Wo Österreich bei Menschenrechten säumig ist

Zwischenbericht der Zivilgesellschaft an UNO + Liga für Menschenrechte und Volksanwaltschaft präsentieren Tool + ZARA - Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit fordert Aktionsplan

7. November 2023 - (Pressemitteilung der Volksanwaltschaft APA / OTS) - „Die Volksanwaltschaft ist das Menschenrechtshaus der Republik Österreich. Hier ist der Menschenrechtsbeirat angesiedelt. Wir sind für die Präventive Menschenrechtskontrolle in Gefängnissen, Alten- und Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen zuständig, und wir bringen uns aktiv in die Menschenrechtskontrolle der UNO ein, zuletzt, als überprüft wurde, ob Österreich die UN-Behindertenrechtskonvention einhält“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz: „Wir arbeiten aber auch eng mit der Zivilgesellschaft zusammen. Jetzt haben wir in einer Wissenschaftskooperation mit der Österreichischen Liga für Menschenrechte ein Online-Monitoring-Tool entwickelt, das mit ein paar Mausklicks zeigt, wo Österreich in Sachen Menschenrechte säumig ist. Und es zeigt, dass dabei enormer Handlungsbedarf besteht.“

Die Österreichische Liga für Menschenrechte koordiniert das Universal Periodic Review (UPR), den Lagebericht der österreichischen Zivilgesellschaft. Der UPR-Prozess ist ein Instrument des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen, das geschaffen wurde, um die Menschenrechtslage in den Mitgliedsstaaten zu überprüfen. Die Liga bringt am 7. November den Zwischenbericht der österreichischen Zivilgesellschaft zum UPR bei der UNO ein.

Liga für Menschenrechte: „Bilanz der Regierung ernüchternd“

Die Österreichische Liga für Menschenrechte hat im sogenannten „Universal Periodic Review“-Prozess (UPR) beim Menschenrechtsrat der UNO einen Zwischenbericht („Midterm-Report“) über den Umsetzungsstand der Empfehlungen eingebracht. Der UPR ist ein zyklischer Prozess, der alle fünf Jahre einen umfassenden Stand der Menschenrechtslage erhebt. Derzeit befinden wir uns in der Mitte des aktuellen Zyklus, was sowohl der Republik als auch der Zivilgesellschaft Zwischenberichte ermöglicht. Die Österreichische Liga für Menschenrechte koordiniert dabei mehr als 250 Organisationen der österreichischen Zivilgesellschaft über deren Dachorganisationen.

„Die Zivilgesellschaft hat in ihrem Zwischenbericht aus den 317 menschenrechtlichen Empfehlungen an Österreich zu 45 Themen-Clustern Einschätzungen abgegeben. Die Bilanz fällt dabei ernüchternd aus“, fasst Florian Horn zusammen, der den Zwischenbericht koordiniert hat: „Von diesen 45 Themen-Clustern ist nur bei 18 – also bei 40 Prozent – ein Fortschritt in unterschiedlichen Umsetzungsstadien festzustellen, bei 27 – das heißt bei 60 Prozent – gab es überhaupt keine wirksamen Umsetzungsbemühungen.“

„Es müssen daher in den folgenden zwei Jahren noch erhebliche Anstrengungen unternommen werden, wenn Österreich überhaupt eine Chance auf einen adäquaten Abschluss des aktuellen Zyklus des UPR haben will“, sagt Horn. Diese Umsetzung ist sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene notwendig. Die Zivilgesellschaft wird zwar im aktuellen URP-Zyklus wieder vermehrt eingebunden, was erfreulich ist. Für mehr Effizienz, bedarf es weiterer Verbesserungen. Horn: „So müsste die Einbindung von zivilgesellschaftlichen Expertinnen und Experten in Gesetzesinitiativen deutlich früher erfolgen.“ Auch einer langjährigen Forderung der Zivilgesellschaft und mehrerer Staaten der UNO an Österreich nach einem generellen, strategischen und übergeordneten Nationalen Aktionsplan für Menschenrechte bleibt weiterhin unerfüllt. Ein echtes Commitment und ein strategischer Plan der Regierung zu den Menschenrechten wäre wünschenswert und dem aktuellen „Flickwerk“ vorzuziehen.

Derzeit gibt es zudem keine ausreichende staatliche Initiative, ein effektives Menschenrechts-Monitoring einzuführen. Um diese Situation zu verbessern, hat die Liga aus einer Forschungskooperation mit der Volksanwaltschaft und mit Teilfinanzierung durch den Zukunftsfonds ein Online-Monitoring-Tool auf der Webseite www.liga.or.at/upr ins Leben gerufen, das in Zukunft einen jederzeit aktuellen Umsetzungsstand der menschenrechtlichen Empfehlungen an Österreich bieten wird.

ZARA: Gegen Rassismus vereint: Ein Nationaler Aktionsplan in Sicht?

An wirksamen Umsetzungsbemühungen der Republik Österreich mangelt es auch bei vielen Forderungen im UPR aus dem Bereich der Anti-Diskriminierung, wie etwa dem immer noch fehlenden Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus.

ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit, die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte und andere zivilgesellschaftliche Organisationen in Österreich haben längst erkannt, dass struktureller Rassismus in jedem Bereich unserer Gesellschaft vorherrscht, insbesondere in der Arbeitswelt, bei Bildung, im Gesundheitswesen und beim Wohnen. „Und doch ist eine Lösung zur Reduzierung struktureller Ungleichheiten in allen neun Bundesländern nicht in Sicht“, sagt ZARA-Geschäftsführerin Rita Isiba.

Seit 2001 fordert ZARA von der österreichischen Bundesregierung die Ausarbeitung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus, der Ziele und Maßnahmen enthält, die Rassismus auf struktureller und institutioneller Ebene bekämpfen.

Seit 24 Jahren veröffentlicht ZARA jährlich den Rassismus Report, in dem rassistische Übergriffe, die an ZARA gemeldet wurden, und die dahinterliegenden rassistischen Strukturen analysiert werden. Die bisher veröffentlichten 23 Rassismus Reports enthalten Daten zu den bei ZARA eingegangenen Meldungen und zeigen, wie viele Menschen, die direkt von Rassismus betroffen sind oder die als Zeug*innen einen rassistischen Vorfall gemeldet haben, und wie viele Menschen ZARA beraten hat. Isiba sagt: „Es ist ein Fehler zu denken, dass Rassismus nur aus einzelnen Fällen pro Jahr besteht. Rassismus ist ein tiefes Problem, das schon immer da war und überall im täglichen Leben vorkommt. ZARA will zeigen, dass man Rassismus nicht einfach durch Zahlen von einem Jahr zum nächsten messen kann.“

Die Bekämpfung von Rassismus erfordert eine Gesamtstrategie, die die Entwicklung und Umsetzung eines strategischen Ansatzes fördert. ZARA und verschiedene Communities sowie zivilgesellschaftliche Organisationen haben basierend auf ihren Erfahrungen in der Antirassismusarbeit und auf systematischen Analysen bereits viel Vorarbeit für Ziele und Maßnahmen geleistet, die in einen Nationalen Aktionsplan gegen Rassismus aufgenommen werden sollten.

Rückfragen & Kontakte: Volksanwaltschaft, 

Florian Kräftner, Mediensprecher im Büro von Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz

+43 664 301 60 96 / Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Österreichische Liga für Menschenrechte

Team UPR Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit

Ramazan Yıldız, MSc Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Kommentar HTH: Die Ausführungen sind sehr allgemeint gehalten. Deshalb hat ethos.at die Liga der Menschenrechte (Präsidentin Barbara Helige) um Präzisierung gebeten: Die Infos sind sehr allgemein gehalten. Bitte um Auskunft, welche aus Sicht der LIGA in den vergangenen drei Jahren die drei schlimmsten Menschenrechtsverletzungen in Österreich waren.

Florian Horn antwortet am 21.11.23: "Wir möchten hier nicht unbedingt werten, weil Menschenrechte an sich universell und unteilbar sind. Wenn Sie Themengebiete suchen, wo es sehr konkrete Säumnisse gibt, dann wären da aus meiner Sicht tatsächlich der fehlende Nationale Aktionsplan gegen Rassismus zu nennen mit allen Aspekten, die ZARA bei der Pressekonferenz vorgetragen hatte. Weiters gibt es Rückschritte bei der Inklusion von Kindern mit Behinderungen in den Schulen (siehe hier: https://liga.or.at/upr?assignee=UPR-Empfehlungen&cycle=3&number=139.143&number-id=139.143). Und besonders medial augenscheinliche Verletzungen waren auch Abschiebung von integrierten Kindern und Jugendlichen ins Ausland ohne ausreichende Wahrung der Kinderrechte, auch wenn dies im konkret eingebrachten UPR keine ausdrückliche Forderung an Österreich war."

ethos.at hat auch die Volksanwaltschaft um Präzisierung gebeten und die gleichen Fragen gestellt.

Florian Kräftner antwortet am 10.11.23: "Leider können wir kein Ranking der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen anbieten. Die Volksanwaltschaft hat keinen Überblick über sämtliche Fälle. Beim Pressegespräch diese Woche wurde auch der UPR-Zwischenbericht der Liga für Menschenrechte präsentiert, der über den Umsetzungsstand einzelner Empfehlungen berichtet. Sie finden ihn hier als Download.

Die Volksanwaltschaft hat den verfassungsgesetzlichen Auftrag, zum Schutz und zur Förderung von Menschenrechten öffentliche und private Einrichtungen zu überprüfen, in denen Menschen in ihrer Freiheit beschränkt sind oder beschränkt werden können. Dazu zählen neben Gefängnissen und Polizeieinrichtungen unter anderem auch Krankenanstalten, Alten- und Pflegeheime, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, Einrichtungen für minderjährige Flüchtlinge, Wohn- und Werkstätten sowie Tageszentren für Menschen mit Behinderungen.

Ziel der präventiven Menschenrechtskontrolle ist es, auf Rahmenbedingungen hinzuweisen, die zu Menschenrechtsverletzungen führen können. Institutionen werden unterstützt, den Fokus auf Vorkehrungen und Maßnahmen zu richten, um Eingriffe in die Menschenrechte zu vermeiden.

Hier finden Sie die Feststellungen und Empfehlungen der Volksanwaltschaft.