"Zeit für Sauberkeit" sei die "inhaltliche Grundlage für seine Kandidatur" bei der Wahl des Bundespräsidenten, sagte Gerald Grosz bei der Präsentation seines neuen Buches am 8. Juni 2022. Im Vorwort schreibt er: "Dieses Buch ist ein Plädoyer für Sauberkeit in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ... für eine neue Ära des Anstandes." Somit stellt sich die Frage, ob der Autor seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird.
Im ersten Teil des Buches schildert Grosz drei Fälle, in denen er persönlich der Versuchung zur Korruption ausgesetzt war. Als Hauptverantwortlicher für die Öffentlichkeitsarbeit von Familienminister Herbert Haupt, kaum 23 Jahre alt, "fiel mir die für mich neue Aufgabe zu, eine ordnungsgemäße Ausschreibung über diesen damals 20 Millionen Schilling schweren Werbeetat sicherzustellen." Der erste Anrufer "von einem langjährigen Werber aus dem Umfeld de Partei" ließ nicht lange auf sich warten. Der Kontakt endete "mit dem Absingen hässlichster Schimpfwörter, die einer Art Erpressung nicht unähnlich waren". Als nächster stand "ein gewisser Herr H." unangemeldet vor der Tür von Grosz. Auf dessen Abweisungen erfolgte umgehend eine Intervention "aus dem Vizekanzleramt", d.h. von Susanne Riess-Passer, die namentlich nicht erwähnt wird. Doch: "H.s Unternehmen wurde folgerichtig ausgeschieden." Dass der "mittlerweile verurteilte Cheflobbyist" Peter Hochegger war, wird wohl niemand erraten. Wer die Ausschreibung gewonnen hat, erfährt der Leser leider nicht.
In zwei weiteren Fällen hörte Grosz den "Zaubersatz: Es soll nicht zu deinem Nachteil sein", doch Grosz konnte diesen Versuchungen widerstehen. "Dass ich ... mir täglich im Spiegel ins Gesicht schauen kann, liegt daran, dass ich stets die Verpflichtung meines Chefs Herbert Haupt beherzige: 'Greif niemals zu'". Diese persönlichen Erfahrungen sind vielversprechend: der Leser hofft auf weitere Insider-Storys aus dem langen Politikerleben von Grosz, das bereits 1993 als 15-Jähriger im Ring Freiheitlicher Jungend in Deutschlandsberg begonnen hat.
Grosz war und ist Teil des Systems
Korruption sei "die DNA des politischen Systems", so Grosz, der über 22 Jahre Teil dieses Systems war. Nur sieben Jahre im RFJ hat es gebraucht, bis er als Pressesprecher und persönlicher Sekretär von Minister Haupt nach Wien übersiedelte. Parteipolitisch aktiv war Grosz, 2008 - 2013 als Multifunktionär (Mtiglied des Gemeinderates von Graz und Abgeordneter zum Nationalrat). Zwei Jahre lang, bis 2015, war er Obmann der FPÖ-Splitterpartei BZÖ. Ob der nunmehr als "unabhängiger Kandidat" antretende Grosz jemals aus dem BZÖ ausgetreten ist, oder - wie das so üblich ist - seine Mitgliedschaft nur ruhend gestellt hat, oder ob das BZÖ sich mittlerweile aufgelöst hat, diese Fragen kehrt der Saubermann unter den Teppich.
Die Hoffnung auf weitere Insider-Infos und somit auf neue Fakten zur Zeitgeschichte zerschlagen sich schnell. Alle Skandale, über die Grosz in weiterer Folge herzieht, sind hinlänglich aus den Medien bekannt. Auf den ersten, enttäuschenden Teil im Umfang von rund 50 Seiten folgen weitere 140 Seiten, in die man am besten gar keine Erwartungen setzt. Diese, sagen wir mal diplomatisch "Texte" über das "Dreikanzlerjahr", sind nichts anderes als die Sammlung seiner fast täglichen Videoansprachen und Videobotschaften von 1. März 2021 bis zum 7. Januar 2022.
