Verfassungsreform-Verhinderungs-Stiftung

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13. Februar 2023 - Der Verein "Forum Verfassung" ist zuletzt am 5.10.21 im Erscheinung getreten. Damals wurde dem polnischen Ex-Verfassungsrichter Mirosław Wyrzykowsk, sowie dem Chefredakteur der Wiener Zeitung, Walter Hämmerle eine Auszeichnung des Forums verliehen. Ausgezeichnet wurden auch die AHS-Lehrerinnen Monika Erckert und Silvia Ruschak-Schneider, unter anderem für ihr Engagement beim Aufbau des Programms „Verfassung macht Schule“. (Quelle: APA OTS) Nun soll der Verein aufgelöst und durch die staatliche "Stiftung Forum Verfassung" - wohldotiert mit 700.000 Euro pro Jahr - ersetzt werden.

Ruine 1919

ethos.at hat gegen den vorliegenden Gesetzes-Entwurf, den ÖVP, SPÖ, Grüne und NEOS eingebracht haben, folgende Stellungnahme eingebracht

Die Stellungnahme auf parlament.gv.at

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Zum 100-Jahr-Jubiläum der österreichischen Verfassung ist das Buch "Baustelle Parlament. Warum die österreichische Verfassung für das 21. Jahrhundert nicht geeignet ist" erschienen. Die Wesentlichen Gründe:

"Die österreichische Verfassung ist eine Ruine." - Dieses Urteil hat der Verfassungsjurist Hans Klecatsky (1920-2015) schon in den 1970er Jahren getroffen. Seither wurde vom Gesetzgeber nichts unternommen, die Ruine zu renovieren, geschweige denn ein zeitgemäßes Gebäude darauf aufbauend zu errichten, sondern - um beim Bild zu bleiben: die Ruine wurde lediglich mit Bauschutt aufgefüllt.

Beim Studium des BVG muss man sich die Frage stellen, was von der "Urverfassung" aus dem Jahr 1919 noch übrig ist und was davon noch brauchbar ist. Ebenso wichtig ist die Frage, welche Fragen überhaupt nicht gestellt wurden und daher auch nicht beantwortet werden können. Beispiel: exzessive Erörterung der nebensächlichen Frage, wo Häftlinge wahlberechtigt sind aber keine Antwort auf die Frage, wie die ständig wachsende Zahl der Demenzkranken bei Wahlen zu behandeln ist. (Artikel 6 Absatz 4 B-VG)

Der in jeder Demokratie der Welt undenkbare Missbrauch der Verfassung, einfache Gesetze in Verfassungsrang zu heben, so dass offenbar kein Experte des Landes genau weiß, wo überall sich "Verfassungsschätze" verbergen. Abgesehen davon wird mit dieser Unsitte der Verfassungsgerichtshof als "Gesetzprüfungsgericht" zur lahmen Ente.

Österreich, einer der kleinsten Staaten der Welt, hat die umfangreichste Verfassung der Welt. Experten sind sich einig, das BVG können nur Experten verstehen - somit ist das BVG keine Grundlage einer Demokratie, sondern die Grundlage einer Expertokratie. Angesichts des Wildwuchses des BVG darf man sich nicht wundern, dass es Doppelgleisigkeiten und Widersprüchlichkeiten gibt. Diese als "schön und elegant" zu bezeichnen, ist entweder Igonranz oder gezielte Irreführung der Bevölkerung.

In logischer Konsequenz brauchen wir, wenn wir eine bessere Demokratie wollen, eine bessere, eine grundlegend neue Verfassung. Diese Forderung unterstützen zahlreiche Parlamentarier - leider immer erst dann, nachdem sie ihr Mandat verloren haben.

Der vorliegende Gesetzesentwurf ist nicht geeignet, die längst erforderliche österreichweite Diskussion über eine grundlegende Verfassungsreform in Gang zu bringen. Ganz im Gegenteil: der Entwurf ist so konstruiert, dass jegliche Reformdiskussion unterbunden wird. Unausgesprochen wird das Diktum von der "Schönheit und Eleganz" der österreichischen Verfassung als Prämisse vorausgesetzt. So sind Aufgaben des geplanten Bundesgesetzes:

§ 1. (1) Vermittlung von Wissen und zur Bewusstseinsbildung in Angelegenheiten der österreichischen Bundesverfassung....

§ 2. (2) Die Stiftung verfolgt folgende Zwecke:

1. Darstellung und Vermittlung der Bedeutung der Verfassung als Legitimationsgrundlage einer pluralistischen Demokratie und einer unabhängigen Verfassungsgerichtsbarkeit;

2. Vermittlung von Informationen über den aktuellen Stand der Verfassung und der Verfassungsgerichtsbarkeit;

3. Vermittlung von Informationen über die Aufgaben und die Arbeit des Verfassungs-gerichtshofes, insbesondere unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis;

4. Aufarbeitung und Vermittlung neuer Entwicklungen im Verfassungsrecht und in der verfassungsgerichtlichen Judikatur;

5. Analyse und Vermittlung der Entwicklung der österreichischen und europäischen Verfassungsgerichtsbarkeit und Information darüber.

Kein Wort von kritischem Diskurs, kein Wort von Reform! Statt dessen schwammige Begriffe wie "Bewusstseinsbildung", " Vermittlung der Bedeutung der Verfassung als Legitimationsgrundlage einer pluralistischen Demokratie", " Vermittlung von Informationen über den aktuellen Stand der Verfassung" - Kurz: der Status quo darf nicht angetastet werden. Die faktenwidrige Behauptung von der "Schönheit und Eleganz" der Verfassung soll einzementiert werden. Wenn die herrschenden Parteien "Legitimation einer pluralistischen Demokratie" einfordern, dann meinen sie ausschließlich die Parteiendemokratie! Das ist der Gipfel des Pluralismus, den sie sich vorstellen können.

Jede wirklich demokratische Verfassung muss auf dem einfachen Grundsatz basieren, dass eine Demokratie eine schlanke Verfassung braucht, so dass sie alle Bürger des Landes lesen und verstehen können, um sich letztlich damit zu identifizieren.

Es gibt keine demokratie-politische Legitimation dafür, eine eigene Stiftung einzurichten und mit 700.000 Euro jährlich zu dotieren, die offensichtlich nur dem Zweck dient, die bestehende Übermacht der Parteien zu festigen. Dies unter dem Mäntelchen der "Legitimationsgrundlage einer pluralistischen Demokratie". Was sich schon lange abzeichnet ist die Beendigung unserer Demokratie als offene Gesellschaft! Zeitgemäße Trends der direkten Demokratie, Basisdemokratie, liquid democracy, für die es bereits Konzepte und Demokratie-Apps gibt, werden durch den vorliegenden Entwurf weiterhin ausgegrenzt. Nicht nur aus den gängigen Verfahren, sondern sogar aus dem Diskurs.

Resümee: das Gesetz als ganzes ist abzulehnen. Anstelle dessen soll eine Stiftung geschaffen werden, die eine Verfassungsreform zum Gegenstand hat, mit dem Zweck, Ideen zu sammeln, Grundwertediskussionen zu führen, Bürgerforen zu organisieren um den Entwurf einer neuen Verfassung zu erarbeiten, wie das der Schweiz in den 1990er Jahren gelungen ist.

Der Gesetzesentwurf im Wortlaut.