ad 3: Das Amt und die Person des Bundespräsidenten
Bei seiner ersten Rede nach der Wiederwahl alteriert sich VdB darüber, dass er sich schon wieder mit Skandalen unserer Republik beschäftigen müsse. Hier seine Rede im Wortlaut und dazu eine moral- und sprachphilosophische Analyse:
VdB: "Eigentlich habe ich gehofft, dass mein erstes Statement nach der Wahl andere Inhalte haben wird, aber hier geht es nicht um meine Wiederwahl. Es geht hier um die Demokratie in unserer Heimat und das Vertrauen in die Demokratie, das einmal mehr massiv erschüttert wird. Die letzten Tage waren – einmal mehr – geprägt von fundamentaler politischer Unruhe und ich kann und will das so nicht hinnehmen."
HTH kommentiert: Nachdem die Parlamentsparteien für sich in Anspruch nehmen, die einzig legitimen Vertreter der Demokratie zu sein, geht es hier in Wahrheit um das Vertrauen in die Parteien und insbesondere um das Vertrauen in Parteiführer und ihre Spitzenfunktionäre, die sich das Land wie einen Selbstbedienungsladen hergerichtet haben. Würde Österreichs Demokratie nur ansatzweise funktionieren, das bedeutet, Legislative, Exekutive und Judikatur sind unabhängig voneinander und kontrollieren sich gegenseitig, dann würde das persönliche Versagen einiger Emporkömmlinge der Parteien die Demokratie nicht im geringsten erschüttern. So zumindest sah Karl Popper die offene Gesellschaft und das Ideal der Demokratie. Unsere Realverfassung kann man im Gegensatz dazu nur noch als "Demokratie" bezeichnen, wenn man der Überzeugung ist, dass die DDR eine "echte Demokratie" war. VdB bestätigt, dass der Parteienfilz in allen Institutionen das Wesen unseres Staatsgefüges kennzeichnet. Die Aufdeckung dieser Verfilzungen, genauer gesagt, von einigen wenigen Fasern dieses Filzes, und die Tatsache, dass es in den Parteiapparaten brodelt, bezeichnet VdB seiner Logik folgend als "fundamentale politische Unruhe". Wer in den vergangenen 30 Monaten nur einmal auf einer Demo war, wird darunter sicher etwas anderes verstehen.
VdB: "Viele Menschen wenden sich - und das nicht erst seit den letzten Ereignissen - mit Schaudern von der Politik ab. Und, ganz ehrlich: Ich kann das verstehen. Auch ich sehe, was passiert und denke: Das darf doch alles nicht wahr sein. Die Chats, die letztes Jahr begannen, in die Öffentlichkeit zu tropfen, haben sich zu einem sichtbaren Wasserschaden entwickelt. Begonnen hat es mit einem nassen Fleck, aber mittlerweile hat dieser Wasserschaden die Substanz des Gebäudes erreicht. Und es wird immer klarer, dass dieser Schaden mit ein paar Farbtupfern hier und da nicht zu beheben sein wird. Das, was in den letzten Tagen zum Korruptionsthema wieder öffentlich wurde, ist kein kleiner Wasserfleck. Es ist ein massiver Schaden, der an die Substanz unserer Demokratie geht. Wir brauchen eine Generalsanierung, eine Sanierung der Substanz. Und selbstverständlich ist es meine Pflicht, sicherzustellen, dass das auch passiert."
HTH: Wenn VdB "ganz ehrlich" ist, dann sollte man an die Aussage erinnern: "Verschweigen, vernebeln oder gegen die eigene Überzeugung reden kann im politischen Kontext manchmal sogar vernünftig sein". Das Zitat stammt aus seinem Buch, das 2015 kurz vor seiner ersten Wahl erschienen ist und den Titel trägt "Die Kunst der Freiheit", in dem er geschickt verschwiegen und vernebelt hat, dass er als Grüner Kandidat für die Wahl des Bundespräsidenten 2016 schon längst feststeht. Wenn das die Freiheit und Transparenz ist, die eine Person im höchsten Amt des Landes für vertretbar hält, dann darf sich VdB nicht wundern, wenn sich Kurz und Co die Freiheit nehmen, zuzugreifen, wo und wann immer es nur möglich ist. Auch VdB sieht, "was passiert" - nachdem die WKStA am 18. Oktober 2022 die Presse über ihre Untersuchungen und die Verhöre von Thomas Schmid informiert hat. Nachdem schon alle Medien darüber geschrieben haben, nicht etwa bevor er seine Kanzler und Minister ernennt, oder bevor er ein Gesetz unterschreibt, das demokratie-politisch höchst bedenklich ist. VdB hat weggeschaut, als sich die Buberlpartie 2019 die Staatsbeteiligungsholding (zuletzt unter Faymann 2015 von der ÖIAG zur ÖBIB GmbH umgewandelt) wieder in eine AG (ÖBAG) umgebaut hat, um dem Schmid einen Vorstandjob und vielen Parteigängern Aufsichtsmandate zuschanzen zu können. Für diese Umwandlung war ein Gesetz notwendig, über das sich offenbar keine einzige Oppositionspartei aufgeregt hat und gegen das natürlich auch VdB nichts einzuwenden hattte. "Ist ja nicht seine Aufgabe" würde dazu wahrscheinlich der Wolf in der ZiB2 sagen.
