gesunken, das entspricht rund 15 Mrd. Euro. Dieses Zwangs-sparen ließ die Sparquote auf einen neuen Rekordwert von 14,4 Prozent steigen, 2021 betrug sie immer noch 12 Prozent.
Die Österreicher sind in der Regel konservativ und legen ihr Geld auf das Sparbuch. Aufgrund der Deflation schrumpften die Vermögen bis 2020 um 7 Milliarden pro Jahr. Das Coronajahr 2020 weckte offenbar die Spekulationslust der Österreicher; so haben viele Sparer große Teile ihrer zusätzlichen Ersparnisse verlagert und in angeblich sichere Aktien und Zertifikate veranlagt. Und siehe da, sie habe damit 2020 und 2021 in Summe 16 Milliarden Euro Gewinne gemacht. ABER: im 1. Halbjahr 2022 führten diese Investitionen zu Verlusten von 18 Mrd Euro.
Zusammengefasst: bei den wohlhabenden Menschen dieses Landes ist die Inflation noch nicht angekommen. Die Aussage "Geldvermögen der Haushalte ist 2022 erstmals seit Finanzkrise 2008 gesunken" ist primär auf die Spekulationsverluste zurück zu führen.
Diese relativ abstrakten volkswirtschaftlichen Betrachtungen sollen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Realität anders ausschaut. In der Realität gibt es ja keinen Durchschnitt. So ist die volkswirtschaftlich korrekte Aussage "der Durchschnitt eines Haushalts verfügt über ein Vermögen von 200.000 Euro (799 Milliarden Euro durch 4 Millionen Haushalte)" realpolitisch ein Unsinn, denn mindestens zehn Prozent der Haushalte lebt vom Existenzminimum, etwa die Hälfte hat kaum oder keine nennenswerten Rücklagen.
Volkswirtschaftlich, mit der Inflationsrate, wird offenbar nicht abgebildet, welche Teuerung in diesem Jahr wirklich jeden trifft: der sprunghafte Anstieg der Energiekosten. An zwei Beispielen, die jeden betreffen, möchte ich dies Problematik illustrieren: 1. Treibstoffpreise und 2. Heizkosten.
ad 1: Treibstoffpreise
Der Benzinpreis ist seit Jahresbeginn von 1,4auf 1,8 Euro (am 24. Oktober) gestiegen. Der Preis lag im Juni und Juli allerdings schon über 2 Euro. Der Dieselpreis ist im gleichen Zeitraum von 1,4 auf 2 Euro gestiegen. Nach einem kurzen Rückgang m August liegt der Dieselpreis in diesem Jahr immer über dem Benzinpreis, obwohl bisher der Dieselpreis immer niedriger war als Benzin. Warum das so ist, das können die Experten nicht wirklich erklären. Die ausbleibenden Rohstoff-lieferungen aus Russland können dafür nicht die Ursache sein, weil Österreich nur zu einem geringen Teil Erdöl aus Russland bezieht. Der Hauptgrund ist wohl die Anfang Oktober eingeführte C02 Steuer.
Diese Steuer ist ein Beispiel dafür, wie dogmatisch die Regierung unseres Landes agiert. Der Fahrplan für eine Steuer, die dem Klimaschutz dienen soll, wird stur durchgezogen, unabhängig davon, ob diese Maßnahme in der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage angemessen ist. Als Kompensation für die Mehrausgaben erhält jede und jeder Österreicher, nicht jeder Staatsbürger, sondern wirklich alle Menschen, die in Österreich leben (auch Häftlinge!) 500 Euro als "Klimabonus". Der Begriff "Klimabonus" soll den Menschen suggerieren, die Regierung würde den Bürgern etwas schenken. Gleichzeitig soll ausgeblendet werden, dass die CO2-Steuer als Malus für all jene eingeführt wurde, die beruflich viel unterwegs sind. Die Art und Weise, wie dieser Bonus zur Auszahlung kommt ist ein typisches Beispiel dafür, wie Österreichs Realpolitik funktioniert.
