7. Dezember 2025 - Bereits im März haben sich Demokratie-Initiativen in Salzburg getroffen, um das „Forum für Demokratiegestaltung – Gemeinsam Verfassung Erneuern“ ins Leben zu rufen. Auf demokratischdenken.eu werden die Infos der Bewegung gesammelt. Hier die Presseinfo vom 25.3. 2025:
Ergebnis der Salzburger Demokratie-Tagung vom 15. und 16. März 2025 ist die Gründung einer gemeinsamen Trägerschaft für die Kampagne „Demokratischer Verfassungskonvent“. Ziel der Kampagne ist die Einberufung eines demokratischen Verfassungskonvents binnen zwei Jahren.

Die Kampagne für einen demokratischen Verfassungskonvent versteht sich als zivilgesellschaftliche Antwort auf die vielzitierte Krise der Demokratie. Ihr Engagement entspringt dem Bewusstsein, Demokratie verteidigen genügt nicht. Es gilt ihre Defizite zu beheben und sie permanent weiterzuentwickeln. Ihr Herzschlag ist die bürgerliche Partizipation.
Zu dieser Tagung luden die drei Initiativen IG Demokratie, Mehr Demokratie Österreich und das Netzwerk Volksabstimmen über Volksabstimmen (NVV) ein. Die Teilnehmerinnen der Tagung waren Aktivist:innen sowie Politik- und Rechtswissenschaftler:innen und vertraten mehrere Demokratieinitiativen.
Das Interesse an der Tagung ist anhaltend groß, nicht alle, die eingeladen wurden oder über Medien von ihr erfuhren, konnten kommen. Der Grundtenor lautet: “Wenn, dann ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür – und das Zeitfenster ist knapp.“
Am Samstag wurde der Vorschlag für einen demokratischen Verfassungskonvent von Christoph Aigner und Konrad Steurer (NVV) vorgestellt, gemeinsam unter die Lupe genommen und diskutiert. Der Vorschlag liegt in Form eines Arbeitspapiers vor und geht in die nächste Entwicklungsrunde. Er wird zusammen mit avancierter fachlicher Expertise, insbesondere Politik- und Rechtswissenschaften, weiter ausgearbeitet. Sein genuin demokratischer Ansatz hat sich als tragfähig erwiesen. Weitere Schwerpunkte des Arbeitsprogramms der Tagung waren Organisationsentwicklung, Aufbau der Trägerschaft, Partizipationsmodule für die Kampagne, Finanzierung und kreative Kampagnenentwicklung.
Das neuartige am Vorschlag des Forums sind der demokratische Aufbau des Verfassungskonvents, die Bürgerpartizipation als gleichberechtigte, die Verfahren der Entscheidungsfindung und gewiss nicht zuletzt: die verfassungsgebende Gewalt verbleibt beim Souverän.
Demokratische Bearbeitung der drei Verfassungsaufgaben
Der Vorschlag konzipiert einen demokratischen Verfassungskonvent, der die Verfassung in ihren drei wesentlichen Aufgaben demokratisiert, ein allgemeines, gleiches und freies Stimmrecht in der Verfassung verankert, ein Verfassungsorgan zur permanenten Weiterentwicklung von Demokratie einrichtet und die strukturelle Transformation, die unsere Gesellschaft zu durchlaufen angefangen hat, verfassungsrechtlich ermöglicht und absichert. Dabei sollten alle drei Aufgaben einer Verfassung berücksichtigt werden. Die Grundwerte unseres Zusammenlebens formulieren, die Spielregeln unseres Zusammenlebens ausverhandeln sowie die Staatsordnung demokratisieren und vereinfachen.
Der demokratische Verfassungskonvent umfasst: themenspezifisch arbeitende Verfassungsräte im Vorfeld einer Verfassungsversammlung, auf der ein Änderungsvorschlag erarbeitet wird, der dem Bundesverfassungsgesetzgeber (Nationalrat) und dem Bundesvolk (Souverän) zur Abstimmung vorgelegt wird. Ziel ist die demokratische Erneuerung der Verfassung, die bereit ist, die derzeitige Krisensituation vollumfänglich anzuerkennen, die es versteht, daraus die richtigen Lehren zu ziehen und die imstande sein wird, eine demokratische Kultur der Sorge mit einer Politik der regenerativen Nachhaltigkeit zu verbinden.
