Krisensicherheits-Gesetz: Teuer und ineffizient! - Parlamentsbeschluss 6.7.24

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Nationalrat beschließt Krisensicherheitsgesetz mit Abstrichen

Grünes Licht für Bundeskrisenlager für den Gesundheitsbereich

Wien (Parlamentskorrespondenz, 6.7.2024) – Der Nationalrat brachte heute mehrheitlich das Krisensicherheitsgesetz (B-KSG) auf den Weg. Damit will die Bundesregierung auf aktuelle Bedrohungsszenarien reagieren und das staatliche Krisenmanagement erstmals gesetzlich definieren sowie strukturell weiterentwickeln.

Dafür vorgesehen sind die Schaffung von ressortübergreifenden Fachgremien und eines Bundes-Krisensicherheitskabinetts unter Leitung des/der Bundeskanzler:in, die Einrichtung eines Bundeslagezentrums im Innenministerium sowie die Benennung von Kontaktstellen zur raschen Koordination im Krisenfall. Zudem beinhaltet das B-KSG die gesetzliche Definition eines Bundes-Krisenfalls, die Festlegung eines Verfahrens zur Ausrufung und Beendigung einer Krise und die Einrichtung eines/einer Regierungsberater:in im Bundeskanzleramt samt Stellvertreter:in und Beratungsgremium.

Das Verfassungsgesetz sowie das Wehrgesetz werden durch eine ebenfalls vorgesehene Erweiterung der Aufgaben des Bundesheeres zur Ermöglichung von Präventionsmaßnahmen berührt. Während die Änderung des Verfassungsgesetzes den Innenausschuss noch mit einer einfachen Mehrheit passieren konnte, ist im Plenum dafür eine Zweidrittelmehrheit notwendig. Da sich eine solche jedoch nicht abzeichnete, brachten ÖVP und Grüne einen Abänderungsantrag ein, durch den die Verfassungsbestimmungen und damit zusammenhängende einfachgesetzliche Anschlussbestimmungen aus dem Gesetzespaket herausgelöst werden.

Ein im Plenum eingebrachter Entschließungsantrag sämtlicher Oppositionsparteien blieb in der Minderheit. Darin forderten sie, dass der Nationale Sicherheitsrat auch in Zukunft das oberste Beratungsorgan für die Bundesregierung in allen grundsätzlichen Angelegenheiten der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik darstellen soll. Zudem sei das Bundeslagezentrum aus Oppositionssicht politisch im Bundeskanzleramt und örtlich in der Stiftskaserne anzusiedeln.

Im vorangegangenen Innenausschuss brachten ÖVP und Grüne im inhaltlichen Zusammenhang zum B-KSG außerdem einen weiteren Antrag ein, der auf die Überführung des während der COVID-19-Pandemie eingerichteten "COVID-19-Lagers" in ein allgemeines Bundeskrisenlager für den Gesundheitsbereich abzielt. Im Bedarfsfall soll dieses einen Ausgleich von kurzfristigen Einschränkungen in der Versorgung mit Schutzausrüstung und sonstigen krisenrelevanten Gütern für den Gesundheitsbereich ermöglichen. Die Koalition sieht eine Befristung des Gesetzes bis 31. Dezember 2024 vor. Auch das wurde mehrheitlich im Plenum angenommen.

Von "Murks" bis "Schurkenstück" - Opposition geschlossen gegen Krisensicherheitsgesetz

Für SPÖ-Mandatar Reinhold Einwallner wäre eine gesetzliche Grundlage für die staatliche Krisenbewältigung durchaus wünschenswert, "aber nicht so". Die Bundesregierung habe nichts aus der COVID-19-Pandemie gelernt und die seit 2020 erarbeitete Gesetzesvorlage sei von Anfang an "ein Murks". Sowohl die "schwammige" Definition des Krisenbegriffs als auch die Möglichkeit eine Krise lediglich mittels einfacher Mehrheit im Hauptausschuss auszurufen bzw. zu verlängern bezeichnete Einwallner als demokratiepolitisch "mehr als bedenklich". Im vorgesehenen Krisenberater der Bundesregierung sah er eine Möglichkeit für die Bundesregierung, sich hinsichtlich der Verantwortung im Krisenfall "abzuputzen". Das Lagezentrum im Innenministerium als Kernstück des Gesetzespakets entspricht laut Einwallner einer Phantasie des ehemaligen Innenministers und nunmehrigen Bundeskanzlers Karl Nehammer, die den Steuerzahler:innen jetzt 50 Mio. € anstatt der angekündigten 20 Mio. € koste. Sowohl Einwallner als auch seine Fraktionskolleg:innen Petra Tanzler und Maximilian Köllner bemängelten, dass weder die Opposition noch andere Stakeholder wie die Bundesländer oder die Blaulichtorganisationen ausreichend in den Gesetzeswerdungsprozess eingebunden worden seien.