Rhetorik einer MP + Selbstbespiegelung
Man kann davon ausgehen, dass Grosz diese Texte für "politische Analysen" hält. Doch die im dauernden Zustand der Erregung vorgetragenen Polemiken sind bestenfalls Infotainment, selten informativ aber immer mit einer Überdosis Entrüstung aufgeladen. Entrüstung ist aber nie ein Beitrag zur Abrüstung, sondern im Gegenteil: es geht Grosz nie um eine sachliche Abhandlung eines Themas, um die sachliche Auseinandersetzung mit einem Problem, um tiefere Untersuchung der Ursachen, Analyse seiner Auswirkungen und Aufzeigen von Lösungen, sondern immer um das Ziel, auf das er sich einschießt. Doch seine rhetorischen MP-Salven gehen niemals unter die Haut - weder beim Ziel noch beim Leser. Das liegt daran, dass Grosz mit seiner MP lediglich Platzpatronen abfeuert. Die Ziele wechseln, doch die Munition bleibt immer die Gleiche.
Oberflächlich betrachtet ist das Buch Teil einer Show, die Grosz mit SM-Videos, Rededuellen bei Fellners Online-TV oder auf Bühnen in ganz Österreich aufführt. Philosophisch (dem Wesen nach) betrachtet ist das Buch Teil seiner Selbstbespiegelung. "Denn am Ende müssen wir uns jeden Tag selbst im Spiegel ins Gesicht schauen können", sagt/schreibt Grosz nicht nur einmal. Und man spürt, dass er gerne und mehrmals täglich in den Spiegel schaut. Die tiefenpsychologische Begründung für diese Verhaltensauffälligkeit liefert Grosz selbst mit der "Tatsache, dass nicht alle, aber die meisten Politiker über eine narzisstische Natur verfügen. Denn wer 24 Stunden und sieben Tage tatsächlich freiwillig im Rampenlicht stehen will, muss eben über eine narzisstische Persönlichkeitsstörung verfügen."
Dass er nicht zu "nicht allen", sondern zu den "meisten Politikern" zählt, kann man auch aus der Tatsache ableiten, dass er nur ein einziges Buch zitiert: "Freiheit ohne Wenn und Aber". Der Autor dieses Buches: Gerald Grosz. Der einzige Inhalt seiner Bücher spiegelt sich bereits auf den Covers: Grosz hoch Grosz, wobei "Freiheit" und "Sauberkeit" geradezu dezent mit einem Foto des Autors auskommen, während auf seinen ersten beiden Buchdeckeln jeweils fünf Fotos seiner Wenigkeit die Fans erfreuen. Spiegelbilder eines Menschen, der nur eines braucht: das Rampenlicht.
Neuwahlen. Was dann?
"In Zukunft sollen ehrbare, integre und unbestechliche Persönlichkeiten die politische Elite des Landes stellen", fordert Grosz. Woher er diese nehmen will, bleibt ungeklärt, denn die einzige politische Idee, die er immer wieder ventiliert und als Bundespräsident wohl auch umsetzen würde, ist die Absetzung der bestehenden Regierung und darauf folgende Neuwahlen. Die hätte sich Grosz übrigens schon für das Frühjahr 2022 gewünscht - und dann? Monatelange Wadlbeißereien und Ablenkungen von den wirklich wichtigen Themen (z.B. Verfassungsreform als Grundlage einer besseren künftigen Demokratie mit Fokus auf Gewaltenteilung und Abschaffung der systemimmanenten Korruption). Am Ende hätten wir die gleichen Parteien und die altbekannten Köpfe im Parlament mit ein paar prozentuellen Verschiebung und ein paar neuen Köpfen, eventuell aus der MFG. Aber was würde das am System, an der DNA des Systems ändern? Darauf hat Grosz keine Antwort, weil er sich diese Frage gar nicht stellt. Fragen stellt Grosz grundsätzlich keine, solange er seinen Finger am Abzug der MP hat.
Am 19. April 2021 zieht Grosz eine "Dekadenzbilanz" über das 10-jährige Regierungsjubiläum des "Kinderkanzlers Basti Fantasti": "als Belohnung für Ihr wohltätiges Wirken bekommen Sie nun den Freiheitspreis der deutschen Medien [Anm: es ist ein Preis der Weimer Media Group]. Bei 180 Millionen Schweigegeld, die Sie den österreichischen Medien in den Hintern geschoben haben, hätten Sie sich auch die Bronzestatuette der Nackerten auf Seite 5 im dümmsten Kleinformat der Republik verdient". An dieser und an manchen anderen Stellen hätte man gerne eine Quellenangabe für die genannten Zahlen, aber das ist ein anderes Thema.