Forum für Demokratiegestaltung – gemeinsam Verfassung erneuern
Herzstück der Kampagne des Forums wird die Partizipation sowie das Üben demokratischer Kultur und Verfahren. Eine Verfassungsänderung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Verantwortung. Die Kampagne soll partizipativ sein. Sie soll der Bevölkerung die Möglichkeit bieten, die demokratische Erfahrung zu machen.
Ein erster Schritt besteht im Aufbau von Netzwerken mit Personen aus der der Zivilgesellschaft und NGOs, sowie parteiübergreifend aus der repräsentativen Politik, mit Journalist:innen und Expert:innen aus den Wissenschaften und gewiss nicht zuletzt mit Fachleuten in Kunst und Literatur.
Am Sonntag hielt Sigi Ramoser (Sägenvier) einen Impulsvortrag zu kreativer Kampagnengestaltung. Im Anschluss wurde an den Inhalten der Kampagne gearbeitet. Der Prozess versteht sich als kreativer und wird in den kommenden Wochen fortgesetzt. Klar ist, die operative Durchführung der Kampagne muss im Rahmen einer professionellen Struktur erfolgen, sie kann nicht per zivilgesellschaftlichem Ehrenamt allein geleistet werden. Die Möglichkeiten der Finanzierung wurden diskutiert und werden vom Forum für Demokratiegestaltung aufgenommen. Kurzgefasst: Das Forum möchte das knapper werdende Zeitfenster für die demokratische Erneuerung unserer Verfassung auf konstruktive Weise nutzen.
Lektüretipp: „Demokratischer Verfassungskonvent – Arbeitspapier NVV , Stand März 2025; www.demokratischdenken.eu (Unter „Woran arbeiten wir“, Diskurs.)
SIEHE AUCH:
+Ludesch kämpft gegen VfGH-Urteil (30.10.2021)
+ Manifest für einen neuen Parlamentarismus (13.7.2024)
+ BVG und Nationalrat in Theorie und Praxis (9.2.2024)
+ Baustelle Parlament und Verfassungsreform (12.1.2024)
Einer der Träger der Verfassungs-Initiative ist die IG Demokratie e.V. aus Feldkirch. Auf der Webseite ig-demokratie.at stellen sie sich vor:
Gemeinsam als Gesellschaft für eine lebendige Demokratie
Wir sind der Überzeugung, dass unser politisches System besser für alle funktionieren könnte. Dafür müssen Demokratie-Defizite bearbeitet werden – z. B. ein echtes Transparenzgesetz, moderne politische Bildung und eine faire Medienförderung.
Parteien sollten mehr im Sinne der Gesellschaft handeln, statt nur eigene Interessen zu verfolgen. Sachliche Diskussionen sollten wichtiger sein als Emotionen oder Fake News.
Eine Lösung sehen wir in zufällig ausgewählten Bürgerbeteiligungen, um die Demokratie weiterzuentwickeln. Die Bevölkerung sollte gemeinsam mit Expert:innen mitgestalten. Bisher wurde Beteiligung oft nur zum Schein genutzt – das muss sich ändern.
Unsere Vision: Ein neues Verfassungsrecht, das allen die Mitgestaltung der Demokratie sichert. Ein mögliches Element dafür ist das im Volksbegehren vorgeschlagene neue Verfassungsorgan.
01. Mission
Die IG Demokratie ist ein offenes Netzwerk von Menschen, das sich für eine partizipative und zukunftsfähige Demokratie einsetzt. Seit 2012 arbeiten wir daran, politische Bildung zu stärken, echte Beteiligung zu fördern und demokratische Prozesse weiterzuentwickeln. Durch innovative Formate, Aufklärung und Vernetzung schaffen wir Räume, in denen Demokratie aktiv gelebt werden kann – für eine Politik, die mit den Menschen und nicht über sie entscheidet.
02. Vision
Eine Demokratie, die allen gehört. Politik darf kein geschlossener Kreis bleiben – sie muss verständlich, zugänglich und wirksam für alle sein. Wir setzen uns für eine lebendige Demokratie ein, in der Bürger:innen aktiv mitgestalten und politische Prozesse gemeinsam weiterentwickelt werden. Beteiligung ist dabei kein bloßes Versprechen, sondern ein selbstverständlicher Bestandteil demokratischer Entscheidungen.
2025 erhielt die IG Demokratie eine Förderung durch ProEuropeanValuesAT, einem Konsortium von fünf NGOs aus allen Regionen Österreichs (Ost, Süd und West). ProEuropeanValuesAT will die Zivilgesellschaft stärken, Rechtstaatlichkeit außer Streit stellen, europäische Werte leben. Die fünf NGOs sind: ICNM Internationales Centrum für Neue Medien + Respekt.net + Volkshochschule Salzburg + npoAustria (platform for knowledge transfer and networking) + Europahaus Klagenfurt.
