Schulak/Unterköfler: Die Wiener Schule der Nationalökonomie

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Eine Geschichte ihrer Ideen, Vertreter und Institutionen

Enzyklopädie des Wiener Wissens, Band VII Nationalökonomie, Wien, 2009

Eugen Maria Schulak und Herbert Unterköfler bringen schon in der Einleitung ihres Buches die Quintessenz der Wiener Schule auf den Punkt: "Die Wiener Schule, die vom Individuum als dem maßgebenden wirtschaftlichen Akteur ausging und in der Folge individuelle Präferenzen und den im Rahmen von Märkten erfolgenden intersubjektiven Abgleich [Anm HTH: d.h. Wettbewerb] dieser Präferenzen ins Zentrum ihrer Forschung stellte, wies immer wieder darauf hin, dass Institutionen [Anm HTH: Systeme, "Socialgebilde"] wie Geld, Staat oder Markt ohne planerisches Tun oder ohne zentrale Absicht oder Gewalt entstanden waren, allein auf Grund menschlicher Interaktionen, in einer dem Menschen und der menschlichen Logik angemessenen und so gleichsam natürlichen [Anm HTH: und vernünftigen] Weise." (16)

Wiener Schule Economy

Infolge der Finanzkrise 2008 merken die Autoren kritisch an: "Die erstaunlich entschlossenen staatlichen Interventionen kommen freilich nicht von ungefähr, sind doch die so genannten Wohlfahrtsstaaten in den letzten Jahrzehnten mit dem Finanzsektor eine sehr enge Symbiose eingegangen. In keinem anderen Wirtschaftszweig - wenn man vielleicht von der Rüstungsindustrie in gewissen Staaten absieht - sind die institutionellen, personellen und wirtschaftlichen Verflechtungen mit dem Staat so eng wie bei der Finanzindustrie." (15)

Schulak/Unterköfler kritisieren die Versuche, "die makroökonomischen, monetären und marktbestimmenden Grundgesetze möglichst einfallsreich und opportunistisch zu umgehen". Ihre Kritik richtet sich gegen die Wirtschaft, wie sie ist. Man könnte aus der Entwicklung des so genannten freien Marktes aber auch eine Kritik an der "reinen Lehre" ableiten, die möglicher Weise von falschen Prämissen ausgeht und "Grundgesetze" dort axiomatisch voraussetzt, wo lediglich der Idealismus von Menger, Mises und Co Vater des Gedankens war. Dazu mehr im Anhang, zunächst zur Chronik der Ereignisse:

Erst im19. Jahrhundert wurde Nationalökonomie (auch unter den Namen Volkswirtschaft oder Politische Ökonomie) als eigenes Fach an deutschen Universitäten institutionalisiert, bis dahin gab es lediglich Lehrstühle der "Cameralwissenschaften" an den juristischen Fakultäten. Als Begründer der Wiener Schule gilt Carl Menger von Wolfensgrün (1840-1921) mit seiner Habilitationsschrift "Die Grundsätze der Volkswirtschaftslehre (1871)". Er wurde damit zunächst Privatdozent, 1873 zum außerordentlichen Professor an der Uni Wien und fünf Jahre später an den erstmals geschaffenen Lehrstuhl für Politische Ökonomie berufen.

"Im Kernstück der Grundsätze, der Lehre vom Wert, wird dann die Idee vom 'wirtschaftenden Individuum' als Maß und Motor der Ökonomie zu einer umfassenden Theorie ausgebaut." (34) Die Prämisse, dass die Marktmechanismen auf ökonomischen Gesetzen basieren, die dem Zusammenspiel der individuellen Interessen zu Grunde liegen (Schumpeter bezeichnete dies als "methodologischen Individualismus") führte zu einem langjährigen Wissenschafts- und Methodenstreit mit den in Deutschland etablierten Lehrstühlen. "Bislang hatten sich die deutschen Ökonomen nämlich stets auf einen sittlichen, religiösen oder politischen Ordnungsrahmen bezogen, sei es auf die 'Staatswohlfahrt", einen 'Plan Gottes', ein normatives "Collectivbedürfnis', ein 'Sittengesetz', ein 'sittliches Bewusstsein' oder auf die Religion als 'höchstes Ziel und tiefsten Grund'." (33)