So wird nicht einfach vom Finanzamt der Betrag überwiesen, oder bei der nächsten Steuererklärung als Gutschrift behandelt, sondern über extra produzierte Gutscheine ausbezahlt. Die Administration dieser Maßnahme kostet über 20 Millionen Euro. Eine ähnliche Maßnahme, der Energiekostenausgleich, wurde noch umständlicher organisiert hat zuletzt 30 Millionen Euro gekostet. Dogmatismus gepaart mit Dummheit - das ist Österreichs Realpolitik 2022.
ad 2: Heizkosten
Die Fernwärme Wien versorgt 440.000 Haushalte und wird als umweltfreundlichste Art der Wärmeversorgung betrachtet. Teil der Wärmegewinnung ist das Verbrennen von Restmüll in Heizkraftwerken mit hocheffizienten Filtern. Im August wurde bekannt, dass die Preise der Fernwärme mit einem Schlag verdoppelt werden. Gleichzeitig ist ein Gesetz geplant, das Gasheizungen in Neubauten schon ab 2023 verbieten soll. Ungefähr 45 Prozent der Wiener Haushalte verwenden derzeit Gasheizungen, ebenso viele Fernwärme. Mit dem Beispiel soll illustriert werden, dass es ziemlich egal ist, ob die Schwarz-Grüne (ÖVP+Grüne) Regierung im Bund, oder eine Rot-Pinke (SPÖ+NEOS) Regierung in Wien am Ruder ist - der Trend ist eindeutig: welches Ziel auch immer verfolgt wird, die Interessen des Volkes werden von den regierenden Politikern systematisch ignoriert.
Dazu passt, dass die Bundes-Regierung nun Jubelberichte über einen Deal mit Saudi Arabien verbreitet. Demnach erhalten wir "ein Schiff voll Flüssiggas" und zwar rechtzeitig vor dem Winter - 2023/24 !
Ein anderes Beispiel betrifft die Pelletheizungen - seit 20 Jahren eine einmalige Erfolgsstory in Österreich. Die Anzahl der Heizunganlagen mit Holzpellets ist von 2000 bis 2021 von 7.300 auf 162.000 gestiegen. Der Pelletsverband propellets lockt Besitzer von Ölheizungen zum Wechsel mit dem Versprechen:
"In Österreich werden Pellets in über 40 Werken im ganzen Land hergestellt. Das bedeutet, dass in nahezu jeder Region lokal produzierte Pellets verfügbar sind und eine hohe Versorgungssicherheit gewährleistet ist."
Weiters wird explizit darauf hingewiesen, dass die Pellet-preise unabhängig vom Gas- und Ölpreis sind:
"Während die Preise für fossile Energieträger – häufig bedingt durch politische Krisen – stark schwanken, zeigen sich Pellets überaus preisstabil. Zwischen 2006 und 2016 sind die Pellet-preise ingesamt um etwa 4 Prozent gestiegen – inflationsbereinigt ist der Pelletpreis in diesen zehn Jahren sogar um 14 Prozent gesunken." Das allerdings hat sich in diesem Jahr geändert. Und zwar rapide.
Lag der Preis im Jahr 2020 noch relativ stabil bei 200 Euro pro Tonne, ist er 2021 weit über dem langjährigen Schnitt auf 270 Euro (um 35%) gestiegen. Das war aber nur der langsame Anlauf für die Preisrally 2022: von 300 Euro im Januar auf 630 Ende Oktober.