Mit der Metapher vom Wasserschaden suggeriert VdB, dass "unsere Demokratie" so einfach wie derzeit das Parlament einer "Generalsanierung, einer Sanierung der Substanz" unterzogen werden könnte. Dieses Bild kann aber nur als Vernebelung und als Täuschungsmanöver betrachtet werden. Es wird nicht reichen, ein paar weniger korrupte Politiker in Führungspositionen zu heben um dann weiter zu machen wie bisher. Wenn VdB glaubt, mit neuen Angelobungen seine Pflicht erfüllt zu haben, dann sollte man daran erinnern, dass er schon bislang immer nur seine Pflicht erfüllt hat, als UNI-Professor, als Parteiobmann, als Abgeordneter und nicht erst als Bundespräsident hat er immer seine Pflicht erfüllt und genau damit aktiv dazu beigetragen, dass die Substanz unserer Demokratie massiv beschädigt wurde.
VdB: "Meine Damen und Herren, ich bin gegen jede Art von Korruption! Sie wissen, dass ich jede Form von Freunderlwirtschaft und Korruption zutiefst ablehne. Weil Korruption ein lähmendes Gift ist – für unser Zusammenleben, die Politik, die Wirtschaft. Weil Korruption blockiert und uns Zukunftschancen raubt. Weil Korruption verhindert, dass wir Österreich gemeinsam besser machen. Weil sie verhindert, dass Menschen ihr Bestes geben können. Weil Korruption Abhängigkeit bedeutet. Und Abhängigkeit heißt, dass nicht die besten Ideen umgesetzt werden oder die am besten qualifizierten Menschen einen Job bekommen, sondern die, die es sich richten können, die, die scheinbar die richtigen Kontakte haben."
HTH: Wenn es so weit gekommen ist, dass ein Bundespräsident den Leuten erklären muss, ER sei gegen jede Art von Korruption, dann ist es Zeit zu sagen: "Oida, es reicht!" Dass Korruption auch bedeutet, dass "nicht die besten Ideen umgesetzt werden oder die am besten qualifizierten Menschen einen Job bekommen", ist eine Erkenntnis, für die ich nicht erst 78 Jahre alt werden musste. Richten können es sich allerdings nicht die, die "scheinbar die richtigen Kontakte haben", sondern jene, die tatsächlich die richtigen Kontakte haben. Jedes Kind weiß, dass der Schein trügt. Ein Mensch im reifen Alter sollte auch wissen, dass der Trug scheint, zumindest den Betrügern selbst - so grell, dass sie davon geblendet werden. Nachdenken sollte VdB bei der Gelegenheit einmal darüber, warum in Österreich die "richtigen Kontakte" immer nur Kontakte zu einflussreichen Parteikadern sind.
VdB: "Und wenn Menschen in unserem Land auch nur den Eindruck bekommen, dass man es sich richten kann, dass man sich zum Beispiel seine Steuerangelegenheiten einfach richten kann, wenn man nur reich genug ist oder die richtigen 'Freunde' hat. Wenn auch nur der Eindruck entsteht, Politiker handelten zum Vorteil der eigenen Seilschaft, der eigenen sogenannten Verbündeten oder Vertrauten und auf Kosten der Gemeinschaft. Dann muss es im größten Interesse des Bundeskanzlers und der verantwortlichen Regierungsmitglieder sein, diesen Eindruck zu entkräften."
