20. April 2024 - „Die Europawahl rückt näher, und mit ihr eine Flut von Desinformation, wie Fachleute erwarten. Beim Wahlvolk könnten die Kampagnen auf fruchtbaren Boden fallen. Ein ‚Ökosystem‘ an Fake-News-Produzenten trifft auf Wissenslücken über die EU und ihre Institutionen. Hinzu kommt das Thema Ukraine. Auf dem EU-Gipfel am Donnerstag wurden Warnungen vor einer Einflussnahme Russlands auf die Wahl laut“, berichtet ORF.at (19.4.24)
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Wie Desinformationen aussehen, die direkt aus der EU oder ihren nachgelagerten Propaganda-Abteilungen einzelner Mitgliedstaaten kommen, dafür liefert der Österr. RegierungsFunk ein Exempel:
„‘Wir können nicht zulassen, dass Russland mit einem solch eklatanten Angriff auf unsere demokratischen Institutionen und Grundsätze davonkommt’, schrieben die Regierungschefs von Belgien und der Tschechischen Republik in einem Brief an ihre EU-Amtskolleginnen und -kollegen. Belgische Geheimdienste hatten in der Vorwoche laut eigenen Angaben von Moskau gesteuerte Strukturen aufgedeckt, die prorussische Kandidatinnen und Kandidaten im Vorfeld der EU-Wahl unterstützt haben sollen. Die Netzwerke hätten versucht, den europäischen Beistand für die Ukraine in ihrem Krieg gegen Russland zu untergraben, sagte Belgiens Premier Alexander De Croo.“
Wenn Geheimdienste, welche auch immer, „laut eigenen Angaben“ was auch immer aufdecken, was passiert sein „soll“ – so ist das weniger als doppeldeutig. Es ist eindeutig, dass Geheimdienste mit allem, was sie aufdecken, etwas anders zudecken. Es ist eindeutig, dass Geheimdienste aufdecken, was passiert sein „soll“, also nicht das, was tatsächlich passiert ist, sondern das, und nur dass, was passieren soll (also zu passieren hat) um die eigene Propaganda (Neologoismus: das eigene Narrativ) zu bestätigen, oder zumindest zu bestärken.
Wenn also Geheimdienste „aufdecken“, dass einzelne EU-Kandidaten von Russalnd unterstützt werden, so soll man doch die Namen nennen und deren Konten prüfen. Doch wozu präzise Angaben, wenn man auch mit ominösen Andeutungen die Stimmung schüren kann? Nicht die Stimmung, für ein offenes, transparentes, wirklich demokratisches Europa, sondern die Stimmung gegen den angeblichen Feind der EU.
Weiters heißt es „die Netzwerke hätten versucht, den europäischen Beistand für die Ukraine in ihrem Krieg gegen Russland zu untergraben“?
- Welche Netzwerke genau - kennt etwa der Geheimdienst deren Namen nicht;
- „hätten versucht“ – sprich: „laut Angaben des Geheimndienstes“, also laut Quellen, die ein seriöser Journalist mit Vorsicht genießen sollte;
- „den europäischen Beistand… zu untergraben“ – wann genau beginnt die „Untergrabung“? Wenn man den EU-Beistand grundsätzlich in Frage stellt; wenn man die Korruption der Ukraine, die angeblich „europäische Werte“ verteidigt, kritisiert; wenn man Sanktionen gegen Russland als Selbstbeschädigung bewertet; wenn man Aufklärung verlangt über die Nordstream-Sabotage; oder wenn man gar den Import russischen Pipeline-Gases für weniger umweltschädlich hält als amerikanisches Fracking-Gas?
Anfällig für Desinformationen / Fakenews / Deepfake seien laut Politikwissenschaftlerin Julia Partheymüller, deren Untersuchungen ORF.at zitiert, „generell ältere und weniger gebildete Menschen, besonders jene mit weit rechter Einstellung und starkem politischen Interesse.“ Wie kommt es, dass ausgerechnet die „weniger gebildeten…. starkes politisches Interesse“ aufbringen? Offenbar ein innerer Widerspruch, der den Autoren dieses ORF-Beitrags nicht aufgefallen ist. Ein seriöser Journalist hätte die Frage gestellt, wie die Jugend damit umgeht. ethos.at vermutet: die Jugendlichen sind nach zahlreichen Schullockdowns so down, dass sie überhaupt nichts mehr mit Politik zu tun haben wollen.
Zumindest zwei sachliche Informationen enthält der ORF-Artikel: kommentarlose Links zu
EU Disinfo Lab und zu AFP-Faktencheck der Nachrichtengagenttur Agence France-Presse, die schon am 2.4.24 ein Dossier online gestellt hat: „Flut von anti-ukrainischer Propaganda im Vorfeld der EU Wahl erwartet"
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