Pellet-Story: Best Practice of Austria?

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Pellets. Kapitel 3 + + + VORBEMERKUNG: Dieser Artikel wurde im Juni 2021 im Auftrag der Interessensvertretung proPellets Austria verfasst. Hubert Thurnhofer hat im Frühjahr 2021 intensiv über Holzbiomasse recherchiert, insbesondere über das Campaigning internationaler Umweltschutzorganisationen gegen die Nutzung von Holz für die Erzeugung von Wärmeenergie. Dieser Artikel wurde von proPellets Austria bis heute (2.11.22) nicht publiziert. Nun führte die Bundeswettbewerbsbehörde BWB laut Presseaussendung "Hausdurchsuchungen im Markt für Pellets seit Dienstag, den 18.10.2022 durch. Es besteht der Verdacht, dass Pellethersteller und Pellethändler die Preise abgesprochen, Kunden aufgeteilt sowie den Absatz gemeinsam eingeschränkt bzw. kontrolliert haben. Von den laufenden Ermittlungen sind eine Reihe von Unternehmen und ein Verband in den Bundesländern Wien, Kärnten und Tirol betroffen. Die Hausdurchsuchungen wurden am 20.10.2022 abgeschlossen." proPellets publizierte umgehend nach Bekanntgabe der Untersuchungen eine eigene Pressemitteilung, die im zweiten Teil dieses Beitrags kritisch unter die Lupe genommen wird. Dieser Artikel soll zeigen, wie eine Success-Story, the Best Practice of Austria, zum Worst Case werden konnte, und zur Wiederherstellung eines beschädigten Marktes beitragen.

Screen proPellets 2 11 22

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Tu Felix Austria! New Economy ist zur Jahrtausendwende auch in Österreich angekommen. Start-up-Unternehmen schossen wie im Silicon Valley aus dem Boden und wurden von den Medien hoch gejubelt, doch nur wenige konnten mit der internationalen Entwicklung mithalten; nach 9/11 war die Story für die meisten zu Ende. New Economy hat sich als Strohfeuer erwiesen. Ironie am Rande: die Finanzbranche etablierte eine neue Benchmark zur Bewertung von Start-ups: die "Cash Burn Rate". Diese Kennzahl hat sich als unbrauchbar erwiesen, ebenso wie die meisten Businesspläne, welche die Wirtschaft neu erfinden wollten.

Weitgehend unbemerkt von der medialen Öffentlichkeit fand indessen in der "Old Economy" eine Innovation immer mehr Anhänger. Einfache Sägespäne wurden zu intelligenten Produkten veredelt: Pellets wurden zu den Bits der Wärmeerzeugung. Pellets enthalten die größtmögliche Energiemenge bei kleinstmöglichem Volumen, um Holz für die Wärme- und Energiegewinnung nutzbar zu machen. Ein Kilogramm Pellets enthält rund 4,9 kWh Energie, zwei Tonnen Pellets entsprechen somit circa 1.000 Litern Heizöl.

Der amerikanische Flugzeugtechniker Jerry Whitfield hat Holzpellets bereits 1978 erfunden - für einen selbst entwickelten Ofen zur Beheizung seines eigenen Hauses. Pelletierung war zuvor schon in der Futtermittelproduktion üblich. Rudolf Huber, kaufmännischer Angestellter in Amstetten, hat davon fünfzehn Jahre später gehört. Die zündende Idee lieferte eine TV-Dokumentation über den Kaminofenhersteller Rika aus Oberösterreich, der bis 1993 bereits 10.000 Pelletskaminöfen in die USA exportiert hat. So hat Whitfields Erfindung zwar einem Ofenhersteller zu Exporterfolgen verholfen, doch der österreichische Markt blieb mangels Angebot an Holzpellets unberührt. Erst Huber hat diese Marktlücke gefunden - man könnte sogar sagen: den Markt erfunden. Sein Engagement stand am Anfang einer einzigartigen Pellet Story made in Austria, die um die Jahrtausendwende ihren Durchbruch schaffte.

"Golden Nuggets"

Rudolf Huber versuchte umgehend die Eigentümer der Firma Umdasch, die in Amstetten Ladenmöbel und Schalungen produziert, zu überzeugen, die anfallenden Säge- und Hobelspäne für die Produktion von Pellets zu nutzen. Der Bau einer eigenen Pelletieranlage war dem Unternehmen zunächst zu teuer, so begann Huber mit dem Import von Pellets aus den USA, um das Marktpotenzial zu testen, und bestellte ein paar tausend Tonnen der "Golden Nuggets". Der Name bezieht sich nicht nur auf die goldig-glänzende Oberfläche der Pellets, sondern auch auf den damals exorbitant hohen Einkaufspreis.