Weitere Unterstützer:innen des Netzwerks
+ Initiative Ludesch
+ Alpenschutz Verein
+ Mehr Demokratie Vorarlberg
+ Mehr Demokratie Österreich
+ Naturschutzbund
+ IG Demokratie
+ IG Kultur Vorarlberg
#aufstehn
Anmerkung ethos.at (7.12.25) - Schon einmal versuchten die etablierten Kräfte unseres Landes einen Verfassungskonvent, bekannt als „Österreich Konvent“, der von 2003-2004 tagte und von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Warum: weil nicht das Volk, sondern ausschließlich die Altparteien und Sozialpartner an den Gesprächen teilgenommen haben. All jene geschlossenen Anstalten, die vom Status-quo profitieren und somit nicht das geringste Interesse an echter Demokratie-Reform mitbringen. Einer der beteiligten Insider war Karl Lengheimer, der sich in seinem Buch „Politgebiete“ daran erinnert:
„Die Ergebnisse des Österreich-Konvents zu den Instrumenten der direkten Demokratie erwiesen sich als äußerst bescheiden.“
„Im Österreich-Konvent wurde mehr über juristischen Verfassungstext und weniger über politischen Verfassungszweck diskutiert. Man verhedderte sich monatelang in Verfahrensfragen, wer was mit wem bestimmen dürfe [Anm. unzählige „Kompetenz-Artikel“ im B-VG zeugen davon]. Bund und Länder waren ängstlich darauf bedacht, ihren Besitzstand zu wahren und wenn möglich zu vermehren. Das Beharren er Bundesvertreter auf unbedeutende Zuständigkeiten ihrer Minister rief bisweilen selbst bei den teilnehmenden Verfassungsprofessoren verwundertes Kopfschütteln hervor.“
Alle Dokumente dieses Konvents sind bis heute (und in alle Ewigkeit) abrufbar auf der Seite konvent.gv.at. Hier der Endbericht / Bericht des Österreich-Konvents (Pressedienst des Österreich-Konvents vom 03.05.2005)
Wien (PK) - Rund eineinhalb Jahre lang hat der Österreich-Konvent an einer modernen, bürgernahen Verfassung gearbeitet. Ergebnis ist ein rund 1.200 Seiten starker Bericht, der vor kurzem von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel dem Nationalrat vorgelegt wurde und eine umfassende Übersicht über die vom Konvent erzielten Ergebnisse enthält. Konsens konnten die Konventsmitglieder dabei, wie aus dem Bericht hervorgeht, nur in Teilbereichen erzielen, viele Punkte, etwa die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, blieben offen. Die einzelnen Vorschläge des Österreich-Konvents sollen nun von den Abgeordneten in einem eigens dafür eingesetzten Ausschuss des Nationalrats beraten werden. (Bericht an den Nationalrat: III-136 d.B.)
Der Österreich-Konvent war Anfang Mai 2003 mit der Aufgabe betraut worden, Vorschläge für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform zu erarbeiten. Die neue Verfassung sollte, wie es im Beschluss des Gründungskomitees heißt, eine zukunftsorientierte, kostengünstige, transparente und bürgernahe Erfüllung der Staatsaufgaben ermöglichen. Konkret auseinandersetzen sollte sich der Konvent mit einer umfassenden Analyse der Staatsaufgaben, der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, dem Legalitätsprinzip, der Struktur der staatlichen Institutionen, der Finanzverfassung und dem Finanzausgleich, der Frage der Kontrolle auf Bundes- und Landesebene, der Ausgestaltung des Rechtsschutzes sowie mit Fragen der Verfassungsbereinigung.
Als Vorsitzender des Österreich-Konvents wurde der damalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler bestellt, darüber hinaus gehörten dem Konvent 69 weitere Mitglieder - Vertreter aller vier Parlamentsparteien, Regierungsmitglieder, Vertreter der Bundesländer sowie des Städte- und des Gemeindebundes, Vertreter der Höchstgerichte, des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft, Interessenvertreter sowie unabhängige Verfassungsexperten - an.
