„Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben“
26. April bis 18. Oktober 2024
Die Familie des Satirikers Karl Kraus: Eine Ausstellung zum 150. Geburtstag
10. April 2024 (Pressemitteilung der Rathaus-Korrespondenz) Die Wienbibliothek im Rathaus nimmt diese zentrale Figur der europäischen Moderne in den Fokus. Die Foyer-Ausstellung zeigt Kraus mittels privater Postkarten, Briefe und Memorabilien erstmals als Teil einer faszinierenden jüdischen Großfamilie. Und auch der erste Band der neuen Publikationsreihe wiener hefte, die sich der Vermittlung und Präsentation der vielfältigen Bestände widmet, stellt Karl Kraus in den Mittelpunkt und geht der Bedeutung von Herkunft, Familie, Sprache und Erinnerung nach. Mit dem neuen, digitalen Karl Kraus-Portal im Wien Geschichte Wiki ist außerdem ein erweiterter, partizipativer Diskurs zu Leben und Wirken des Sprach- und Kulturkritikers, Satirikers, Publizisten und Schriftstellers möglich.
Karl Kraus begann sich bereits in jungen Jahren mit der Wiener Literaturszene, der österreichischen Gesellschaft und der gesamten deutschsprachigen Presse anzulegen. Mit seiner Zeitschrift »Die Fackel« sowie durch öffentliche Kampagnen und Auftritte wurde er schließlich zur gefeierten wie gefürchteten kritischen Instanz seiner Zeit. Zum privaten Kraus ist bisher nur wenig bekannt, hielt er doch seine Familie sowie seine Lieb- wie Freundschaften aus der Öffentlichkeit heraus – und postulierte: »Das Wort ›Familienbande‹ hat manchmal einen Beigeschmack von Wahrheit.«
Die mondäne und progressive Kraus-Dynastie, die sich vom böhmischen Jičín aus in der Welt des mitteleuropäischen Großbürgertums etablierte, blieb daher bis heute großteils im Verborgenen. Die Wienbibliothek im Rathaus, die mit dem Karl Kraus-Archiv einen bedeutenden Bestand zu diesem zentralen Vertreter der Wiener Moderne beherbergt, zeigt mit der Ausstellung »Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben – Die Familie des Satirikers Karl Kraus« in sieben Vitrinen, dass Kraus zeitlebens Teil einer faszinierenden jüdischen Großfamilie war, die ab 1938 Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung wurde. Eine reiche und lebendige Familiengeschichte wurde fast völlig ausgelöscht.
Zum 150. Geburtstag von Karl Kraus präsentiert die Schau Briefe, Postkarten, Familienfotos, Memorabilien und Geschichten der Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen, die bisher hinter dem berühmten Sohn, Bruder und Onkel unsichtbar blieben. Zu entdecken gilt es eine ebenso liebevolle wie schwierige Familie, von der sich Momentaufnahmen erhalten haben – von den Geburten und Todesstunden ihrer Mitglieder, vom Umgang mit dem Familienvermögen, von gemeinsamen Sommerfrischen und Reisen und auch vom alltäglicheren Aufeinandertreffen bei Abendessen, in Telefonaten oder nach der Fackel-Lektüre.
»Karl Kraus hinterließ mit seinem umfangreichen Werk ein bedeutendes kulturelles Erbe: Nachdem das Karl Kraus-Archiv in der Wienbibliothek im Rathaus bereits im Jahr 2016 ins UNESCO-Welterberegister ›Memory of the World‹ aufgenommen wurde, ist die jüngste Erweiterung des Archivs durch zusätzliche Manuskripte, Essays und Korrespondenzstücke mit Irma Karczewska eine bemerkenswerte Bereicherung. Diese Originale können in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung neue Erkenntnisse und Perspektiven ermöglichen, die uns die Person Karl Kraus näherbringen«, so Veronica Kaup-Hasler, Amtsführende Stadträtin für Kultur und Wissenschaft. »In diesem Sinne freue ich mich auf die kommende Ausstellung ›Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben – Die Familie des Satirikers Karl Kraus‹, die anhand der vorhandenen und ausgewerteten Memorabilien die private Seite des Wiener Autors und Medienkritikers beleuchtet.«
»Das Karl Kraus-Archiv der Wienbibliothek im Rathaus fasst rund 150 Briefe und Postkarten von Mitgliedern der Familie an den Satiriker und 50 von Karl Kraus an seine Verwandten. Diese Dokumente veranschaulichen, dass Kraus in einem familiären Netzwerk verankert war«, führt Wienbibliothek-Direktorin Anita Eichinger aus. »Wichtig ist es uns, Kraus’ Familie und seine Umgebung aufzuarbeiten, auch um Mystifizierungen entgegenzuwirken. Im neuen Kraus-Portal im Wien Geschichte Wiki wird dieses Netzwerk lebendig, vor allem auch durch Unterstützung der internationalen Forschung, die gemeinsam mit uns Kraus’ Umgebung beleuchtet und damit für die aktuelle Einordung seines Lebens und Wirkens sorgt.«