Zur Lage der Nation 2022

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26. Oktober 2022 - Skandale ohne Ende!

Mittwoch, 19.10.22: "Das große Geständnis - Thomas Schmid packt aus".

Donnerstag, 20.10.22. "Kurz spricht von Lüge - Gegenoffensive des Ex-Kanzlers"

Freitag, 21.10.22: "Van der Bellen: Das darf doch alles nicht wahr sein!"

Dieser Bundespräsident hat den Bubikanzler Kurz ohne geringste Bedenken zwei Mail inthronisiert,

und sechs Jahre lang bei jeder Sauerei weggeschaut. Nun will uns VdB weismachen, dass er "jede Form von Freunderlwirtschaft und Korruption zutiefst ablehne". Ausgerechnet der Präsident,

der mit Lug und Trug ins Amt gekommen ist, dieser Präsident ohne jegliche moralische Autorität,

will nun für die "Generalsanierung des Vertrauens" sorgen.

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Screen TikTok

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26. Oktober 2022 - Soweit zur Lage der Nation im TikTok-Format. Dass der Skandal von Kurz und Co ein Jahr nach dem Rücktritt des Bubikanzlers noch einmal große Schlagzeilen macht, liegt an der Lebensbeichte, die Kurz-Intimus Thomas Schmid vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) abgelegt hat - in der Hoffnung auf Absolution als Kronzeuge. Das ist der Anlass für täglich neue Schlagzeilen (oben zitiert aus der Raiffeisen- und damit ÖVP-nahen Tageszeitung "Kurier".) Die Ursache für diese Berichte liegt allerdings darin, dass die Massenmedien Skandale grundsätzlich "personalisieren".

 

Das bedeutet:

1. Konkrete Personen, "Promis", die man jahrelang hofiert hat, werden nun als Bösewichte entlarvt. (Manche halten das für investigativen Journalismus.)

2. Abstrakte Strukturen, die wahren Ursachen, die solche Skandale möglich machen, werden weiterhin unter den Teppich gekehrt. (Unterdrückung von Informationen ist im Prinzip schon Desinformation.)

3. Die "höchste moralisch Autorität im Lande", der Bundespräsident, tritt auf und hält eine Ansprache zur "Generalsanierung des Vertrauens." Substanziell nichts anderes als ein moralinsaure Sonntagspredigt, die den Skandal auf Einzelfälle reduziert, auf fehlbare Personen. Der Struktur- und Systemdebatte weicht der Bundespräsidenten aus. Die Vermutung liegt nahe, dass er diese Debatte im Interesse der Parteien, die ihm zur Wiederwahl verholfen haben, unterdrückt. (VdB ist Teil des Systems, von dem er sich nun als Saubermann distanziert.)


ad 1: "Alle Politiker sind korrupt"

Laut jüngster Integral-Studie beantworten 59 Prozent der Österreicher die Frage "Welcher Politiker hat die besten Lösungen für Österreich?" mit: keiner. Abgefragt wurden Nehammer, Kogler, RendiW, Kickl und MeinlR. Auf Parteien bezogen beantworten diese Frage 41 Prozent mit: keine! Das entspricht der weit verbreiteten Überzeugung, dass Politiker grundsätzlich korrupt sind. Korruption an der Spitze des Systems kommt immer irgendwie ans Licht der Öffentlichkeit, so wird das Ablaufdatum von Spitzenpolitikern immer kürzer.

Seit dem Rücktritt von Sebastian Kurz im Oktober 2021 sind weitere "Schachfiguren" aus dem ÖVP-Kabinett gefallen. Hier die Chronologie der Rücktritte der Regierungen Kurz II (die immerhin 643 Tage dauerte, eine Steigerung von 117 Tagen im Vergleich zu Kurz I"), Schallenberg (56 Tage) und Nehammer (vermutlich bis zum Ende der Legislaturperiode).