Nach insgesamt 19 Monaten Arbeit, 44 Sitzungen des Konvents-Präsidiums, 17 Plenarsitzungen und 172 Ausschusssitzungen liegt nun das Ergebnis der Beratungen vor, das von Konvents-Präsident Franz Fiedler in einem 1.200 Seiten starken Bericht zusammengefasst wurde. Der Bericht setzt sich aus einem allgemeinen Teil mit einem umfassenden Überblick über die Arbeit des Konvents, einer Übersicht über die Mandate der zehn Ausschüsse des Konvents, den in den Ausschüssen und im Präsidium erzielten Beratungsergebnissen, konkreten Textvorschlägen, einem vom Fiedler selbst erarbeiteten - nicht konsensualen - Verfassungsentwurf, einem Positionspapier der Länder, einer abweichenden Stellungnahme des Gemeindebundes zum Fiedler-Entwurf und der Tonbandabschrift der letzten Plenarsitzung des Österreich-Konvents zusammen.
DIE BERATUNGSERGEBNISSE DES ÖSTERREICH-KONVENTS
Fiedler zufolge hat der Konvent bei den Beratungen in etlichen Bereichen Konsens erzielen können. So herrschte etwa Einigkeit hinsichtlich der Eingliederung von mehr als tausend außerhalb der Verfassung bestehenden Verfassungsnormen in den Verfassungstext, das Gleiche gilt für die Integration eines Grundrechtskatalogs in die Verfassung, die Schaffung von Landesverwaltungsgerichten, die Beibehaltung des Bundesrats und die Adaptierung der Rechte des Bundespräsidenten. Viele wichtige Punkte, etwa die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, die Zusammenführung von Einnahmen- und Ausgabenverantwortung, der Abbau teurer Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung, die Lockerung des Legalitätsprinzips oder die genaue Ausformulierung der Staatsziele und der Grundrechte, blieben jedoch strittig. Auch in der Frage, ob die Verfassung mit einer Präambel eingeleitet werden soll, konnte man sich nicht einigen.
Da also kein konsensualer Verfassungsentwurf zustande kam, werden im Hauptteil des Berichts die Beratungsergebnisse der zehn Ausschüsse des Konvents und zum Teil auch jene des Präsidiums wiedergegeben, wobei sowohl die konsensualen als auch die nichtkonsensualen Vorschläge berücksichtigt wurden. Ein weiterer Berichtsteil enthält zusätzlich diverse konkrete Textvorschläge, die im Rahmen der Konventsberatungen von einzelnen Konventsmitgliedern, den politischen Fraktionen, den Ausschüssen, dem Präsidium und anderen Beteiligten eingebracht wurden. Eine detaillierte Gegenüberstellung von Textvorschlägen und deren Vergleich mit geltenden Rechtsgrundlagen gibt es für die Bereiche Grundrechte und Sicherheitspolitik.
Beratungsergebnisse und Textvorschläge umfassen zusammen fast 630 Seiten. Die Vorschläge reichen von der Einführung eines Drei-Säulen-Modells für die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern über verschiedene Ideen zur Verwaltungsreform bis hin zu einer Neuordnung der Gerichtsorganisation, von der Ausweitung der Kontrollrechte der Parlamente über die Reduktion der Komplexität der Finanzverfassung bis zu einem neuen Finanzausgleich. An Detailvorschlägen finden sich etwa das Verbot von Sammelgesetzen, die Neuformulierung des Legalitätsprinzips, neue Modelle für die Schulverwaltung und die Sicherheitsverwaltung, die Ausweitung der Prüfungsbefugnis der Volksanwaltschaft, ein erweitertes verfassungsrechtliches Effizienz- und Transparenzgebot, ein Gesetzesbegutachtungsrecht für Bürgerinnen und Bürger, die Möglichkeit der Auflösung des Nationalrats durch das Volk, die Verankerung des Prinzips des ausgeglichenen Haushalts als Staatsziel und die Möglichkeit der Globalbudgetierung im Bericht.
DER "FIEDLER-ENTWURF" FÜR EINE NEUE VERFASSUNG
"Die Fülle an im Konvent unterbreiteten Vorschlägen und ausgearbeiteten Texten war bereichernd", schreibt Fiedler in seinem Bericht, "die Konsensfindung über den letztlich zu erstellenden Entwurf für eine neue Bundesverfassung war jedoch schwierig". Der Konventspräsident unterzog sich - unter Bezug auf den Auftrag des Österreich-Konvents - dennoch der Aufgabe, auf Basis der vorliegenden Vorschläge einen Verfassungsentwurf zu erarbeiten.