"In seinen Untersuchungen über die Methoden der Socialwissenschaften und der Politischen Ökonomie insbesondere, die er 1883 veröffentlichte, unterschied Menger zwischen einer 'historischen', einer 'rhetorischen' und einer 'praktischen' Richtung der Volkswirtschaftslehre und warf der Historischen Schule vor, die theoretische Nationalökonomie mit deren Geschichte zu verwechseln. Die Praxis, also die Volkswirtschaftspolitik, so Menger, benötige eine theoretische Fundierung [...] Wortgewaltig bestritt Menger eine Reihe von festen Grundannahmen der Historischen Schule: Sichtbare wirtschaftliche Erscheinungen würden noch nicht die Richtigkeit der 'exacten Gesetze der Volkswirtschaft' verbürgen, die volkswirtschaftlichen Erscheinungen seien keineswegs untrennbar mit der sozialen und staatlichen Entwicklung der Völker verbunden [...] das 'Dogma vom Eigennutz' bedeute nicht, dass alle Menschen immer gleich handelten, denn allein Irrtum und Unkenntnis bewirkten schon Unterschiede. Weiters lehne die Historische Schule 'Gesetze' in der Volkswirtschaft strikt ab, suche aber anderseits 'Entwicklungsgesetze in der Geschichte, um diesen dann den 'Charakter von Naturgesetzen zu vindiciren'." (42)

Statt den Konflikt mit redlichen Argumenten Pro und Contra auszutragen (was man gemeinhin als Grundgesetz der Wissenschaften erachtet), kündigte der Hauptgegner von Menger, Gustav Schmoller, "als Rektor der Berliner Universität an, alle nicht der Historischen Schule zugehörigen Strömungen einschließlich der 'Österreicher' vom Lehrbetrieb ausschließen zu wollen". (46) [Anm. HTH: eine Jahrhunderte alte Strategie wie Wissenschaft Wissen schafft. Paul Feyerabend hat diese Methoden in seinem Buch "Wider den Methodenzwang" eingehend untersucht.] Eugen von Böhm-Bawerk (1851-1914) reagierte darauf mit dem Bonmot: "Die Theorie als überflüssig erklären, heißt den Hochmut haben, man brauche nicht zu wissen, was man sagt, wenn man spricht, und was man tut, wenn man handelt." (46).

Trotz dieser "Verbannung" führte der Methodenstreit mit der Historischen Schule zu Dutzenden Publikation, ebenso wie die Auseinandersetzung mit einer anderen Theoretische Schule, deren Grundgesetze auf kollektivistischen Ideen basierten. So fanden die Schriften von Karl Marx über die Kritik der Wiener Schule Eingang in den Akademischen Diskurs. "Die Kritik richtete sich vor allem gegen die Arbeitswerttheorie, deren Widersprüche und Unzulänglichkeiten man mit der subjektivistischen Wertlehre endgültig überwunden zu haben glaubte." (109) Böhm-Bawerk lieferte 1896 mit der Schrift "Zum Abschluß des Marxschen Systems" eine umfangreiche und viel beachtete Abrechnung mit dem Kollektivismus.

Ihren Höhepunkt erlebte die Wiener Schule vor und während dem Ersten Weltkrieg. "Ihre Vertreter lehrten an den drei Wiener Universitäten sowie an der Exportakademie. In der Gesellschaft Österreichischer Volkswirthe spielten sie eine tonangebende Rolle und mit der Zeitschrift für Volkswirtschaft, Socialpolitik und Verwaltung verfügten sie sogar über ein eigenes Publikationsorgan. Nacheinander waren fünf Habilitierte der Schule ins Herrenhaus berufen worden, fünf waren zu Ministerehren gekommen, einige sogar mehrmals, und zwei gehörten dem Reichsrat an." (118) Ironie der Geschichte: so gut wie alle Vertreter der Wiener Schule haben in ihren Positionen die zentralistischen, planwirtschaftlichen Maßnahmen basierend auf dem Kriegsleistungsgesetz von 1912 mitgetragen. "Allein Ludwig von Mises schien ernste Zweifel gehegt zu haben." (120) Statt im der Kriegswirtschaftlichen Abteilung im Kriegsministerium zu arbeiten zog er es vor an die Front zu gehen.