20.5.2020 Ulrike Lunacek (Grüne), Staatssekretärin für Kunst

9.1.2021 Christine Aschbacher, Ministerin für Arbeit, Jugend, Familie

13.4.2021 Rudolf Anschober, (Grüne) Gesundheitsminister

9.10.2021 Sebastian Kurz, Bundeskanzler

2.12.2021 Gernot Blümel, Finanzminister

Zur Lage der Nation 2021 stand geschrieben: "Gernot Blümel, der Superman des Finanzministeriums, der über Nacht 38 Milliarden zur Rettung Österreichs aus dem Ärmel geschüttelt hat, der einen Anstieg der Staatsschulden um mindestens 50 Milliarden aufgrund entgangener Steuern zu bewältigen hat und ganz nebenbei noch Zeit findet, in Wien für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren, dieser Superman aus der Freunderlpartie rund um Kurz, kann diesem Land nur noch einen guten Dienst erweisen: seinen Rücktritt!" Am 2. Dezember 2021 ist er mit dem Ausspruch "Es war mir eine Ehre" von allen Ämtern zurückgetreten. Es ist seither auffällig still um ihn geworden. Dass Blümel als Finanzminister im IBIZA-Skandal Informationen zurück gehalten hatte, und (erstmalig in der Geschichte!) diese (natürlich digital verfügbaren) erst nach einer Bundesexekution auf Papier in 204 (!) Aktenordnern auslieferte - das ist offenbar schon in Vergessenheit geraten.

6.12.2021 Heinz Faßmann, Bildungsminister

6.12.2021 Michael Linhart, Außenminister

6.12.2021 Alexander Schallenberg, Außenminister, Bundeskanzler (retour als Außenmnister)

6.12.2021 Karl Nehammer, Innenminister (befördert zum Bundeskanzler)

3.3.2022 Wolfgang Mückstein, (Grüne) Gesundheitsminister

9.5.2022 Margarete Schramböck, Ministerin für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort

9.5.2022 Elisabeth Köstinger, Ministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus

Dazu kommen noch die Rücktritte der ÖVP-Landeshauptmänner der Steiermark (Hermann Schützenhöfer am 3.6.2022) und Tirols (Günther Platter, 13.6.2022). Rücktritte wegen Inkompetenz, Hilflosigkeit, Panik, oder wegen einem besonderen Naheverhältnis zu Kurz und seiner Buberl- und Mäderlpartie?

Der ÖVP-nahe Kurier stellt am 23.10.2022 die Sonntags-Frage: "Sind wir wirklich so?" und findet ausnahmsweise die treffenden Headlines: "Medien und Politiker sind eng verbandelt + Die Reichen können es sich richten + Österreich ist von Parteienfilz durchzogen".

Die zentrale Frage lautet demnach am Nationalfeiertag 2022: wie kann man das verfilzte System ÖVP, das nicht erst seit Kurz und Co seine Auswüchse zeigt, neutralisieren? Die ÖVP ist ein System mit 600.000 Mitgliedern! Im Vergleich dazu: die SPÖ hat 180.000, die FPÖ 60.000, Grüne gerade mal 7.000, MFG 4.000, NEOS 2.700, KPÖ 2.500 Mitglieder. Wenn man dazu hunderte Parteien rechnet, die keine Sitze in einem Landes- oder im Bundesparlament haben (manche sind immerhin in Gemeinderäten vertreten), so sind schätzungsweise 900.000 Bürger dieses Landes Mitglied einer Partei, zwei Drittel davon bei der ÖVP. Daraus kann man den Schluss ziehen: Die laufenden Rücktritte von ÖVP-Spitzenfunktionären dienen dazu, ein System, das an allen Ecken und Enden kracht, mit immer neuen Systemträgern zu verstärken. Der Austausch von Kadermitgliedern dient nicht der Bereinigung des Systems, sondern der Systemerhaltung! (Quellen: ORF.at und wikipedia.org)


 ad 2: Freunderlwirtschaft und Parteibuchwirtschaft

"Parteipolitische Postenbesetzungen schaden dem Ansehen der staatlichen Institutionen. Wenn von jedem Richter, Schuldirektor, Polizeikommandanten die Gesinnung bekannt ist, wird das Vertrauen in die Überparteilichkeit untergraben, und im Streitfall werden die Institutionen denunzierbar und in Parteienhickhack hineingezogen ... Sogar das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung wird durch ÖVP-Parteigänger drangsaliert", schreibt der Kurier in seiner Sonntagsausgabe (23.10.22)