Dabei griff Fiedler zum Teil auf im Konsens zustande gekommene Ergebnisse zurück, zum Teil nahm er von breiten Mehrheiten vertretene Meinungen auf und zum Teil verwendete er für seinen Entwurf Inhalte und Texte der geltenden Verfassung. Bisweilen suchte er aber auch, wie er festhält, einen "Mittelweg" zwischen voneinander abweichenden Ansichten. Zudem bemühte sich Fiedler in manchen Bereichen um Systematisierungen und Straffungen und formulierte in diesem Sinn einzelne Passagen um. Dieser so genannte Fiedler-Entwurf ist gleichfalls Teil des Endberichts des Österreich-Konvents, auch über ihn konnte im Österreich-Konvent aber kein Konsens erzielt werden. Die Konventsmitglieder nahmen zum Teil sogar eine massiv ablehnende Haltung ein.
Einige wesentliche Neuerungen des Fiedler-Entwurfs gegenüber der geltenden Verfassung sind die Verankerung eines Inkorporationsgebots in der Verfassung - einer Vorschrift, wonach es Verfassungsrecht nur in der eigentlichen Verfassungsurkunde geben darf -, die Integration eines Grundrechtskatalogs in die Verfassung einschließlich sozialer Grundrechte, eine neue Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern mit einer deutlichen Reduzierung der Kompetenzfelder, eine weitgehende Eliminierung organisations- und verfahrensrechtlicher Bestimmungen aus der Verfassung, die Schaffung von Verwaltungsgerichten anstelle der Unabhängigen Verwaltungssenate, die Einführung einer grundsätzlichen Auskunftspflicht aller öffentlichen Stellen, neue haushaltsrechtliche Bestimmungen, die generelle Senkung des Wahlalters bei Gemeinderatswahlen auf 16 Jahre, die Einführung der Briefwahl, die Ausweitung parlamentarischer Kontrollrechte, die Stärkung der Stellung der Richter und Staatsanwälte, erweiterte Möglichkeiten zur Bildung von Gemeindeverbänden, eine Ausweitung der Rechte des Rechnungshofes und der Volksanwaltschaft und die Integration der Finanzverfassung in die Verfassungsurkunde.
LÄNDER- UND GEMEINDEPOSITIONEN
Sowohl die Landeshauptleute als auch der Gemeindebund haben in der Endphase der Beratungen des Österreich-Konvents Positionspapiere abgegeben, die ebenfalls Eingang in den Endbericht gefunden haben. Die Landeshauptleute unterstützen in ihrem Papier unter anderem die Idee eines Drei-Säulen-Modells für die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und fordern eine stärkere Beteiligung der Länder und des Bundesrats an der Gesetzgebung des Bundes. So sollen Gesetze, die wesentliche finanzielle Folgen für die Länder nach sich ziehen, z.B. Steuerreformen, der ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrates sowie einer Zustimmung von zwei Dritteln der Länder bedürfen. Gleiches soll für Bundesgesetze gelten, die die dritte Kompetenz-Säule - Materien, für die Bund und Länder gemeinsam zuständig sind - betreffen. Um die Umsetzung von EU-Richtlinien in Österreich auch im selbständigen Wirkungsbereich der Länder zu gewährleisten, schlagen die Landeshauptleute vor, bei - "qualifizierter" - Säumigkeit eines Landes die Zuständigkeit für entsprechende gesetzliche Regelungen vorübergehend an den Bund zu übertragen, und zwar so lange, bis das Land die erforderlichen Maßnahmen selbst gesetzt hat.
Das Positionspapier des Österreichischen Gemeindebundes wurde als Abweichende Stellungnahme zum Verfassungsentwurf von Konventspräsident Fiedler eingebracht, wiewohl der Gemeindebund diesen Entwurf ausdrücklich lobt und als ideale Diskussionsgrundlage bezeichnet. Der Gemeindebund drängt aber darauf, die Bedeutung der Gemeinden als föderalistische Partner stärker in den Vordergrund zu rücken und wendet sich u.a. gegen unzumutbare "Kontrollbürokratie". Positiv bewertet werden dem gegenüber z.B. die Aufnahme der Daseinsvorsorge in den Aufgabenkatalog der Gemeinden, die Möglichkeit zur Bildung von länderübergreifenden Gemeindeverbänden und die im Fiedler-Entwurf enthaltene Bestimmung, wonach zwangsweise Gemeindefusionen bzw. zwangsweise Trennungen von Gemeinden ohne Zustimmung der betroffenen Bevölkerung in Hinkunft ausschlossen sind.
Wie unterschiedlich die Mitglieder des Konvents selbst die Ergebnisse des Österreich-Konvents bewerten, geht aus der in den Bericht integrierten Tonbandabschrift der 17. und letzten Plenarsitzung des Konvents Ende Jänner 2005 hervor.