Nach dem Ersten Weltkrieg war es Ludwig von Mises (1881-1973), der Otto Bauer (1881-1938) nach langen Gesprächen davon überzeugen konnte, dass eine bolschewistische Revolution für Österreich der falsche Weg sei. Bauer war erster Außenminister Österreichs nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, Mises war Beamter der Wiener Handelskammer, beide waren seit ihrem gemeinsamen Besuch der Seminare von Böhm-Bawerk befreundet. [Vgl. "Ich habe einen hoffnungslosen Kampf geführt", DiePresse.com, 4.1.2014

Der illustre Joseph Schumpeter (1883-1950) wurde 1919 "als Finanzminister in die sozialistische Regierung berufen. Sieben Monate später musste er allerdings wieder zurücktreten, da sein Finanzplan zur Gänze zurückgewiesen wurde und man ihm vorwarf, ein Verstaatlichungsprojekt hintertrieben und so den Regierungskurs konterkariert zu haben. Bei jeder Gelegenheit äußerte sich Schumpeter optimistisch zur Frage der wirtschaftlichen Selbständigkeit der jungen Republik. Im Gegensatz dazu verfolgte Otto Bauer als Staatssekretär für Äußeres den politischen Anschluss an Deutschland und führte dafür ökonomische Notwendigkeiten ins Treffen. Auch Karl Renner hob als Staatskanzler und Verhandlungsleiter bei den Friedensgesprächen in SaintGermain die wirtschaftliche Nichtlebensfähigkeit des radikal geschrumpften Österreich hervor." (96)

Auch als Geschäftsmann hatte Schumpeter wenig Erfolg: "Etliche Monate später wurde er zum Präsidenten der Wiener Bidermann-Bank ernannt. Innerhalb von drei Jahren war die Bank pleite, worauf ihn die Eigentümer mit Schimpf und Schande und einem Berg von Schulden entließen." (96). Erst 1925 erhielt er als ordentlicher Professor einen "Ruf nach Bonn" und übersiedelte 1932 nach Cambridge (USA), wo er in weiterer Folge zum Ruf der Harvard University wesentlich beitragen konnte. (97)

In der Zwischenkriegszeit zeigte die Wiener Schule Zerfallserscheinungen, die spätestens 1938 mit der Machtübernahme der Nazis zu einem Exodus führten. Friedrich (Freiherr von) Wieser (1851-1926), kurz vor dem Ende der Monarchie noch zum Handelsminister ernannt, und Hans Mayer (1879-1955) wurden zu ihren führenden Vertretern. Mises hielt regelmäßig Privatseminare in seinem Büro in der Wiener Handelskammer, seine späte akademische Karriere begann erst 1934 mit einer Gastprofessur in Genf, 1940 floh er in die USA, wo er erst 1945 eine Gastprofessur an der New York University erhielt und bis 1969 lehrte.

"Nach dem Exodus von Mises, Hayek, Haberler, Machlup und Rosenstein-Rodan wurde Oskar Morgenstern (1902-1977) als Leiter des Instituts für Konjunkturforschung zum wichtigsten Repräsentanten der Schule in Österreich". (131) Doch nach der Machtübernahme der Nazionalsozialisten wurde Morgenstern die Lehrbefugnis entzogen. "Morgenstern hielt sich zum Zeitpunkt des Anschlusses gerade im Ausland auf und kehrte nicht mehr zurück. [...] Hans Mayer hatte inzwischen als Präsident der Nationalökonomischen Gesellschaft den 'Arierparagraphen' vollzogen und alle Juden aus der Gesellschaft ausgeschlossen." (132) Damit wurde das Wirken der Wiener Schule de facto ausgelöscht. Heute wird sie weltweit vor allem mit einem Namen identifiziert: Friedrich August von Hayek (1899-1992).

Obwohl Mises, "der Logiker der Freiheit" (134) bis ins hohe Alter seine radikal liberale Position verteidigte und "entschieden gegen die Anmaßungen der Etatisten" ankämpfte, wird heute primär Hayek als Prophet des Neoliberalismus und Antipode zu Keynes gefeiert.

Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem er als Offizier diente, promovierte Hayek 1921 bei Friedrich Wieser, gründete daraufhin den "Geistkreis" und wurde auch bald in Mises Privatseminar eingeladen. 1927 gründeten Mises und Hayek das Österreichische Institut für Konjunkturforschung (Vorläufer des WIFO), 1929 habilitierte sich Hayek schließlich mit "Geldtheorie und Konjunkturtheorie". 1931 konnte er die Hörer seiner Gastvorlesung an der London School of Economics so stark beeindrucken, "dass ihm prompt ein Lehrstuhl angeboten wurde." (141)

"Ende der 30er Jahre, als er nach und nach zum Hauptgegenspieler von John Maynard Keynes (1883-1946) wurde, geriet Hayek jedoch zunehmend in wissenschaftliche Isolation. Da er sich am Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise gegen eine expansive staatliche Beschäftigungspolitik ausgesprochen und vor ihren inflationären Konsequenzen gewarnt hatte, boten seine Empfehlungen für aktivistische Politiker kaum mehr ein Betätigungsfeld." (141) "Mit dem fulimanten Erfolg von The General Theory of Employment, Interest and Money (1936) von John Maynard Keynes ging das Interesse an der Wiener Schule fast schlagartik zurück." (178)

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg feierte Hayek mit seinem Buch "The Road to Serfdom" weltweit Erfolge. Darin analysierte er die "Sozialismen Deutschlands und der Sowjetunion, aber auch den den demokratischen Sozialismus als einen schleichenden Weg zur Knechtschaft" (142). 1950 erschien sogar eine Comic-Fassung des Buches. "Diese populär gehaltene Warnung vor dem drohenden totalitären Kollektivismus nach dem Krieg - durch Beibehaltung der Wirtschaftsplanung des Krieges in Friedenszeiten und die zu erwartenden Dynamiken jeder Planwirtschaft - fiel auf fruchtbaren Boden."

1947 versammelte Hayek "nicht-kollektivistische Denker aus aller Welt" in der Schweiz. "Die damals gegründete Mont Pèlerin Society (MPS), eine Art lieberale Internationale, dient bis heute als Plattform für Vertreter einer freien Markwirtschaft." (142) Ab 1950 wirkte Hayek als Leiter des Lehrstuhls "Moral and Social Science" an der University of Chicago. 1962 kehrte Hayek nach Europa zurück und publizierte bis ins hohe Alter. 1972 erhielt er den so genannten Wirtschafts-Nobelpreis. Eine letzte Abrechnung mit dem Sozialismus legte er 1988 vor: "The Fatal Conceit. The Errors of Socialism" (1988.

Spätestens nach dem Zerfall der Sowjetunion haben sich Hayeks Ideen weitgehend durchgesetzt. [Anm: Philipp Ther hat "Eine Geschichte des neoliberalen Europa" über die ersten 25 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs geschrieben.] So gut wie alle Vertreter des Neoliberalismus berufen sich auf Hayek, sein "Gesellschaftsmodell und dessen Theorie der kulturellen Evolution" (so der Titel des 21. Kapitels von Schulak/Unterköfler, das hier Auszugsweise folgt):

"Bereits in Der Weg zur Knechtschaft (engl. The Road to Serfdom, 1944), [...] skizzierte Friedrich August von Hayek jene Grundgedanken, die später für ihn typisch werden sollten: So sei die Entwicklung unserer westlichen Zivilisation nur deshalb möglich gewesen, weil die Menschen sich den unpersönlichen Kräften des Marktes unterworfen hätten. Niemand habe diese Entwicklung bewusst geplant und angeordnet, sondern sie habe sich im Zuge stetig komplexer gewordener Tauschverhältnisse auf dem Wege einer kulturellen Evolution gleichsam von selbst ergeben. Der Vorsatz, dieses Bauwerk nun in Zukunft verändern und mit Hilfe von Ideen gestalten zu wollen, könne demanch nur die Folge eines 'unvollständigen und daher in die Irre gehenden Rationalismus' sein. Kein Einzelwesen und auch keine Behörde habe so etwas wie einen vollkommenen Überblick. [...] Politische Planung und Regulierung müsse demnach zwangsläufig zu einer Verschlechterung der Verhältnisse führen und letztlich die persönliche Freiheit zerstören." (164)

"Akribisch wies Hayek nach, dass Sozialismus, wie auch immer er sich zeige, mit dem Gedanken der Freiheit unvereinbar sei und dass der Aufstieg des Nationalsozialismus keine Reaktion auf den sozialistischen Zeitgeist, sondern dessen notwendiges Ergebnis gewesen sei. Ob Nationalsozialismus oder Sowjetkommunismus: Eine gelenkte Wirtschaft ende stets in Despotie. Eine freie Gesellschaft [sei hingegen...] evolutionär durch konsequente Verfolgung marktwirtschaftlicher Prinzipien zu erreichen. Da diese durch sozialistische Ideen Zug um Zug zersört worden seien, gelte es sie erneut zu formulieren, um die Idee der Freiheit im Bewusstsein der Menschen wiederum anschaulich greifbar zu machen." (165)