Geschäftsführung hat Huber keine hochtrabenden Businesspläne mit Forecast-Rechnungen und vielen bunten Grafiken vorgelegt. Ebenso wenig hat er eine externe Agentur mit Marktforschung beauftragt, sondern höchst persönlich an 50 Heizkesselhersteller in Europa einen Brief geschrieben, um deren Einschätzung einzuholen, ob Holzpellets ein "Zukunftsbrennstoff" werden könnten. Ein Hersteller antwortete mit "ja", vier mit "nein" und 45 ließen den Brief Hubers unbeantwortet. Vielleicht ein Vorbote der New-Economy, in der es modern geworden ist, Mails mit höflichen Anfragen ganz einfach zu ignorieren. Aber das ist ein anderes Thema.

Hier geht es darum, dass Huber 1996 die erste Hürde schaffte und Umdasch in eine kleine Pelletieranlage investierte. 1997 verfügte Österreich über zwei Anlagen in Amstetten mit einer Produktionskapazität von zwei mal 5.000 Tonnen. Damit konnte Huber die ersten 425 Haushalte mit Pelletheizungen beliefern. Bald sind die Sägewerke Pfeifer in Tirol und Seppele in Kärnten auf den langsam anfahrenden Zug aufgesprungen. Auch die ersten Heizkesselhersteller, unter ihnen KWB und ÖkoFEN haben mit eigenen Entwicklungen von Pelletsheizungen begonnen. Im Jahr 2000 war der Markt aufbereitet, wenn auch noch nicht erobert.

Zur Jahrtausendwende gab es bereits genügend Heizkessel- und Kaminofenhersteller, um den Markt anzukurbeln. Auf der Ebene der Heizungstechniker waren bereits alle wichtigen Player im Spiel, die Anzahl der österreichischen Pelletsproduktionsstätten hat sich sukzessive entwickelt und bis 2020 auf 42 erhöht. Nicht unerheblich für den Markt ist neben der Innovationskraft auf der Herstellerseite auch die organisatorische Entwicklung der Händlernetze, die eine wachsende Zahl an Kunden beliefert.

Dynamischer Markt seit 2000

Die Anzahl der Pelletskessel und der Pelletsproduktion in Österreich in Fünfjahres-Etappen zeigt die Dynamik des Marktes:

2000: 7.342

2005: 36.910

2010: 78.980

2015: 122.870

2020: 148.000

2021: 162.000

Im Corona-Jahr 2020 konnte der Absatz von Pelletheizungen im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent gesteigert werden. Bundesförderungen haben in der Pelletwirtschaft einen substantiellen Wachstumsimpuls ausgelöst. Parallel dazu wurden die Produktionskapazitäten deutlich ausgebaut. „Blickt man auf die letzten 15 Jahre zurück, hat sich die heimische Pelletproduktion fast verdreifacht. Auch im vergangenen Jahr gab es wieder ein kräftiges Wachstum. Derzeit produziert Österreich mit rund 1,5 Millionen Tonnen Pellets um die Hälfte mehr als im Inland benötigt wird. Rohstoff für die Pelletproduktion in Österreich sind nach wie vor ausschließlich Sägenebenprodukte, die meist direkt im Sägewerk zu Pellets verarbeitet werden“, erläutert Christian Rakos, Geschäftsführer des Verbandes proPellets Austria.

Die geringste Dichte an Pelletheizungen hat Wien, wo die Fernwärme in den vergangenen Jahren massiv zugenommen hat und sich bislang lediglich zwei von 1.000 Haushalten für Pellets begeistern konnten, im Gegensatz zu Kärnten, wo 66 von 1.000 Haushalten mit Pellets heizen. Kärnten produziert auch die meisten Pellets (295.300 Tonnen), gefolgt von Steiermark, Tirol Niederösterreich und Oberösterreich. Die Gesamtproduktion in Österreich lag 2020 erstmals über 1,5 Millionen Tonnen, der Gesamtverbrauch des Landes bei einer Million Tonnen. Im Landesdurchschnitt haben 37 von 1.000 Haushalten mittlerweile eine Pelletheizung,

28 Lieferanten teilen sich heute den österreichischen Markt. So wie die Endkunden sind auch die 42 Pelletproduktionsstätten dezentral über ganz Österreich verstreut, Händler und Hersteller somit gut vernetzt und die Lieferwege meist unter 100 Kilometer. Die Energiebilanz der Pellets ist in dem Punkt unübertroffen, ebenso wie in allen anderen Bereichen. So enthält eine Tonne Pellets einen Energieinhalt von 4.900 kWh. Die Trocknung dieser Menge benötigt 614 kWh, die Herstellung selbst (Pressung und Kühlung) 244 kWh und der Transport lediglich 47 kWh, das ergibt einen Primärenergieaufwand für die gesamte Bereitstellung von 18,4 Prozent des Energieinhalts der Pellets.

