Rosegger Peter: Erdsegen - Evangelien

Beitragsseiten

An zwei stellen baut Rosegger Zitate aus dem Evangelium ein, die beim gläubigen Adamshauser Verwirrung stiften.

Das Gleichnis vom Verwalter und der Ungerechtigkeit

Lukas 16, 1-9

1 Jesus sprach aber auch zu den Jüngern: Ein reicher Mann hatte einen Verwalter. Diesen beschuldigte man bei ihm, er verschleudere sein Vermögen.
2 Darauf ließ er ihn rufen und sagte zu ihm: Was höre ich über dich? Leg Rechenschaft ab über deine Verwaltung! Denn du kannst nicht länger mein Verwalter sein.
3 Da überlegte der Verwalter: Was soll ich jetzt tun, da mein Herr mir die Verwaltung entzieht? Zu schwerer Arbeit tauge ich nicht und zu betteln schäme ich mich.
4 Ich weiß, was ich tun werde, damit mich die Leute in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich als Verwalter abgesetzt bin.
5 Und er ließ die Schuldner seines Herrn, einen nach dem anderen, zu sich kommen und fragte den ersten: Wie viel bist du meinem Herrn schuldig?
6 Er antwortete: Hundert Fass Öl. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein, setz dich schnell hin und schreib fünfzig![1]
7 Dann fragte er einen andern: Wie viel bist du schuldig? Der antwortete: Hundert Sack Weizen. Da sagte er zu ihm: Nimm deinen Schuldschein und schreib achtzig!
8 Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte, und sagte: Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes.
9 Ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit ihr in die ewigen Wohnungen aufgenommen werdet, wenn es zu Ende geht!

Rosegger:

Als der Franzel das gelesen hatte, schüttelte mein Adam den Kopf und sagte: "Das gefällt mir nit." Die Hausmutter entgegnete von ihrem Herde her scharf: "Beim Evangeli sagt kein Christenmensch: Das gefällt mir nit; er kann höchstens sagen: Das versteh ich nit."

"Versteh ich nit", wiederholte der Hausvater. "Wenn's so deutlich gesagt ist, wird man's doch verstehen. - Franzel, das Letzte nochn einmal." Der las: "Machet euch Freunde mittels des ungerechten Reichtums, damit, wenn es mit euch zu Ende geht, sie euch in die ewigen Wohnungen aufnehmen."

"Das ist ja grad, als ob der Mensch mit unrecht Gut in den Himmel kommen soll!" sagte der Adam. Daraufhin war ich nun doch begierig, wie sich bei der heutigen Predigt der Kurat aus der Schlinge ziehen würde. [...] Der Kurat nimmt langsam eine Prise, stellt die Horndose neben sich auf den Kanzeltisch, schiebt die weiten Ärmel des Chorrockes zurück und beginnt: "Liebe Christen!

Im heutigen Evangelium hätte der Evangelist Lukas auch ein bissel deutlicher sein können. Wie er's gemacht hat, da kommt's schier so heraus, als ob Christus der herr den ungerechten Haushalter loben tät wegen seiner Lumperei! Das tät einigen unter euch vielleicht gefallen - wie? Es ist aber durchaus nicht so. Christus will in seiner Parabel nur ein Beispiel geben, wie die Weltleute allemal abgefeimte Spitzbuben sind, und die Kinder Gottes sind einfältig. Wenn der Herr sagt, daß wir uns mit ungerechtem Reichtum Freunde machen sollen - was heißt denn das? Heißt es, dass wir ungerechten Reichtum erwerben sollen, damit wir nachher mit demselben die Leute bestechen können? Da sei Gott für! Es heißt vielmehr erstens, daß der Reichtum eben ungerecht ist, daß er überhaupt ungerecht ist, jeder Reichtum, nicht bloß der gestohlene, auch der erworbene. Und es heißt zweitens, daß, wer einen Reichtum hat, denselben als etwas Ungerechtes, ihm nicht Gebührendes wieder weggeben soll an die Armen und Notleidenden, daß man solcherweise mit ungerechtem Reichtum gute Werke stiften müsse, die uns, wenn's zum Sterben kommt, in die ewigen Wohnungen Gottes führen.

Das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl

Matthäus 22, 1-14

1 Jesus antwortete und erzählte ihnen ein anderes Gleichnis:
2 Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete.
3 Er schickte seine Diener, um die eingeladenen Gäste zur Hochzeit rufen zu lassen. Sie aber wollten nicht kommen.
4 Da schickte er noch einmal Diener und trug ihnen auf: Sagt den Eingeladenen: Siehe, mein Mahl ist fertig, meine Ochsen und das Mastvieh sind geschlachtet, alles ist bereit. Kommt zur Hochzeit!
5 Sie aber kümmerten sich nicht darum, sondern der eine ging auf seinen Acker, der andere in seinen Laden,
6 wieder andere fielen über seine Diener her, misshandelten sie und brachten sie um.
7 Da wurde der König zornig; er schickte sein Heer, ließ die Mörder töten und ihre Stadt in Schutt und Asche legen.
8 Dann sagte er zu seinen Dienern: Das Hochzeitsmahl ist vorbereitet, aber die Gäste waren nicht würdig.
9 Geht also an die Kreuzungen der Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein!
10 Die Diener gingen auf die Straßen hinaus und holten alle zusammen, die sie trafen, Böse und Gute, und der Festsaal füllte sich mit Gästen.
11 Als der König eintrat, um sich die Gäste anzusehen, bemerkte er unter ihnen einen Menschen, der kein Hochzeitsgewand anhatte.
12 Er sagte zu ihm: Freund, wie bist du hier ohne Hochzeitsgewand hereingekommen? Der aber blieb stumm.
13 Da befahl der König seinen Dienern: Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird Heulen und Zähneknirschen sein.
14 Denn viele sind gerufen, wenige aber auserwählt.

Rosegger:

Schon mancher gelehrte Knacker hat sich an dieser evangelischen Nuß die Zähne ausgebissen, der Hoisendorfer Kurat aber hat ganz feste im Mund und sprach darüber wie folgt:

"Ich werdet, christliche Zuhörer, diesen König gewiß ür einen großen Toren halten. Da ladet er schnell die Vagabunden von der Straße ein und wundert sich, wenn sie kein Festgewandel anhaben. Das hättet halt ihr gewiß wieder gescheiter gemacht, natürlich! Ich aber kann euch sagen: Der Herr Christus hat mit seinem Gleichnis schon recht gehabt. Er hat nicht das auswendige Hochzeitsrückel gemeint. Was kümmert sich der liebe Jesus um Hoffartsfetzen. Nein, das inwendige, den Seelenschmuck, die Tugenden hat er gemeint. Und ein solches Hochzeitsgewand soll jeder Mensch zu jeder Zeit anhabe, auch bei der Arbeit auf Wiesen und Feldern, denn er weiß, daß auf einmal der Hochzeitsbitter kommen kann, und ihr wisset, wen ich mit diesem Hochzeitsbitter meine. Diese Festtracht, die Tugenden und guten Werke, ist bei den Leuten freilich nicht Mode. [...] Mancher glaubt, am Ostersonntag oder einen andern Fest wäre nicht ie Herzensreinheit, sondern der große Hutbuschen die Hauptsache, und immer einmal steigt ein Bräutigam um, der nicht Hochzeit hält, wenn er soll, sondern bis die neue Tuchhose fertig ist!"