"Echter Individualismus zeichne sich dadurch aus, dass jede Form von Planung von einer Vielzahl einzelner Individuen und nicht zentral von einer Behörde durchgeführt wird. Nur eine Vielzahl Einzelner könne die Gesamtheit des möglcihen Wissens auch optimal zur Geltung bringen: 'Praktisch jedermann hat irgend einen Vorteil vor allen anderen Menschen, besitzt allein Kenntnisse, von denen er vorteilhaften Gebrauch machen kann.'" (165)

"So wie wir in biologischen Organismen oft beobachten könnten, dass die Teile sich so bewegen, als ob ihr Zweck die Erhaltung des Ganzen wäre, so Hayek in Missbrauch und Verfall der Vernunft (1979[1952]), so könnten wir auch in spontanen sozialen Gebilden sehen, 'wie die selbständigen Handlungen einzelner eine Ordnung hervorbringen, die nicht in ihrer Absicht gelegen ist [...]. Die Art zum Beispiel, in der in einer wilden Gegend Pfade entstehen, ist ein Fall dieser Art." (166)

"Kollektivistisches Denken öffne der Willkür Tür und Tor. Auf Basis eines falsch verstandenen Rationalismus bereite es den Boden für einen gefährlichen Irrationalismus. Verhindern lasse sich dieser nur insofern, als die bewusste Vernunft die Grenzen ihrer eigenen Leistungsfähigkeit zur Kenntnis nimmt, als 'wir als Individuen uns Kräften beugen und Grundsätzen gehorchen, die wir nicht hoffen können, völlig zu verstehen, von denen aber der Fortschritt und sogar die Erhaltung der Zivilisation abhängt'." (167)

Hayek in Die Verfassung der Freiheit (engl. The Constitution of Liberty, 1960): "Weil jeder einzelne so wenig weiß und insbesondere, weil wir selten wissen, wer von uns etwas am besten weiß, vertrauen wir darauf, daß die unabhängigen und wettbewerblichen Bemühungen Vieler die Dinge hervorbringen, die wir wünschen werden, wenn wir sie sehen. (168)

"Zwangsmaßnahmen der Regierung, so Hayek in seinen Freiburger Studien (1969), hätten sich ausschließlich auf die Durchsetzung allgemeingültiger Verhaltensregeln zu beschränken. Konkrete Ziele habe eine Regierung nicht vorzugeben. denn eine marktwirtschaftliche Ordnung beruhe nicht auf 'irgenwelchen gemeinsamen Zielsetzungen, sondern auf Reziprozität, d.h. auf dem Ausgleich verschiedener Interessen zum wechselseitigen Vorteil der Teilnehmer." (168 f)

"Staatliche Maßnahmen, die angeblich dem 'Gemeinwohl' dienen, wie etwa eine progressive Besteuerung, bei der eine Mehrheit eine Minderheit gegen deren Willen belastet, seien so nichts anderes als willkürliche Diskriminierungen, die die persönliche Freiheit zerstören. Eine Regierung habe es demnach zu unterlassen, auf eine Einkommensverteilung im Sinne einer 'sozialen Gerechtigkeit' einzuwirken. Nur im Rahmen eines auf Gesetz und Tradition gebauten Regelsystems, das dem Zugriff der Herrschenden weitgehend entzogen ist, könne sich der Mensch auch optimal entwickeln. Dies sei deshalb so, weil ein solches System im Zuge eines Ständigen Wettbewerbs stets jene Verhaltensweisen ans Licht bringe, die sich als erfolgreich erweisen. [...] Es liegt auf der Hand, dass solche Gesellschaften, die sich zu diesem Zweck des Wettbewerbs bedienen, mehr Wissen und so letztlich mehr Wohlstand für alle generieren." (169)

"Historisch entwickelt hätten sich die abstrakten Regeln wie die spontane Ordnung in wechselseitiger Abhängigkeit. [...] Der Mensch, so Hayek, 'nahm neue Verhaltensregeln nicht an, weil er intelligent war. Er wurde intelligent, dadurch daß er sich neuen Verhaltensregeln unterwarf' (Recht, Gesetzgebung und Freiheit (engl: Law, Legislation, and Liberty, 1973/76/79)" (171).