Rushdie Salman: Die Satanischen Verse - Mohamed

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Abdel-Samad Hamed: Mohamed. Eine Abrechnung

Hamed Abdel-Samad, der Sohn eines sunnitischen Imam, geboren 1972 in Ägypten, konnte mit 12 Jahren bereits den Koran auswendig. Er kam 1995 als strenggläubiger Muslim nach Deutschland, wo er Englisch, Französisch und Politik studiert hat. Einem Theologie-Studenten, der über Religion Witze machte, hat er die Freundschaft aufgekündigt. Erst infolge der Mohamed-Karikaturen in der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten“ beginnt Abdel-Samad kritisch über den Islam nachzudenken. Damit hat er sich zahlreiche Feinde unter den Salafisten und Muslimbrüdern geschaffen, aber auch viele Anhänger unter jenen gefunden, die einen aufgeklärten Islam für möglich halten.

Sein Buch über Mohamed, erschienen 2015, bezeichnet Abdel-Samad als „Abrechnung“. Schon einleitend formuliert der Autor das Grundproblem islamisch geprägter Staaten: „Die Omnipräsenz des Propheten in Bildung und Politik, die Überbetonung der religiösen Komponente in vielen islamischen Gesellschaften verhindert die Entstehung alternativer Identitätsquellen.“ In seiner Abrechnung versucht der Autor die Diskrepanz zwischen dem „ethisch-humanistisch argumentierenden Prediger aus Mekka“ und dem „Massenmörder und psychisch kranken Tyrannen“ auszuloten. Abdel-Samad will keine weitere Biografie schreiben, sondern „ein Psychogramm Mohameds“ zeichnen und dabei insbesondere Sitten und Gewohnheiten jener Zeit berücksichtigen, in der Mohamed lebte.

„Ihm fehlten nicht nur die Liebe und Fürsorge der Eltern, sondern auch Vorbilder und Leitfiguren, …. Im Alter von vierzig Jahren geriet er plötzlich in eine Sinnkrise. Er … wanderte allein in der Wüste umher, … hatte Visionen und behauptete, Steine würden zu ihm sprechen. Er litt unter Angstzuständen und trug sich mit Suizidgedanken.“

„Anders als man annehmen könnte, ging Mohamed mit Frauen nicht wie ein Tyrann um, sondern eher wie ein verstörtes Kind, das unter Verlustängsten leidet … Mohamed war süchtig nach Macht und Anerkennung. Diese sucht er nicht nur bei Frauen, sondern auch im Krieg. Allein in den letzten acht Jahren seines Lebens führte er über achtzig Kriege.“

Für dieses Persönlichkeitsprofil findet Abdel-Samad in der Geschichte des Propheten, insbesondere in den Hadithen und im Koran zahlreiche Belege. Er geht auch der Frage nach, ob Mohamed überhaupt existiert hat oder eine Erfindung sei, wie manche Islamkritiker annehmen, die darauf hinweisen, dass es aus der Zeit Mohameds keine historischen Dokumente gebe, keine Inschriften oder Münzen, die seine Existenz bezeugen würden. Abdel-Samad entgegnet, dass das Fehlen bestimmter Dokumente kein zureichender Beweis für die Nicht-Existenz einer Person sei und konstatiert: „Die Gelehrten dieser Zeit bildeten keineswegs eine homogene Einheit, die mit der herrschenden Elite kollaborierte, um die größte historische Fälschung der Geschichte vorzunehmen.“

Zum Verständnis des Mohamed-Psychogramms dient sowohl die Annahme, dass Mohamed ein uneheliches Kind war, als auch die Beziehung zu seiner ersten Frau, der reichen Witwe Khadidscha, die dem deutlich jüngeren Mohamed Ersatzmutter und Stütze war, insbesondere in der Zeit seiner ersten Visionen: „Islamische Überlieferungen bescheinigen ihr einen großen Anteil an den religiösen Erlebnissen ihres Mannes. Er selbst hatte zunächst geglaubt, er sei vom Teufel besessen.“ Sogar strenggläubige Muslime könnten diese Einschätzung teilen. Aber sicher nicht das daraus folgende Urteil: „Khadidscha entschied sich, die Erkrankung ihres Mannes in ein Geschenk des Himmels zu verwandeln.

Abdel-Samad als Kenner des Koran und der Geschichte des Islam, der nach seinem Studium am Lehrstuhl für Islamwissenschaft an der Universität Erfurt forschte, war imstande, sich „von der Vorstellung des gläubigen Muslims (zu) trennen, derzufolge der Koran das unverfälschte, ewige Wort Gottes ist“.  Die Kritikunfähigkeit der Muslime sieht Abdel-Samad als Kardinalproblem, woraus folgt: „Eine Reform, die es nicht wagt, das Trio von Mohamed, Allah und dem Koran zu relativieren, ist keine Reform, sondern Selbstbetrug. … Die Reform des Denkens beginnt, wenn Muslime es wagen, Mohamed aus dem Käfig der Unantastbarkeit zu entlassen und ihn Mensch werden zu lassen.“

In dieser Aporie bewegt sich das Buch Abdel-Samad. Ob sie zu lösen ist, weiß ich nicht. Ich habe nur einen Wunsch: Möge es gelingen!