HTH: "Wenn auch nur ein "Eindruck" entsteht, dann muss der Kanzler dafür sorgen, diesen "Eindruck" zu entkräften. Was, Herr VdB, soll ein Kanzler machen, wenn sich herausstellt, dass es sich nicht um Eindrücke, sondern um Tatsachen handelt? Soll der Kanzler dann die Tatsachen entkräften? Ja, genau das wird ständig versucht! Ganz im Sinne von "verschweigen und vernebeln". Die Tatsachen müssen entkräftet werden, so sehen das die Parteipolitiker, anstatt neue Tatsachen - zum Beispiel auf Basis einer neuen Verfassung - zu schaffen!
VdB: "Meine Damen und Herren, es geht bei den mutmaßlichen Korruptionsverdachtsfällen rund um einige ÖVP-Politiker nicht nur um das Rechtliche alleine. Denn wenn es in all den Verwerfungen eine gute Nachricht gibt, dann ist es diese: Unser Rechtsstaat funktioniert! Wir sehen ihm gerade alle gemeinsam bei der Arbeit zu. Wir sehen dem Rechtsstaat bei der Arbeit und beim Funktionieren zu! Und er wird diese Arbeit, so lange es auch dauern möge, mit aller Umsicht zu Ende führen. Das ist beruhigend. Und ich kann es nur wiederholen: die unabhängige Justiz genießt meine volle Rückendeckung."
HTH: Die Justiz arbeitet und VdB schaut zu. Wahrscheinlich ist das der größte Fortschritt im Vergleich zu seiner ersten Legislaturperiode, denn in den vergangen sechs Jahren hat er nicht zu, sondern nur weg geschaut. Oder durch seine Rauchschwaden einfach nicht klar gesehen, welche grellen Blüten die politische Korruption in den vergangenen sechs Jahren getrieben hat. Pauschal zu behaupten, dass unser Rechtsstaat funktioniert, ist ein Beweis dafür, dass VdB schon länger als sechs Jahre nicht mehr schaut, wohin ein kritischer Mensch schauen muss: längst nicht mehr überschaubare Gesetzestexte basierend auf einer inkonsistenten, ausufernden Verfassung, Gerichtsverfahren, die unendlich in die Länge gezogen werden und Richter, die jeglichen Sinn für Gerechtigkeit verloren haben. Wer die Justiz von innen kennt, kann diesen Apparat nicht als "beruhigend" empfinden. Dass er diesem Apparat "volle Rückendeckung" zusichert, ist klar. Das ist einer der Gründe, wofür VdB die Unterstützung von vier Parteien bekommen hat. Keine Wortschöpfung könnte besser zum Ausdruck bringen, welchen Eiertanz VdB aufführt als: "mutmaßliche Korruptionsverdachtsfälle".
VdB: "Demokratie kann nur funktionieren, wenn Menschen darauf vertrauen, dass die regierenden Personen integer handeln. Dass die politisch Verantwortlichen mit dem ihnen geliehenen Vertrauen sorgsam umgehen. Dass mit der Stimme, die wir bei bei der Wahl abgegeben haben, verantwortungsvoll umgegangen wird. Es braucht eine transparente, nachvollziehbare und vor allem für alle wahrnehmbare Generalsanierung des Vertrauens. Meine Damen und Herren, diese gesamte unschöne Thematik erfordert, dass in den nächsten Wochen und Monaten Maßnahmen gesetzt werden, um die volle Handlungsfähigkeit aller politisch Verantwortlichen in diesem Land sicher zu stellen und um das Vertrauen in die Politik wieder herzustellen. [... ] In der Republik Österreich werden wir Korruption niemals akzeptieren und als Normalität hinnehmen. Ich verspreche Ihnen, dass ich keine Ruhe geben werde, bis wir uns von dieser Last befreit haben und das Vertrauen wieder hergestellt ist. Wenn Sie so wollen, bis dieser substanzielle Schaden am Gebäude Demokratie behoben ist."