Medienkorruption und Kleinformate
Hier geht es um das "dümmste Kleinformat der Republik", womit Grosz vermutlich nicht das Schmierblatt meint, das mit jeder Ausgabe den Namen unserer Republik besudelt. Für den Erfinder und Herausgeber dieses Schmierblatts duellieren sich Grosz und Bohrn-Mena regelmäßig auf oe24.at. Wolfgang Fellner ist der selbstgefällige Moderator in der Mitte dieser Inszenierungen. Man darf davon ausgehen, dass Grosz die wöchentliche Fahrt nach Wien nicht für einen warmen Händedruck absolviert, sondern dafür ordentlich von Fellner entlohnt wird. Man muss davon ausgehen, dass der "Präsidentschafts-Kandidat Grosz" eine Erfindung von Wolfgang Fellner ist.
Das Fellner-Blatt - infolge manipulierter Umfragen für Kurz (2016 noch Möchtegern-Kanzler) in die Schlagzeilen der Konkurrenz geraten - hat zum Gegenschlag angesetzt und aufgedeckt, dass allein die vier größten Tageszeitungen 2020 von der Regierung mit 50 Millionen Euro für Corona-Propaganda angefüttert wurden, davon erhielt die Kronenzeitung 18,5 Millionen, Österreich 12,8 Millionen, Heute 10,8 Millionen und Kurier 10,7.
Fellners ebenso wie Dichands zeigen sich gerne als tüchtige, unabhängige Unternehmer. Aber ohne Millionenbeträge von der Stadt Wien sowie den städtischen Betrieben und allen nur erdenklichen Bundes-Ministerien (sogar das Finanzministerium ist der Auffassung, man müsse die Leser dieser Blätter mit ganzseitigen Inseraten über "Ausfallsbonus" und "Lockdown Umsatzersatz" beglücken) würden sie keinen Monat überleben. Somit profitiert Grosz bis heute indirekt von der "DNA" unseres politischen Systems, von der Korruption, in der einige große Medien des Landes den Staat abkassieren, ohne dass ein "unabhängiger Journalist" darob jemals eine Zeile oder auch nur ein Wort schreiben würde. Und: ohne dass ein Bürger dieses Landes jemals gefragt wurde, ob er für jährlich dreistellige Millionenbeträge mit Regierungspropaganda beglückt werden will. Aber das kehrt der Saubermacher Grosz unter den Teppich.
Was ist Anstand?
Wenn Grosz von Anstand spricht, so spricht einer mit der DNA dessen, der nichts anderes als Politiker gelernt hat. Anstand ist das, was ein bestimmter Stand für gut und richtig hält. Anstand ist das, was einem Stande gut ansteht, woraus die Standesvertreter selbstgefällig das Recht ableiten, dass es ihnen zusteht. Es ist offensichtlich, dass Berufs-Politiker nach langjährigen Parteikarrieren nicht die selben Vorstellungen von gut und richtig haben wie der Normalbürger. Wenn Grosz sich jetzt als Saubermann, Rächer der Entrechteten und Kämpfer gegen das System inszeniert, dann ist das unglaubwürdig. Grosz kann und will nichts Grundlegendes an diesem System ändern. Zur Verfassung fällt ihm nichts anderes ein, als dass sie "auf Schönheit bedacht" sei. Das ist offenbar sein ganzes Verfassungswissen, basierend auf einer Phrase des "rauchenden Aschenbechers" (Grosz über VdB) anlässlich der Einsetzung der Regierung Bierlein.
Wahrscheinlich hat Grosz als Corona-Kritiker viele Fans gefunden, aber mit seiner eigenen Impfung hat er jegliche Glaubwürdigkeit verloren. Am 1. November 2021 schreibt er: "Ich bin geimpft, doppelt immunisiert. ... Warum habe ich der Politik geglaubt? Das frage ich mich auch, dieser Fehler wird mir nie mehr passieren. Garantiert!" Man darf zusammenfassen: x-fach kritisiert Grosz die Politiker für ihre Fehlentscheidungen in der Corona-Politik. Maskenzwang, Inzidenzwahn, Impfzwang usw, aber im Grunde seines Herzens hat er der Regierungspropaganda doch geglaubt. Aufgrund seiner Biografie ist das emotional nachvollziehbar. Schlimmer ist sein intellektuelles Versagen, da er die Prämisse, Corona sei "die gefährlichste Pandemie dieses Jahrhunderts", und die Prämisse, "die Impfung wird alle Probleme lösen", offenbar nie in Frage gestellt hat. Auf diese spekulativen Annahmen der Regierung ist der grosze Regierungskritiker plump hereingefallen. So wie das dümmste Schaf im Lande, das noch nie einen Schritt ohne seine Herde gemacht hat. Seine Garantie-Erklärung ist so viel wert wie die eines Schafs im Wolfspelz.