Willkürgesetzgebung, Freunderlwirtschaft bis hinein in die Gesetzgebung, deren Umsetzung Millionen kostet (aktuell: Klimabonus!), Hochmut gegenüber dem Volk, Verlust aller Hemmschwellen, Ignoranz aller Unvereinbarkeitsregeln, Ende aller Tabus - das gehört zum Wesen unserer Politiker 2022. Nicht nur bei den Spitzenfunktionären und Kofferträgern der Parteigranden direkt in deren Ministerien (von Parteien besetzte Kabinettsmitarbeiter), sondern bis hinunter auf Gemeindeebene. Von 2093 Gemeinden haben laut Gemeindebund rund 72 Prozent einen ÖVP-Bürgermeister, weit abgeschlagen folgt die SPÖ mit 22 Prozent, 4 Prozent haben den Kandidaten einer Bürgerliste und nur noch 2 Prozent einen FPÖ-Bürgermeister. Gezählte drei Bürgermeister kommen von den Grünen und eine Bürgermeisterin von der KPÖ.

Zum Wesen Österreichs Politik gehören Institutionen, die Korruption ermöglichen bzw nicht imstande sind, diese zu verhindern. Im Fall Kurz und Co. ist das die ÖVP mit ihren Vorfeldorganisationen WKO, Landwirtschaftskammer, ÖAAB, Bauernbund, Wirtschaftsbund usw. Wobei das System ÖVP sich essenziell nicht vom System der anderen Parlamentsparteien unterscheidet; diese sind nicht grundsätzlich besser, sondern haben nur weniger Möglichkeiten, Parteibuchwirtschaft zu betreiben und die Interessen ihrer Parteimitglieder durchzusetzen. Beispiel FPÖ, die in der Opposition meist gute Arbeit macht, aber den Hals nicht voll kriegen kann, sobald sie irgendwo ans Ruder kommt. Jedenfalls ist es nicht übertrieben, die ÖVP als Staat im Staat zu bezeichnen. In Italien nennt man solche Parallelstrukturen Mafia.

Gleichzeitig bleibt jeglicher Widerstand der APO (außerparlamentarische Opposition) zahnlos, weil sich unterschiedliche Gruppierungen zwar bei Demos zusammenfinden, aber nicht dann, wenn es darum geht, konkrete politische Ziele zu erreichen. Konkret die Position des Bundespräsidenten, für die sich erstmals in der Geschichte des Landes mehr als 25 Kandidaten (darunter lediglich zwei Kandidatinnen) berufen fühlten. So viele machten sich im August auf, um je 6.000 Unterstützungserklärungen zu sammeln. Hunderte Bewegungen der Zivilgesellschaft haben zugeschaut, aber sich in keiner Weise für einen der Kandidaten stark gemacht - großteils haben sie sich nicht einmal für das Thema interessiert und die Chance, die ein wirklich unabhängiger Bundespräsident für das Land bedeutet, gar nicht erkannt. Geschafft haben es letztlich nur Kandidaten mit 3 M: Macht (Parteinähe), Medien und Moneten.

Die von der Wahlbehörde zugelassenen Kandidaten konnte der Österreichische Regierungsfunk ORF, anders als 20 andere Bewerber, nicht mehr ignorieren. Und so hat der ORF keine Sendung ausgelassen, um diese Kandidaten medial hinzurichten. Die Absenz des Amtsinhabers bei jeglicher Diskussion, seine Diskursverweigerung, hat die Politologin Hämmerle als "richtige strategische Entscheidung" bewertet, denn VdB wolle diese Runden mit seiner Anwesenheit nicht "aufwerten". Dies war die Quintessenz der Haltung, die alle gleichgeschalteten Hofberichterstatter - neben ORF auch alle Tageszeitungen - eingenommen haben. Gipfel dieser pauschalen und systematischen Diffamierung aller unabhängigen Kandidaten war eine Karikatur im Kurier, die dem "Floh vom Van der Bellen seinem Hund" acht Prozent Stimmanteil bei der Wahl zutraute, während alle Gegenkandidaten zusammen nicht mehr Gewicht als fünf Prozent auf die politische Waage bringen würden. So wurde nach zweijähriger Alternativlosigkeit zu den Corona-Maßnahmen heuer die Alternativlosigkeit von VdB propagiert. Ein Kandidat, der als Bundespräsident mindestens hundert verfassungswidrige Corona-Gesetze durchgewunken hat; und natürlich auch die Sanktionen gegen Russland, die eindeutig dem österreichischen Neutralitätsgesetz widersprechen. Aus Sicht unserer Regierung und von VdB: alternativlos.

