Resümee
Die Behauptung "Rassismus war die Quintessenz des Zeitgeistes der 1920er und 1930er Jahre" impliziert den allgemein üblichen Begriff von Rassismus, der politisch die Zuspitzung jeder Form von Nationalismus bedeutet. Rassismus ist im Nationalismus genetisch angelegt, könnte man in Anlehnung an diese Geisteshaltung sagen.
Während nationalistische Strömungen bei internationalen Konflikten leicht in einen Krieg münden, können sie bei nationalen Konflikten zum Bürgerkrieg führen - oder zur dauerhaften Unterdrückung einzelner Volksgruppen bzw "Rassen" - ein Begriff, den man bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts noch unkritisch in der Alltagssprache ebenso wie in den Wissenschaften verwendete. Der KuKluxKlan zeigt exemplarisch, dass sich Rassismus nicht nur gegen Schwarze, sondern auch gegen andere Bevölkerungsschichten wie Katholiken oder Sozialisten richten kann.
Der Holodomor, die Ausrottung der als "Kulaken" (wohlhabende Bauern) diskreditierten Bevölkerungsgruppe in der Ukraine, ist ein anderes Beispiel für die verschiedenen Auswüchse des Rassismus. Nicht viel besser ist es zur gleichen Zeit den "Okies" (ursprünglich Bewohner von Okland, später abwertend für die vor den Sandstürmen geflüchteten Farmer aus dem Corn Belt der USA) ergangen. Tausende Menschen, die ihre Existenzgrundlage verloren hatten, wurden in Kalifornien nicht nur als "wandernder Müll" bezeichnet, sondern auch so behandelt.
Ein anderer Aspekt des Rassismus war es, den Frauen "geringere Intelligenz" zu attestieren als Männern. Auch die Ideen der Eugenik mit all ihren menschenverachtenden Konsequenzen sind dem Wesen nach Rassismus.
Rassismus im erweiterten Sinne bedeutet demnach: Die willkürliche Ausgrenzung (bis hin zur Vernichtung) von bestimmten Menschengruppen, die angeblich über gemeinsame, minderwertige Merkmale verfügen. Wer Rassismus auf Antisemitismus und Zionismus als "zwei Seiten einer Medaille" reduziert, der behauptet die Erde sei flach. Die Erde, und somit auch die Welt des Rassismus, ist jedoch eine Kugel, und in so gut wie jedem Land - von Südafrika bis Großbritannien, von den USA bis Japan - zeigte der Rassismus der Zwischenkriegszeit seine spezifische Ausprägung. Blom zeigt viele Gesichter des Rassismus und ermöglicht damit einen ganzheitlichen Blick auf dieses Phänomen.
Laut wikipedia gilt heute: "Rasse ist eine umstrittene Bezeichnung für eine Gruppe von Individuen der gleichen (Tier-)Art, die anhand willkürlich gewählter Ähnlichkeiten des Phänotyps (Aussehen, physiologische Merkmale, Verhalten) klassifiziert werden. Mit der Abgrenzung zu einer bestimmten 'Rasse' wird eine direkte genetische Abstammungslinie aller Gruppenmitglieder unterstellt."
Ob die "Umwertung" des Begriffs "Rasse" (Vorsicht Nietzsche, einer der geistigen Väter aller Rassisten) auch dazu beigetragen hat, Denken und letztlich Verhalten der Menschen im 21. Jahrhundert zu verändern, den Rassismus zu besiegen, können wohl nur Historiker späterer Jahre erforschen. Oder ein Philosoph, der imstande ist, den Zeitgeist 2023 schon heute zu ergründen.