Resümee: am 7. Januar 2022 kündigt Grosz in einer flauschigen, weißen Schafwollweste eine Ankündigung an. Er werde uns im Juni verkünden, ob er für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren werde. Am 8. Juni, anlässlich seiner Buchpräsentation, verschiebt er seine Verkündigung auf Sommerbeginn. Was für eine Dramatik! Sechs Monate und darüber hinaus hält er das Thema am köcheln, nur aus einem Grund: weil es Aufmerksamkeit bringt, nicht für das Amt des Bundespräsidenten und seine Rolle im Staat, sondern ausschließlich für IHN, den Star von Fellners Gnaden in dessen Rampenlicht er regelmäßig erstrahlen darf. Für substanzielle Vorbereitungen auf das Amt des Bundespräsidenten hatte er in den vergangenen sechs Monaten offensichtlich keine Zeit. Vorbereitung auf das Amt - beispielsweise mit dem Studium unserer Verfassung - hält er offenbar für überflüssig, da er nicht ernsthaft daran glaubt, den Einzug in das Amt zu schaffen. Wozu dann, Herr Grosz, treten Sie an? Wozu lassen Sie sich impfen? Wozu pilgern Sie Woche für Woche zu Fellner ins Studio? Beantworten Sie uns - aber vor allem sich selbst - diese Fragen. Falls Sie die Antworten darauf finden und uns in Ihrem nächsten Buch präsentieren, könnten Sie einen echten Beitrag zur Freiheit und Sauberkeit unseres Landes leisten. Für das Amt des Bundespräsidenten - das beweist Ihr vorliegendes Buch - sind Sie ungeeignet. Was nun? Ziehen Sie IHRE SHOW durch, oder beweisen Sie Anstand!
Wenn Dir ethos.at wertvolle Informationen liefert, bitte um deine Bewertung via Spende!
The Show must go on!
23. März 2023: Dass es dem Groszmaul der Nation schon lange nicht mehr um Politik, sondern bestensfalls um Politshow, in Wahrheit aber nur seine ganz persönliche Show als Selbstdarsteller geht, beweist seine Scherz-Kandidatur für den SPÖ-Parteivorsitz. Das Schmierblatt, das mit jeder Ausgabe den Namen der Republik besudelt, berichtet exklusiv:
"Grosz hatte bei der Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr immerhin 5,57 Prozent erhalten. Zuletzt war er Redner beim "politischen Aschermittwoch" der rechtspopulistischen "Alternative für Deutschland" (AfD). Nun wendet er sich aber einer anderen Partei zu: "Ich bin mit heutigem Tag, 24.3.2022, Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Österreichs geworden und darf hiermit mitteilen, dass ich mich um das Amt des Bundesparteivorsitzenden der SPÖ bewerbe!", heißt es in einem Schreiben an die SPÖ." (online auf oe24.at) Dass er einer von 73 Amtsanwärtern sein wird, damit hat Grosz bei seiner Ankündigung wohl nicht gerechnet.
Gestern AfD, heute SPÖ, man kann sicher sein, wenn die Antifa, Greenpeace oder Attac einen neuen Führer suchen, dann wird Grosz mitten unter den Kandidaten sein. Da Grosz aber ein global player ist, wird er wohl demnächst seine Homo-Ehe annulieren lassen und alle katholischen Weihen empfangen um jederzeit startbereit zu sein für das in absehbarer Zeit vakant werdende Amt des Papstes. ethos.at verleiht ihm schon heute den Titel "Päpstliches Oberhaupt aller Politclowns".
AFD-Auftritt mit Folgen
Ergänzung 8. April 2024 - „Grosz wegen Söder-Beleidigung vor Gericht“, berichtet ORF.at (8.4.24): „Weil er den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) und den deutschen Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei einer Politveranstaltung beleidigt haben soll, muss sich der ehemalige BZÖ-Politiker Gerald Grosz am Montag vor einem deutschen Amtsgericht verantworten.“