Diese und viele anderen Missstände unseres Landes sind offensichtlich. Solange die zuständigen Personen tabu sind, wird darüber nicht berichtet. Wenn sie aber enttabuisiert sind, dann wird nur über die Personen und ihr Umfeld berichtet, niemals über das System, das solche Personen in ihr Amt gebracht hat - oder zumindest nicht verhindern konnte, dass sie ein Amt ausüben, für das ihnen die intellektuellen und ethischen Voraussetzungen fehlen. Zu den Grundlagen dieses Systems zählt die Österreichische Verfassung, die sich in schlechter Verfassung befindet. Nicht erst seit Corona, sondern seit Jahrzehnten, in denen die Mehrheitsparteien ihre Parteiinteressen bei jeder Gelegenheit in Verfassungsrang gehoben haben. Der Bruch der Verfassung ist so einfach, weil die Verfassung selbst brüchig ist.

Siehe auch Video zum Tag der Menschenrechte, 10. Dezember 2021, das u.a. die Jausenbrotverfassungsjudikatur des Verfassungsgerichtshofes kritisiert.

Wenn der Kurier nun eingesteht, dass Medien und Politik "eng verbandelt" sind, so ist es geradezu rührend, wenn er Abhilfe fordert durch eine bessere "Ausbildung von jungen Journalisten, denen von Beginn an eingeschärft werden muss, dass ihre Loyalität den Lesern und Bürgern gilt - und nicht vermeintlichen Freunden in Politik und Wirtschaft." Wenn die Kurier-Eigentümer diese Zeilen lesen, müssten sie sofort die gesamte Redaktion entlassen und durch junge Absolventen von Fachhochschulen und Journalismus-Lehrgängen ersetzen. Zur Erinnerung: der Kurier hat zweistellige Millionenbeträge für Corona-Regierungs-Propaganda kassiert und schürt nach wie vor im Interesse von Big Pharma die Masken- und Impfglut!


ad 3: Das Amt und die Person des Bundespräsidenten

Bei seiner ersten Rede nach der Wiederwahl alteriert sich VdB darüber, dass er sich schon wieder mit Skandalen unserer Republik beschäftigen müsse. Hier seine Rede im Wortlaut und dazu eine moral- und sprachphilosophische Analyse:

VdB: "Eigentlich habe ich gehofft, dass mein erstes Statement nach der Wahl andere Inhalte haben wird, aber hier geht es nicht um meine Wiederwahl. Es geht hier um die Demokratie in unserer Heimat und das Vertrauen in die Demokratie, das einmal mehr massiv erschüttert wird. Die letzten Tage waren – einmal mehr – geprägt von fundamentaler politischer Unruhe und ich kann und will das so nicht hinnehmen."