HTH: Vertrauen und Verantwortung sind zwei Grundwerte, gemäß "Moral 4.0" zwei von "fünf goldenen V" (dazu kommen Vernetzung, Veränderung, Verzeihen), die eine Ethik des 21. Jahrhunderts konstituieren könnten (wenn man dazu einen öffentlichen - warum nicht von der Präsidentschaftskanzlei finanzierten? - Diskurs führen würde). Trotzdem kann ich zu den "vertrauensbildenden Maßnahmen" von VdB nicht einfach "amen" sagen oder gar applaudieren. Seine ganzen Ausführungen sind nämlich ein Beispiel dafür, das Politikerreden fast immer moralinsauer sind, insbesondere wenn sie Sonntagspredigten halten. Die einleitenden Demokratie-kann-nur-funktionieren Sätze kann jeder Mensch unterschreiben. Doch mit der "Generalsanierung des Vertrauens" beweist VdB, dass sein intellektueller Horizont genau so weit reicht wie von "allen politisch Verantwortlichen", deren "Handlungsfähigkeit" er wieder herstellen will. Vertrauen kann man weder sanieren, noch generalsanieren. Vertrauen muss man sich verdienen. Wenn ein Politiker das Vertrauen verloren hat, kann er es durch entsprechendes Handeln wieder erwerben - oder auch nicht. Vertrauen an sich ist ein Grundwert, den man in jeder Beziehung von Mensch zu Mensch zunächst voraussetzen darf. Wenn jedoch dieses Vertrauen (z.B. Urvertrauen zwischen Eltern und Kindern) einmal verletzt wurde, kann man nicht einfach eine "Generalsanierung" in Auftrag geben, um zerbrochenes Porzellan wieder herzustellen. Die wiederholten Beteuerungen dessen, was selbstverständlich sein sollte, dass "wir Korruption niemals akzeptieren" werden, ist eine der Formulierungen, auf die der Begriff "moralinsauer" exakt zutrifft. VDB, der seit drei Jahrzehnten Einfluss auf die Politik des Landes nimmt, sollte uns nicht weis machen, dass er "Korruption niemals akzeptieren" werde, sondern er sollte uns erzählen, was er bislang gemacht hat, um Korruption zu verhindern. Wann und wo hat VdB bislang aufgedeckt oder gar verhindert, was faul ist im Staate Österreich? Wenn er es getan hat, dann hat er es wohl vornehm verschwiegen!
VdB: "Es geht dabei eindeutig auch darum, die eigene Rolle, die Rolle der eigenen Partei, die bisherigen Aktivitäten kritisch zu hinterfragen und die notwendigen Konsequenzen und Maßnahmen zu ziehen. Österreichs Bevölkerung braucht Garantien. Glaubwürdige Garantien, dass das, was sich in diesem Sittenbild angedeutet hat, nicht der Normalität entspricht. Diese Garantien, in welcher Form auch immer, glaubwürdig zu geben, ist die Bringschuld der Verantwortlichen. Ich werde nun zügig weitere Gespräche mit den politisch Verantwortlichen in unserem Land führen. Denn die großen Herausforderungen unserer Zeit – Sie wissen es - mit dem fürchterlichen Krieg in der Ukraine, der notwendigen raschen Umstellung unserer Energieversorgung und der Abfederung der Teuerung, das alles, braucht die volle Aufmerksamkeit der Regierenden. Die großen Herausforderungen brauchen die Zusammenarbeit aller Ebenen und – das ist sicher die größte Herausforderung – und eben das Vertrauen der Bevölkerung."
HTH: Nun will VdB sogar "Garantien"! Wofür? "Dass das, was sich in diesem Sittenbild angedeutet hat, nicht der Normalität entspricht." Dem verrauchtesten Präsidenten aller Zeiten fehlt offenbar ein Fenster in seinem Raucherkammerl, aus dem er einmal einen Blick in die Realität unseres Landes werfen könnte. Das, was sich jetzt "andeutet" ist seit Jahrzehnten "Normalität", Alltag, Realverfassung, kurz: die österreichische Wirklichkeit. Ein Bundespräsident, der offenbar nie vor verschlossenen Türen des Systems gestanden ist, der seit seiner Anstellung an der UNI Innsbruck und dem darauf folgenden "Ruf an die UNI Wien" (damals noch als SPÖ-Mitglied) eine klassische österreichische Parteikarriere hinter sich gebracht hat, mit zwei Parteibüchern, die er bei Bedarf raus holte und bei Bedarf vergessen hat, dieser Apparatschik sieht "Andeutungen", wo jeder "einfache Österreicher" ganz genau weiß, wie es läuft. Wenn die moralinsaure Predigt eines Staatsoberhauptes in Realitätsverweigerung mündet, dann ist hier zum wiederholten Mal der Punkt erreicht, wo man nur noch sagen kann: "Oida, es reicht!" (Zitat VdB bei seinem ORF-Interview vor der Wiederwahl).