Was heute so rund läuft, das erforderte in den Anfangsjahren das Organisationstalent und die Improvisationskünste von Rudolf Huber. Zuerst hat er die Pellets in Bigbacks mit einer Tonne Fassungsvolumen auf normalen Lkw transportiert und in der Umgebung von Amstetten ausgeliefert. Nach Anlauf der ersten Produktion suchte sich Huber Handelspartner, die wiederum geeignete Silo-Lkw benötigten. Zunächst wurden Futtermittel-Lkw verwendet, doch Reste von Mais in der Lieferung führten zu häufigen Reklamationen. So mussten spezielle Silo-Lkw her und da war, wie schon bei den Pelletieranlagen, die Firma Knoblinger aus Ried zur Stelle.

Es ist logisch, dass auch das Raiffeisen Lagerhaus diesen Markt entdeckt hat und mit der Tochter Wärme Austria Pellets mittlerweile ganz Österreich beliefert. Darüber hinaus lagert das Lagerhaus Pellets in eigenen Silos, wo die Lieferanten ihre Lkw vollautomatisch beladen können. Das organische Wachstum des Pellets-Netzes ist nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch nachhaltig. Das österreichische Pelletsnetz ist so ausgelegt, dass es in den kommenden Jahren noch viel enger geflochten werden kann.

Das Potenzial für das autonome, dezentral produzierende Pelletland ist noch lange nicht ausgeschöpft; das Waldreich Österreich bietet für den Einsatz von Biomasse noch viel Spielraum. Laut Daten der Österreichischen Waldinventur vergrößert sich die Waldfläche hierzulande kontinuierlich. Breiteten sich über das Land in den 1960er Jahren noch 3,7 Millionen Hektar Wald (44 Prozent der Fläche), so sind es heute vier Millionen, das sind 47,6 Prozent des gesamten Bundesgebietes.

Die "Österreichische Waldinventur" erhebt seit einem halben Jahrhundert periodisch eine Vielzahl von Daten über den Zustand und die Veränderungen des österreichischen Waldes. Die Datenbasis liefert umfassende Informationen über die Ressourcen des Rohstoffes Holz, über die Stabilität, die Struktur und die Dynamik des Ökosystems Wald sowie über seine ökonomische und ökologische Leistungsfähigkeit. Die Erhebung und Auswertung führt das Waldforschungszentrum BFW im Auftrag des Lebensministeriums durch. Der österreichische Wald sichert bundesweit rund 300.000 Einkommen in über 172.000 Betrieben. Mehr als die Hälfte der österreichischen Haushalte nutzt Holz als Brennstoff. Der jährliche Produktionswert der gesamten Wertschöpfungskette Holz beträgt rund 12 Milliarden Euro.

Qualitätssicherung

Rudolf Huber hat sich immer auch für die technischen Seiten des Brennstoffes und der Heizungen interessiert. Schon in den 1980er Jahren war er an der Entwicklung von Holzbriketts für Kaminöfen beteiligt. Damals war der Konkurs des Spanplattenherstellers Funder Auslöser für die innovative Idee, denn über Nacht ist der Firma Umdasch der wichtigste Abnehmer der Sägespäne ausgefallen. Auch bei der Entwicklung der Pellets hatte Huber mehr als ein Wörtchen mitzureden. Während tschechische Pelletexporteure Ware mit zehn Millimeter Länge lieferten, war Huber überzeugt, dass sechs Millimeter die ideale Länge für die optimale Verbrennung wären. Sowohl die Pelletproduzenten, als auch die Kesselhersteller haben letztlich Hubers Überzeugung mit eigenen Forschungen bestätigt.

Auch bei der Entwicklung der Önormen M 7135 (Pelletqualität), M 7136 (Pelletlogistik) und M 7137 (Pelletlagerung) hat Huber mitgewirkt, ebenso wie bei der Einführung des Gütezeichens DINplus. Seit 2014 gilt die weltweite Norm ISO 17225-2, welche die Eigenschaften von Holzpellets regelt und mit dem Siegel ENplus drei Qualitätsklassen ausweist: A1, A2 und B. Im Jahr 2020 wurden bereits 77 Prozent der Weltproduktion von 14 Millionen Tonnen ENplus zertifiziert.