HTH kommentiert: Nachdem die Parlamentsparteien für sich in Anspruch nehmen, die einzig legitimen Vertreter der Demokratie zu sein, geht es hier in Wahrheit um das Vertrauen in die Parteien und insbesondere um das Vertrauen in Parteiführer und ihre Spitzenfunktionäre, die sich das Land wie einen Selbstbedienungsladen hergerichtet haben. Würde Österreichs Demokratie nur ansatzweise funktionieren, das bedeutet, Legislative, Exekutive und Judikatur sind unabhängig voneinander und kontrollieren sich gegenseitig, dann würde das persönliche Versagen einiger Emporkömmlinge der Parteien die Demokratie nicht im geringsten erschüttern. So zumindest sah Karl Popper die offene Gesellschaft und das Ideal der Demokratie. Unsere Realverfassung kann man im Gegensatz dazu nur noch als "Demokratie" bezeichnen, wenn man der Überzeugung ist, dass die DDR eine "echte Demokratie" war. VdB bestätigt, dass der Parteienfilz in allen Institutionen das Wesen unseres Staatsgefüges kennzeichnet. Die Aufdeckung dieser Verfilzungen, genauer gesagt, von einigen wenigen Fasern dieses Filzes, und die Tatsache, dass es in den Parteiapparaten brodelt, bezeichnet VdB seiner Logik folgend als "fundamentale politische Unruhe". Wer in den vergangenen 30 Monaten nur einmal auf einer Demo war, wird darunter sicher etwas anderes verstehen.

VdB: "Viele Menschen wenden sich - und das nicht erst seit den letzten Ereignissen - mit Schaudern von der Politik ab. Und, ganz ehrlich: Ich kann das verstehen. Auch ich sehe, was passiert und denke: Das darf doch alles nicht wahr sein. Die Chats, die letztes Jahr begannen, in die Öffentlichkeit zu tropfen, haben sich zu einem sichtbaren Wasserschaden entwickelt. Begonnen hat es mit einem nassen Fleck, aber mittlerweile hat dieser Wasserschaden die Substanz des Gebäudes erreicht. Und es wird immer klarer, dass dieser Schaden mit ein paar Farbtupfern hier und da nicht zu beheben sein wird. Das, was in den letzten Tagen zum Korruptionsthema wieder öffentlich wurde, ist kein kleiner Wasserfleck. Es ist ein massiver Schaden, der an die Substanz unserer Demokratie geht. Wir brauchen eine Generalsanierung, eine Sanierung der Substanz. Und selbstverständlich ist es meine Pflicht, sicherzustellen, dass das auch passiert."

HTH: Wenn VdB "ganz ehrlich" ist, dann sollte man an die Aussage erinnern: "Verschweigen, vernebeln oder gegen die eigene Überzeugung reden kann im politischen Kontext manchmal sogar vernünftig sein". Das Zitat stammt aus seinem Buch, das 2015 kurz vor seiner ersten Wahl erschienen ist und den Titel trägt "Die Kunst der Freiheit", in dem er geschickt verschwiegen und vernebelt hat, dass er als Grüner Kandidat für die Wahl des Bundespräsidenten 2016 schon längst feststeht. Wenn das die Freiheit und Transparenz ist, die eine Person im höchsten Amt des Landes für vertretbar hält, dann darf sich VdB nicht wundern, wenn sich Kurz und Co die Freiheit nehmen, zuzugreifen, wo und wann immer es nur möglich ist. Auch VdB sieht, "was passiert" - nachdem die WKStA am 18. Oktober 2022 die Presse über ihre Untersuchungen und die Verhöre von Thomas Schmid informiert hat. Nachdem schon alle Medien darüber geschrieben haben, nicht etwa bevor er seine Kanzler und Minister ernennt, oder bevor er ein Gesetz unterschreibt, das demokratie-politisch höchst bedenklich ist. VdB hat weggeschaut, als sich die Buberlpartie 2019 die Staatsbeteiligungsholding (zuletzt unter Faymann 2015 von der ÖIAG zur ÖBIB GmbH umgewandelt) wieder in eine AG (ÖBAG) umgebaut hat, um dem Schmid einen Vorstandjob und vielen Parteigängern Aufsichtsmandate zuschanzen zu können. Für diese Umwandlung war ein Gesetz notwendig, über das sich offenbar keine einzige Oppositionspartei aufgeregt hat und gegen das natürlich auch VdB nichts einzuwenden hattte. "Ist ja nicht seine Aufgabe" würde dazu wahrscheinlich der Wolf in der ZiB2 sagen.