Das B-KSG sei nicht nur "ein Murks", sondern auch ein "besonderes Schurkenstück" der Bundesregierung, ergänzte FPÖ-Abgeordneter Hannes Amesbauer seine sozialdemokratischen Kolleg:innen. Auch er bemängelte die Krisendefinition in der Regierungsvorlage, die "der Willkür Tür und Tor" öffne, da viele Krisenerscheinungen der letzten Jahre, von Naturereignissen über die Massenmigration, bereits in die Definition passen würden. Das Parlament werde abgesehen von dem "parlamentarischen Feigenblatt" des Hauptausschusses, komplett außer Acht gelassen, so Amesbauer. Man wisse aus der Geschichte, dass Staaten dazu neigten, übergriffig zu werden und die Bundesregierung wolle die dem entgegenwirkende parlamentarische Kontrolle in Krisenfällen "einfach ausschalten". Zudem hielt es Amesbauer für "unerhört", dass die Bundesregierung sich eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erwarte, obwohl sie in zwei Jahren der Genese des Gesetzes kein einziges inhaltliches Gespräch mit der Opposition darüber geführt habe. Christian Ries (FPÖ) verwies auf eine "niederschmetternde" Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramts zum Gesetz und kritisierte, dass es für den angedachten Regierungsberater kein Anforderungsprofil gebe. Gerhard Kaniak (FPÖ) wandte sich gegen das Bundeskrisenlager für den Gesundheitsbereich, unter anderem, da das dazugehörige Gesetz einen Passus beinhalte, der das "internationale Verschenken" von Gesundheitsgütern im Wert von "hunderten Millionen" ermögliche.

Einen grundsätzlichen Verlust des politischen Verantwortungsbewusstseins konstatierte Douglas Hoyos-Trauttmansdorff von den NEOS. Das vorliegende Gesetzespaket sei Ausdruck davon. Die Politik "drücke sich" vor der Verantwortung im Krisenfall, etwa indem es einen Krisenkoordinator einsetze. Man habe jedoch in der Pandemie gesehen, was passiere, wenn die Verantwortlichkeiten nicht klar geregelt seien, so Hoyos-Trauttmansdorff. Außerdem seien über 11.000 zu dem Gesetz eingegangene Stellungnahmen großteils ignoriert worden und es gebe bereits jetzt Einrichtungen, die den Staat auf Krisen vorbereiteten. Laut Hoyos-Trauttmansdorff setzt sich im Verteidigungsressort eine eigene Abteilung nur mit Krisenszenarien auseinander, daher müsse der Apparat nicht noch weiter "mit Arbeitskreisen aufgebläht" werden. Sinnvoller wäre es laut ihm, den ebenfalls bereits vorhandenen Nationalen Sicherheitsrat aufzuwerten anstatt ihn politisch zu "missbrauchen". Hoyos-Trauttmansdorff sprach sich auch gegen das Bundeskrisenlager für den Gesundheitsbereich aus, da das Bundesheer damit zu "Logistikeinheit" degradiert werde.

Koalition und Karner: Staatliches Krisenmanagement wird ins 21. Jahrhundert gebracht

Für Christian Stocker (ÖVP) war die Kritik der Oppositionsparteien "rein parteipolitisch motiviert". Es gehe darum, die Erfahrungen speziell aus der Corona-Krise zu nutzen und die Strukturen zur Krisenbewältigung gesamtstaatlich zu verbessern. Stocker ging auf die Hintergründe der einzelnen Maßnahmen ein und bestritt, dass das Bundesheer damit zur "Hilfsorganisation" hätte degradiert werden sollen. Die Aufgabe, etwa resiliente und autarke Kasernen aufzubauen, entspreche der Umfassenden Landesverteidigung. Die darauf abzielenden Verfassungsbestimmungen hätten nun jedoch herausgenommen werden müssen. Auch seien aus den Stellungnahmen durchaus Verbesserungen für das Gesetz abgeleitet worden, was etwa die Krisendefinition oder das Krisensicherheitskabinett betreffe. Die Einbindung des Parlaments durch den Hauptausschuss sah Stocker im Gegensatz zur Opposition als eine wirksame demokratische Kontrolle. Zudem würde die Verantwortlichkeiten mit dem Gesetz klar geregelt werden und mit den Fachgremien vermehrt Expert:innen eingebunden, wie Johanna Jachs (ÖVP) erklärte.

David Stögmüller von den Grünen führte aus, wie verschiedene Krisen zusammenhingen und betonte die Bedeutung einer dementsprechenden Vorausplanung. Das B-KSG sorge sowohl in der Vorsorge als auch in der Krisenbewältigung für Transparenz und parlamentarische Kontrolle. Auf vulnerable Gruppen wie Menschen mit Behinderungen oder mit geringen Deutschkenntnissen werde in der Krisenkommunikation ein stärkerer Fokus gelegt, und eine strenge Berichts- und Dokumentationspflicht bürge für eine klare Festlegung der Verantwortlichkeiten. Generell bringe das B-KSG das staatliche Krisenmanagement ins 21. Jahrhundert, so Stögmüller.

Innenminister Gerhard Karner erinnerte daran, dass das B-KSG auf einem einstimmigen Beschluss des Hohen Hauses beruhe. Nach einem "langen und intensiven" Gesetzwerdungsprozess, in dem über 11.000 Stellungnahmen begutachtet und teilweise eingearbeitet wurden, sei es legitim, dass nun unterschiedliche Sichtweisen über die Umsetzung des Gesetzes vorlägen. Jedenfalls ermögliche es eine Entwicklung des gesamtstaatlichen Krisenmanagements in die richtige Richtung. Klares Ziel des Gesetzes sei es, Rahmenbedingungen und effiziente Strukturen zu schaffen. (Fortsetzung Nationalrat) wit