2005 war der Pelletmarkt etabliert, die Pelletproduktion in Österreich ist auf 300.000 Tonnen gestiegen, die Kapazität betrug bereits 443.000 Tonnen und 36.900 Pelletskessel waren in Betrieb. In diesem Jahr hat Rudolf Huber ein "Lehrjahr" eingelegt, aber nicht ganz freiwillig eine neue Herausforderung gesucht. Umdasch stellte die Pelletproduktion ein. Der Grund dafür: nach Errichtung eines Heizkraftwerks in Amstetten hat die Firma einen neuen, langfristigen Abnehmer für die Sägespäne gefunden. Huber wechselte mit seinem Team zu einem umtriebigen Unternehmer, der jedoch nach neun Monaten Konkurs anmelden musste. Er ist mit seinem Konzept, auch Pellets mit Rinde zu verarbeiten, gescheitert. Das Lehrjahr erwies sich für Huber als "Leerjahr".

Was vor 20 Jahren noch nicht diskutiert wurde, war der Beitrag der Pellets zur Verringerung fossiler Brennstoffe. 2020 ist in Österreich das Ölkesseleinbauverbotsgesetz (ÖKEVG) in Kraft getreten. Das Gesetz sieht vor, dass es ab 2035 in der Alpenrepublik keine Ölheizungen mehr geben darf. Somit müssen schrittweise 500.000 Ölheizungen getauscht werden. Der Einbau von Ölheizungen in Neubauten ist bereits verboten, ebenso dürfen alte nicht mehr gegen neue Ölheizungen getauscht werden.

Ab 2025 müssen Ölheizungen, die älter als 25 Jahre sind, ausgetauscht werden. Die Umrüstung von Öl auf Pellets ist ein naheliegender Schritt, da die räumlichen Voraussetzungen für die Umrüstung auf Pelletkessel vorhanden sind. Nebenbei wurde auch das Ende der Kohleheizungen besiegelt, was aber nur noch 8.000 Haushalte betrifft. Im direkten Vergleich mit Erdöl als Heizstoff führt der Einsatz von Pellets zu einer Reduktion der CO2-Emissionen von 97,7 Prozent. Die Einsparungen beginnen bei den Trockenanlagen der Sägespäne, die in den meisten Werken mit Holzabfällen, vorwiegend Rinde geheizt werden, und endet bei den Pelettiermaschinen, die vorwiegend mit Strom aus Wasserkraft betrieben werden.

Der österreichische Pelletmarkt kann als Lehrbeispiel für Schwarmintelligenz betrachtet werden. Ähnlich wie das Open Source Betriebssystem Linux (Initiator Linus Torvalds) oder das Onlinelexikon Wikipedia (Initiator Jimmy Wales) in der digitalen Welt, hat Rudolf Huber in Felix Austria ein Projekt geschaffen, das nicht auf Gewinnmaximierung eines oder einiger weniger Player ausgerichtet ist, sondern auf eine optimale Vernetzung aller Player, ebenso wie auf eine optimale Nutzung der Ressourcen zum Wohle der Kunden und der Natur. Auch die Gemeinwohlwirtschaft, deren Saatkörner in in manchen Branchen bereits zarte Pflänzchen tragen, könnte diese Story als Best Practice in ihre Geschichte aufnehmen.

Österreichs Pellets Story als einzigartig zu bezeichnen, ist keine Übertreibung. Die Schweiz, flächenmäßig nur halb so groß wie Österreich, aber einwohnermäßig fast gleich groß, hat heute gerade mal einen Jahres-Verbrauch von 300.000 Tonnen. Das Land ist immer noch sehr an Erdöl gebunden, die Pelletpreise liegen 30 Prozent höher als in Österreich. Das erinnert Huber an seine Goldgräberstimmung vor 25 Jahren, als er "Golden Nuggets" aus den USA importierte.

Huber, längst als "Pionier der ersten Stunde" ausgezeichnet, hat nach seinem "Leerjahr" 2005 bis zur seiner Pensionierung 2011 noch ein paar "Auslandssemester" absolviert und für GEE Energie mit Sitz in Hamburg den Biomasse-Markt in Deutschland aufbereitet. Deutschland hat die Energiewende erfunden, doch die Holz-Biomasse spielt in den Szenarien der Energiewende eine vergleichsweise kleine Rolle.

Siehe auch: Bioenergy: Good Bad or Ugly?