Der Verband propellets rechtfertigt diese Preissprünge u.a. damit, dass rund 3,5 Millionen Tonnen Pelletimporte aus Russland, Belarus und der Ukraine ausgefallen seien. Das entspricht 10 Prozent des Bedarfs am europäischen Markt. Da Österreich deutlich mehr produziert als es verbraucht, kann dies nur als Schutzbehauptung betrachtet werden. Ich erinnere an die Aussage, dass die kurzen Lieferwege als ökologisches Argument für Pellets entscheidend sind, und jetzt wird plötzlich eine Abhängigkeit vom Import behauptet, die tatsächliche auf Österreich nicht zutrifft! Das riecht nach Preisabsprache. Es stinkt zum Himmel, und zwar so stark, dass mittlerweile die Bundeswettbewerbsbehörde Untersuchungen wegen Preisabsprachen anstellt.
Soweit ein Beispiel, von dem ich selbst betroffen bin, da meine Eltern seit 20 Jahren eine Pellet-Heizung im Keller ihres Hauses haben. Ob sie für fünf Tonnen Jahresbedarf 1.000 Euro oder 3.000, vielleicht bald 4.000 Euro zahlen müssen, ist bei einer Pension von 2000 Euro keine nebensächliche Frage. Außerdem müssen sie heute aus Angst zittern, dass sie ab Jahresbeginn vor Kälte zittern müssen, denn die Bestellung, die wir im August aufgegeben haben, wurde bis heute, 30. Oktober, nicht ausgeliefert.
Details siehe: Pellet-Story
einheit.at vs Wirtschaftskammer
Als Unternehmer bin ich zwangsweise Mitglied der österreichischen Wirtschaftskammer. Dieser fällt nichts besseres ein, als die Forderung: "Energiesteuern senken".
Es gibt seit zwei Jahren aber auch einen unabhängigen Verein, in der sich derzeit 8875 Unternehmer organisiert haben, nämlich einheit.at. Am Nationalfeiertag hat der Verein neun Forderungen an die Bundes-Regierung und die Wirtschaftskammer gerichtet, die ich abschließend hier zitieren möchte:
"Die drohende Zerstörung der österreichischen KMUs und des österreichischen Mittelstandes steht kurz bevor. Um dies zu verhindern und den Wohlstand der Bevölkerung aufrecht zu erhalten, fordern wir die sofortige Umsetzung der folgenden 9 Punkte:
1. Die Entscheidungsfreiheit über Test-, Masken- und -lmpfentscheidungen muss allen Bürgern eigenverantwortlich überlassen werden.
2. Sämtliche Coronamaßnahmen müssen umgehend beendet werden.
3. Sofortige Zuschaltung aller europäisehen Energieressourcen (z.B. Gas aus dem Weinviertel).
4. Es muss alles unternommen werden, dass die noch funktionsfähige "Nord Stream Leitung" in Betrieb genommen wird.
5. Österreich muss sofort wieder als neutraler Staat geführt und positioniert werden, sich entsprechend verhalten und sich als neutralen Ort für internationale FriedensverhandIungen anbieten.
6. Das Angebot Russlands für FriedensverhandIungen muss unverzüglich angenommen werden.
7. Sofortige Einstellung aller Waffenlieferungen. Sämtliche ausländische Waffentransporte durch österreichisches Staatsgebiet sind konsequent zu unterlassen.
8. Die Aussetzung sämtlicher Sanktionen gegen Russland, um eine weitere Beschädigung Österreichs zu verhindern.
9. Ein sofortiger Schuldenstopp und das Einsetzen einer parteiunabhängigen Steuerverschwendungs-Polizei."
Pointe am Schluss: Heute durfte ich wieder mal eine Stunde länger schlafen, weil in der EU die Sommerzeit auf Winterzeit umgestellt wurde. Schon vor Jahren wurde auf EU-Ebene der Beschluss gefasst, die ständigen Umstellungen einzustellen. Aus einem unerfindlichen Grunde waren die Mitgliedsländer der EU bis heute nicht imstande, diesen Beschluss umzusetzen.
Das hat nichts mit dem heutigen Thema zu tun. Oder doch? Ich möchte dazu nur lakonisch anmerken: alles hängt irgendwie zusammen.