Mit der Metapher vom Wasserschaden suggeriert VdB, dass "unsere Demokratie" so einfach wie derzeit das Parlament einer "Generalsanierung, einer Sanierung der Substanz" unterzogen werden könnte. Dieses Bild kann aber nur als Vernebelung und als Täuschungsmanöver betrachtet werden. Es wird nicht reichen, ein paar weniger korrupte Politiker in Führungspositionen zu heben um dann weiter zu machen wie bisher. Wenn VdB glaubt, mit neuen Angelobungen seine Pflicht erfüllt zu haben, dann sollte man daran erinnern, dass er schon bislang immer nur seine Pflicht erfüllt hat, als UNI-Professor, als Parteiobmann, als Abgeordneter und nicht erst als Bundespräsident hat er immer seine Pflicht erfüllt und genau damit aktiv dazu beigetragen, dass die Substanz unserer Demokratie massiv beschädigt wurde.

VdB: "Meine Damen und Herren, ich bin gegen jede Art von Korruption! Sie wissen, dass ich jede Form von Freunderlwirtschaft und Korruption zutiefst ablehne. Weil Korruption ein lähmendes Gift ist – für unser Zusammenleben, die Politik, die Wirtschaft. Weil Korruption blockiert und uns Zukunftschancen raubt. Weil Korruption verhindert, dass wir Österreich gemeinsam besser machen. Weil sie verhindert, dass Menschen ihr Bestes geben können. Weil Korruption Abhängigkeit bedeutet. Und Abhängigkeit heißt, dass nicht die besten Ideen umgesetzt werden oder die am besten qualifizierten Menschen einen Job bekommen, sondern die, die es sich richten können, die, die scheinbar die richtigen Kontakte haben."

HTH: Wenn es so weit gekommen ist, dass ein Bundespräsident den Leuten erklären muss, ER sei gegen jede Art von Korruption, dann ist es Zeit zu sagen: "Oida, es reicht!" Dass Korruption auch bedeutet, dass "nicht die besten Ideen umgesetzt werden oder die am besten qualifizierten Menschen einen Job bekommen", ist eine Erkenntnis, für die ich nicht erst 78 Jahre alt werden musste. Richten können es sich allerdings nicht die, die "scheinbar die richtigen Kontakte haben", sondern jene, die tatsächlich die richtigen Kontakte haben. Jedes Kind weiß, dass der Schein trügt. Ein Mensch im reifen Alter sollte auch wissen, dass der Trug scheint, zumindest den Betrügern selbst - so grell, dass sie davon geblendet werden. Nachdenken sollte VdB bei der Gelegenheit einmal darüber, warum in Österreich die "richtigen Kontakte" immer nur Kontakte zu einflussreichen Parteikadern sind.

VdB: "Und wenn Menschen in unserem Land auch nur den Eindruck bekommen, dass man es sich richten kann, dass man sich zum Beispiel seine Steuerangelegenheiten einfach richten kann, wenn man nur reich genug ist oder die richtigen 'Freunde' hat. Wenn auch nur der Eindruck entsteht, Politiker handelten zum Vorteil der eigenen Seilschaft, der eigenen sogenannten Verbündeten oder Vertrauten und auf Kosten der Gemeinschaft. Dann muss es im größten Interesse des Bundeskanzlers und der verantwortlichen Regierungsmitglieder sein, diesen Eindruck zu entkräften."

HTH: "Wenn auch nur ein "Eindruck" entsteht, dann muss der Kanzler dafür sorgen, diesen "Eindruck" zu entkräften. Was, Herr VdB, soll ein Kanzler machen, wenn sich herausstellt, dass es sich nicht um Eindrücke, sondern um Tatsachen handelt? Soll der Kanzler dann die Tatsachen entkräften? Ja, genau das wird ständig versucht! Ganz im Sinne von "verschweigen und vernebeln". Die Tatsachen müssen entkräftet werden, so sehen das die Parteipolitiker, anstatt neue Tatsachen - zum Beispiel auf Basis einer neuen Verfassung - zu schaffen!

