Vertrauliche Sonntagsbriefe eines Bauernknechtes
Ein Kulturroman
Hans Trautendorffer, "Wirtschaftlicher Redakteur der 'Kontinental-Post'" aus Wien hat in der Silvesternacht mit seinem Chef eine Wette abgeschlossen: er werde ein Jahr lang auf dem Land als Bauernknecht leben. An Sonntagen schreibt er Briefe an seinen Freund. Der Roman spielt auf dem Bergbauernhof "Adamshaus im Almgai" im Jahr 1897, während Wien fin de siècle zelebriert. (Ersterscheinung: 1900)
Karin Brandauer hat diesen Stoff 1986 verfilmt, das Drehbuch hat der kongeniale Autor Felix Mitterer geschrieben.
Auszüge aus dem Roman von Peter Rosegger:
"Die Gegend ist eigentlich ganz verdammt. Die Waldberge an beiden Seiten steil und schwarz wie umgestülpte Riesenkohlenkörbe; die Schluchten so enge, daß eine Heufuhr und ein Dickschädel nicht füreinander können. ... Hoch oben bei den letzten Hütten, so wurde mir gesagt, hätten sie alleweil zu wenig Dienstleute, weil keiner bleiben wollte, der dort nicht festgewachsen ist wie Zerbenholz. Und sogar das Zerbenholz wartet sehnsüchtig auf Lawinen, um talwärts zu kommen und dort etwa durch einen Kunsttischler zu fein polierten Kommodeurs, Chiffonneurs und Sekretärs avancieren zu können."
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"Der Bauernknecht ist trotz allem ein echterer Mensch als etwa ein Bankier, dessen Beruf es ist, Geldpapierfetzen durch seine Finger gleiten zu lassen, die noch wesentlich unsauberer sind als so ein Bauernkittel. Ist sicher auch ein sittlicherer Charakter als zum Beispiel ein Zeitungsmacher, der seinen papiernen Mantel fortwährend nach dem Winde drehen muß."
"Ich sage dir nur, das Herz möchte einem ausbluten. Es ist ein heiliges Elend. - Mit Frevelhaftigkeit, deucht mich jetzt, bin ich in einen Lebenskreis gesprungen, in dem vor der Größe der Sorgen und des Leides jedes frivole Wort auf den Lippen erstarrt. Heute finde ich nimmer den Ton, den Herren der 'Kontinentalen' zu schreiben. Seit ich über die Schwelle dieses Patriarchenhauses getreten bin, muß ein Schlagbaum niedergefallen sein zwischen mir und jene losen Vögeln. Weiß nicht, bin ich krank oder gesund worden. Sie würden witzeln: Er hat sein Herz entdeckt. - "
"Mein Hausvater scheuert am Morgen den Mund meine einem Hanflappen. Das Haar strählt er sich mit den fünf Fingern aus. Als Trinkgefäß am Brunnen benutzt er die aufgebogene Hutkrempe oder die hohle Hand. Sie entbehren nichts, nach ihrer Meinung, sie haben alles. Bis so ein Bauer von Mangel spricht, ist er schon nahe am Verhungern. [...] Wer künstlich Bedürfnisse schafft, wie es ein großer Teil unserer Industrie, unseres Handels tut, der schafft Unzufriedenheit."
"Vorlauterweise habe ich einmal bei Tisch erzählt, daß es in großen Städten eigene Kaffeehäuser gibt, wo jahraus, jahrein nichts gekocht wird als Kaffee! Darauf sagte der Hausvater - aber gutmütig dabei lächelnd, daß es nicht weh tun möchte -, ich hätte doch ein Fleischhauer werden sollen, weil mir das aufschneiden so gut vonstatten ginge. - So weit, mein Freund, sind wir hier entfernt vom Kaffee!"
... mein Hausvater spricht dann noch leiser als sonst: "Daß du aber schon gar nichts weißt, Hansel! Hast denn nie was davon gehört, daße die Zeitungsschreiber Heiden sind? Oder gar Juden!"
"Wir sind auch so ein paar, der Kurat und ich! der eine will den Wähler dort haben, der eine da, und zerren ihn hin und her wie Engel und Teufel eine arme Seele. Nur weiß man nicht, welcher der Engel ist. Und das nennt man frei wählen! - Warum einer gerade bei der Wahl - nicht die Wahl haben soll, das ist auch eine jener Chinesereien, woran unser Abendland jetzt schon bald reicher ist als das Reich der Mitte."
"Ihr Städter tut geringschätzig über die Hemdärmel. Wem vor dem Hemdärmel graut, dm graut vor dem Arm. Vor der Hand Arbeit. Merkst du, wie das wieder ähnlich klingt: Arm-bieten, Arm-beiten, Arbeiten."
"Und jetzt hört man die Mär, daß die Bewohner des vorderen Gaies klagbar auftreten wollen gegen den hinteren Gai. Im Hintergai sei nämlich geschossen worden, während man sich doch seit Jahren gegenseitig verabredet habe, es dürfe weder vorn noch hinten geschossen werden, wenn ein Gewitter zusteht. Denn das Wetterschießen mit Böllern sei erstens ein Eingriff in den Willen Gottes, der es sich nicht gebieten lassen werde, wo gehagelt werden soll und wo nicht. Zweitens wäre es eine Lumperei gegen die nachbarlichen Ortschaften, wo nicht geschossen werde, und wo das verjagte Gewitter sich entladen müsse. Und drittens sei es überhaupt eine Dummheit, zu glauben, daß durch den Knall etlicher Mörser der Himmel sich werde schrecken lassen, ...