VdB: "Meine Damen und Herren, es geht bei den mutmaßlichen Korruptionsverdachtsfällen rund um einige ÖVP-Politiker nicht nur um das Rechtliche alleine. Denn wenn es in all den Verwerfungen eine gute Nachricht gibt, dann ist es diese: Unser Rechtsstaat funktioniert! Wir sehen ihm gerade alle gemeinsam bei der Arbeit zu. Wir sehen dem Rechtsstaat bei der Arbeit und beim Funktionieren zu! Und er wird diese Arbeit, so lange es auch dauern möge, mit aller Umsicht zu Ende führen. Das ist beruhigend. Und ich kann es nur wiederholen: die unabhängige Justiz genießt meine volle Rückendeckung."

HTH: Die Justiz arbeitet und VdB schaut zu. Wahrscheinlich ist das der größte Fortschritt im Vergleich zu seiner ersten Legislaturperiode, denn in den vergangen sechs Jahren hat er nicht zu, sondern nur weg geschaut. Oder durch seine Rauchschwaden einfach nicht klar gesehen, welche grellen Blüten die politische Korruption in den vergangenen sechs Jahren getrieben hat. Pauschal zu behaupten, dass unser Rechtsstaat funktioniert, ist ein Beweis dafür, dass VdB schon länger als sechs Jahre nicht mehr schaut, wohin ein kritischer Mensch schauen muss: längst nicht mehr überschaubare Gesetzestexte basierend auf einer inkonsistenten, ausufernden Verfassung, Gerichtsverfahren, die unendlich in die Länge gezogen werden und Richter, die jeglichen Sinn für Gerechtigkeit verloren haben. Wer die Justiz von innen kennt, kann diesen Apparat nicht als "beruhigend" empfinden. Dass er diesem Apparat "volle Rückendeckung" zusichert, ist klar. Das ist einer der Gründe, wofür VdB die Unterstützung von vier Parteien bekommen hat. Keine Wortschöpfung könnte besser zum Ausdruck bringen, welchen Eiertanz VdB aufführt als: "mutmaßliche Korruptionsverdachtsfälle".

Screen VdB moralinsauer

VdB: "Demokratie kann nur funktionieren, wenn Menschen darauf vertrauen, dass die regierenden Personen integer handeln. Dass die politisch Verantwortlichen mit dem ihnen geliehenen Vertrauen sorgsam umgehen. Dass mit der Stimme, die wir bei bei der Wahl abgegeben haben, verantwortungsvoll umgegangen wird. Es braucht eine transparente, nachvollziehbare und vor allem für alle wahrnehmbare Generalsanierung des Vertrauens. Meine Damen und Herren, diese gesamte unschöne Thematik erfordert, dass in den nächsten Wochen und Monaten Maßnahmen gesetzt werden, um die volle Handlungsfähigkeit aller politisch Verantwortlichen in diesem Land sicher zu stellen und um das Vertrauen in die Politik wieder herzustellen. [... ] In der Republik Österreich werden wir Korruption niemals akzeptieren und als Normalität hinnehmen. Ich verspreche Ihnen, dass ich keine Ruhe geben werde, bis wir uns von dieser Last befreit haben und das Vertrauen wieder hergestellt ist. Wenn Sie so wollen, bis dieser substanzielle Schaden am Gebäude Demokratie behoben ist."

HTH: Vertrauen und Verantwortung sind zwei Grundwerte, gemäß "Moral 4.0" zwei von "fünf goldenen V" (dazu kommen Vernetzung, Veränderung, Verzeihen), die eine Ethik des 21. Jahrhunderts konstituieren könnten (wenn man dazu einen öffentlichen - warum nicht von der Präsidentschaftskanzlei finanzierten? - Diskurs führen würde). Trotzdem kann ich zu den "vertrauensbildenden Maßnahmen" von VdB nicht einfach "amen" sagen oder gar applaudieren. Seine ganzen Ausführungen sind nämlich ein Beispiel dafür, das Politikerreden fast immer moralinsauer sind, insbesondere wenn sie Sonntagspredigten halten. Die einleitenden Demokratie-kann-nur-funktionieren Sätze kann jeder Mensch unterschreiben. Doch mit der "Generalsanierung des Vertrauens" beweist VdB, dass sein intellektueller Horizont genau so weit reicht wie von "allen politisch Verantwortlichen", deren "Handlungsfähigkeit" er wieder herstellen will. Vertrauen kann man weder sanieren, noch generalsanieren. Vertrauen muss man sich verdienen. Wenn ein Politiker das Vertrauen verloren hat, kann er es durch entsprechendes Handeln wieder erwerben - oder auch nicht. Vertrauen an sich ist ein Grundwert, den man in jeder Beziehung von Mensch zu Mensch zunächst voraussetzen darf. Wenn jedoch dieses Vertrauen (z.B. Urvertrauen zwischen Eltern und Kindern) einmal verletzt wurde, kann man nicht einfach eine "Generalsanierung" in Auftrag geben, um zerbrochenes Porzellan wieder herzustellen. Die wiederholten Beteuerungen dessen, was selbstverständlich sein sollte, dass "wir Korruption niemals akzeptieren" werden, ist eine der Formulierungen, auf die der Begriff "moralinsauer" exakt zutrifft. VDB, der seit drei Jahrzehnten Einfluss auf die Politik des Landes nimmt, sollte uns nicht weis machen, dass er "Korruption niemals akzeptieren" werde, sondern er sollte uns erzählen, was er bislang gemacht hat, um Korruption zu verhindern. Wann und wo hat VdB bislang aufgedeckt oder gar verhindert, was faul ist im Staate Österreich? Wenn er es getan hat, dann hat er es wohl vornehm verschwiegen!

VdB: "Es geht dabei eindeutig auch darum, die eigene Rolle, die Rolle der eigenen Partei, die bisherigen Aktivitäten kritisch zu hinterfragen und die notwendigen Konsequenzen und Maßnahmen zu ziehen. Österreichs Bevölkerung braucht Garantien. Glaubwürdige Garantien, dass das, was sich in diesem Sittenbild angedeutet hat, nicht der Normalität entspricht. Diese Garantien, in welcher Form auch immer, glaubwürdig zu geben, ist die Bringschuld der Verantwortlichen. Ich werde nun zügig weitere Gespräche mit den politisch Verantwortlichen in unserem Land führen. Denn die großen Herausforderungen unserer Zeit – Sie wissen es - mit dem fürchterlichen Krieg in der Ukraine, der notwendigen raschen Umstellung unserer Energieversorgung und der Abfederung der Teuerung, das alles, braucht die volle Aufmerksamkeit der Regierenden. Die großen Herausforderungen brauchen die Zusammenarbeit aller Ebenen und – das ist sicher die größte Herausforderung – und eben das Vertrauen der Bevölkerung."

HTH: Nun will VdB sogar "Garantien"! Wofür? "Dass das, was sich in diesem Sittenbild angedeutet hat, nicht der Normalität entspricht." Dem verrauchtesten Präsidenten aller Zeiten fehlt offenbar ein Fenster in seinem Raucherkammerl, aus dem er einmal einen Blick in die Realität unseres Landes werfen könnte. Das, was sich jetzt "andeutet" ist seit Jahrzehnten "Normalität", Alltag, Realverfassung, kurz: die österreichische Wirklichkeit. Ein Bundespräsident, der offenbar nie vor verschlossenen Türen des Systems gestanden ist, der seit seiner Anstellung an der UNI Innsbruck und dem darauf folgenden "Ruf an die UNI Wien" (damals noch als SPÖ-Mitglied) eine klassische österreichische Parteikarriere hinter sich gebracht hat, mit zwei Parteibüchern, die er bei Bedarf raus holte und bei Bedarf vergessen hat, dieser Apparatschik sieht "Andeutungen", wo jeder "einfache Österreicher" ganz genau weiß, wie es läuft. Wenn die moralinsaure Predigt eines Staatsoberhauptes in Realitätsverweigerung mündet, dann ist hier zum wiederholten Mal der Punkt erreicht, wo man nur noch sagen kann: "Oida, es reicht!" (Zitat VdB bei seinem ORF-Interview vor der Wiederwahl).